Taktik-Nachlese zum Spiel FCM-FCK

Die DBB-Analyse: Zwischen Valium und Nervenflattern

Die DBB-Analyse: Zwischen Valium und Nervenflattern

Foto: Imago Images

In Rostock dauerte es 96 Minuten bis zum Knockout. Beim 0:1 gegen Tabellennachbar Magdeburg verkaufte sich der 1. FC Kaiserslautern längst nicht so teuer wie gegen den Aufstiegskandidaten - und war nach 56 Minuten erledigt. Dennoch: Abgesang kann jeder.

In den meisten Spielberichten muss diesmal Kenny Redondo als Sündenbock herhalten. Schließlich war es sein Rücken, aus dem sich der Magdeburger Baris Atik schlich, ehe der völlig freistehend am langen Eck den Ball annehmen und den entscheidenden Treffer markieren durfte. Doch sollte einmal mehr die gesamte Entstehung gesehen werden: Wie sich der Magdeburger Sebastian Jakubiak auf dem linken Flügel freilaufen, erst Richtung Grundlinie marschieren, dann in den Strafraum eindringen durfte, ohne sonderlich viel Wert auf Tempo zu legen, anschließend den Ball Richtung langes Eck lupfte, wo Atik lauerte und sich gefühlt zehn Sekunden lang den Ball zurechtlegen konnte - da muss sich die gesamte FCK-Hintermannschaft fragen lassen, wie viel Valium sie eigentlich geschluckt hatte. Und das vor einem Spiel, in dem es sprichwörtlich um angeblich "sechs Punkte" ging.

Wo war eigentlich Linksverteidiger Hendrick Zuck, der sich bei Rechtsflanken doch zum langen Pfosten orientieren müsste? Der hing gerade am Sechzehner ab. Wo er aber immerhin noch in der Nähe eines Gegenspielers stand, der für Jakubiak ebenfalls anspielbar gewesen wäre. Was nur war in diesem Moment in diese Mannschaft gefahren?

Das Spiel bis zum Gegentreffer: Nicht gut, aber konzentriert

Das Spiel des FCK bis zu dieser 56. Minute - nein, es war nicht wirklich gut. Aber es wurde, sagen wir es mal so: konzentriert geführt. Einigermaßen jedenfalls. Die Lautrer Elf gestattete Atik bereits nach zehn Minuten eine erste Riesenchance, hatte die Partie danach aber gut im Griff. Und mauerte dabei nicht einmal. Das Team verteidigte ordentlich nach vorne, attackierte und organisierte früh - und verzeichnete auch einige Torgelegenheiten.

Drei davon per Kopf und eine nach 17 Minuten, per direktem Freistoß unmittelbar an der Sechzehn-Meter-Linie. Eine Top-Position eigentlich, aber Marlon Ritters Schlenzer war nicht mehr als eine Rückgabe. Ritter? Hieß so nicht der Neuzugang, der im Sommer als starker Distanzschütze angekündigt wurde? Muss eine Verwechslung gewesen sein.

Fehlende Qualität? Es sind wohl doch eher die Nerven

Von diesen Chancen jedoch abgesehen: Wie die Männer in Rot nach Ballgewinnen in die Spitze spielten - das wirkte weitaus weniger konzentriert. Fahriger und ungenauer geht’s nicht. Ob das tatsächlich fehlende Qualität ist, wie der ehemalige FCK-Profi Thomas Riedl als Pausengast des SWR vermutete?

Kann eigentlich nicht sein, denn alle Spieler, die da auf dem Feld standen, haben in der 3. Liga schon mal Qualität nachgewiesen. Die Nerven dürften wohl eher das Problem sein. Und die gilt es nun dringend in den Griff zu bekommen, angesichts von nunmehr sechs Punkten Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz.

Lösungen aus der Luft: Gesucht und nicht gefunden

Nach dem Gegentreffer jedoch ist nur noch eine Toraktion des FCK erwähnenswert, die Jean Zimmer knapp verpasste. Das Spiel verlagerte sich zwar weitestgehend in die Magdeburger Hälfte, weil sich die Gastgeber verständlicherweise dorthin zurückzogen, doch unmittelbar vorm Kasten spielte sich kaum noch etwas ab. Die Schreiduelle zwischen den Trainerbänken, die über die TV-Mikrofone in die Wohnstuben übertragen wurden, blieben das Unterhaltsamste an diesem Geisterspiel.

