Spielbericht: SC Verl - 1. FC Kaiserslautern 1:1

Ein Heimkehrer alleine reicht nicht

Ein Heimkehrer alleine reicht nicht

Foto: Imago Images

Same procedure as every week: Auch beim SC Verl kommt der 1. FC Kaiserslautern nicht über ein Unentschieden hinaus. Rückkehrer Jean Zimmer zum alleinigen Heilsbringer zu machen, ist gefährlich. Beim FCK hapert es an viel mehr Stellen.

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Was soll man da noch schreiben. Fast jede Woche ist es dasselbe Lied. Oder sagen wir besser, es ist dasselbe Leid. Der FCK spielt mal mehr, mal weniger gut, am Ende belohnt er sich nicht, hat Pech oder Unvermögen und kommt nur mit einem Unentschieden nach Hause. Das heutige 1:1 gegen den Aufsteiger aus Verl war bereits das elfte - nach 19 Partien wohlgemerkt. Nur noch sieben Remis fehlen zum traurigen Ligarekord. Eine Bestmarke, auf die jeder FCK-Fan wohl liebend gern verzichten würde.

Viele Wechsel in der Verler "Geister-Arena"

In der Verler Sportclub-Arena konnte bei eiskalten Temperaturen pünktlich angepfiffen werden, anders als beispielsweise im Saarbrücker Ludwigspark, wo eine dichte Schneedecke die Partie gegen den FSV Zwickau unmöglich machte und eine Spielabsage zur Folge hatte. Dass dies in Verl anders kam, war auch einer "mobilen Rasenheizung" zu verdanken, die die beiden einzig existierenden Fanclubs des SCV, "1924" und "Harter Kern", in Form einer Plane unter der Woche installiert hatten, wofür ihnen während des Spiels vom Stadionsprecher gedankt wurde. Insgesamt war die Atmosphäre im kleinen Verler Rund, in dem unter normalen Bedingungen gar nicht hätte gespielt werden können, im wahrsten Sinne des Wortes gespenstig. Mit Fans wäre man nach Paderborn ausgewichen. Das Verler Stadion dagegen, gelegen mitten zwischen Wohnhäusern, besteht aus gefühlt nur drei Stehplatzstufen, dazu eine kleine Haupttribüne mit exakt neun Reihen und auf der Gegentribüne aufgesetzt eine Art Balkon mit einigen VIP-Sitzreihen, auf denen heute mit Corona-Abstand auch rund ein dutzend Zuschauer saßen. Auch der ehemalige FCK-Profi Uwe Fuchs - mittlerweile in der nähe von Verl heimisch geworden - war anwesend, ebenso wie Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt, den es die gesamten 90 Minuten lang nicht auf seinem Sitz hielt.

Und sie sahen einen FCK, der kämpfte, der wollte. Jeff Saibene musste seine Mannschaft auf mehreren Positionen umstellen, unter anderem weil mit Tim Rieder, Kenny Prince Redondo und Marius Kleinsorge gleich drei Spieler gelbgesperrt fehlten. Saibene blieb seinem zuletzt aufgebotenen 4-1-4-1-System treu, Sickinger ersetzte Rieder auf der Sechser-Position, und Daniel Hanslik rückte für Redondo ins linke Mittelfeld. Zudem durfte der viel umjubelte Rückkehrer Jean Zimmer wie erwartet von Beginn an im rechten Mittelfeld ran. Erstaunlich war jedoch, dass Saibene die zuletzt so gut funktionierende Innenverteidigung veränderte und Janik Bachmann, der seine Rot-Sperre abgesessen hatte, für Alexander Winkler aufbot. Ein gewagter Schritt, über den man diskutieren kann.