Dabei hatten es die Kopfballchancen zuvor doch angedeutet, zudem ließen die Platzverhältnisse kein schnelles, präzises Spiel am Boden zu: Die Lösungen hätten in der Luft gesucht werden müssen. Da aber fehlt es dem FCK schon die gesamte Spielzeit an geeignetem Personal.

Magdeburg hat Brünker und Beck - und Lautern?

FCM-Trainer Christian Titz konnte seinen 1,90 Meter großen Wandspieler Kai Brünker nach 76 Minuten durch den 1,96 Meter großen Christian Beck ersetzen. Im Lautrer Kader jedoch ist kein Exemplar aus dieser Baugruppe im Angebot. Stattdessen musste der erst in der Halbzeitpause eingewechselte Anas Ouahim nach 75 Minuten schon wieder vom Platz. Ob Interimscoach Frank Döpper, der den gesperrten Marco Antwerpen an der Seitenlinie vertrat, damit der Durchschlagskraft Tribut zollte, die Ouahim in diesen gerade mal 30 Minuten erzielt hatte? Hoffen wir für den Jungen, dass eine Verletzung Ursache seiner Auswechslung war, denn ansonsten würde die Phrase von der "Höchststrafe" zutreffen.

Oder hatte Döpper eingesehen, dass der 1,75 Meter große Ouahim eben doch nicht die richtige Wahl für die Schlussphase dieser Partie war? Für den Deutsch-Marokkaner kam der wesentlich robustere Felix Götze zu seinem FCK-Debüt. Der Bruder von Weltmeister Mario Götze wirkte noch einigermaßen unbefangen und unbekümmert - vielleicht kann die Leihgabe aus Augsburg ja auf der Saisonzielgeraden, die die nervenaufreibendste der Vereinsgeschichte werden dürfte, zu dem belebenden Element werden, das nun dringend gefragt ist.

Flanken, wie sie auch Klose nicht einköpfen könnte

Was in Magdeburg in den letzten Minuten allerdings an Flanken - sowohl aus dem Spiel heraus als auch über ruhende Bälle - in den Strafraum der Gastgeber segelte, schien kaum geeignet, eingeköpft zu werden. Da hätten auch Horst Hrubesch, Klaus Toppmöller und Miro Klose im Zenit ihres Schaffens als Abnehmer bereit stehen können.

Die "expected Goals" bestätigen, wie wenig in der Schlussphase im Magdeburger Strafraum los war. Und dass der FCM mit einem Gesamtergebnis von 1.11 : 0.71 vorne liegt, resultiert fast ausschließlich aus den beiden Atik-Chancen. Ansonsten brachte auch der Gastgeber nicht viel zustande.

xG-Plot FCM-FCK

Die Positions- und Passgrafik weist Jean Zimmer als wichtigsten Umschaltspieler aus. Zudem war der Kapitän Flankengeber bei zwei der drei genannten Kopfballchancen. Es muss allerdings auch gesagt werden: Was Zimmer in der Schlussphase in den gegnerischen Strafraum löffelte, war ebenfalls nicht zu gebrauchen.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Magdeburger. Da war einiges mehr an Passkommunikation zu sehen, trotz des miesen Rasens.

Passmap FCM

Tipp für alle, die nur noch ablästern wollen: Mario gucken

Und nun? In der nun anstehenden Länderspielpause müssen noch einmal alle Kräfte gebündelt und anschließend in die verbleibenden zehn Spiele gestartet werden, die vielleicht letzten des 1. FC Kaiserslautern im bezahlten Fußball. Eine hohe Anzahl davon muss gewonnen werden. Dass bislang überhaupt erst vier Siege eingefahren wurden, stimmt, zugegeben, nicht gerade optimistisch. Andererseits: Unmöglich ist es nicht, und jammern hilft sowieso nicht.

Wer sich allerdings nur noch in Hohn und Spott flüchten mag und seine negative Sicht der Dinge partout bestätigt sehen will, dem sei "SWR Sport" am Sonntagabend empfohlen. Die Redaktion hat feinfühligerweise Mario Basler ins Studio eingeladen. In seiner Eigenschaft als Ober-Ablästerer in Sachen FCK wird der Ex-Profi seine Brüder im Geiste sicher auch diesmal nicht enttäuschen. Und auf das fatale Versäumnis des Vereins hinweisen, sich nicht rechtzeitig Expertisen wie seine gesichert zu haben. Denn ohne Zweifel stünde der FCK dann heute nicht am Abgrund - sondern wäre längst einen Schritt weiter.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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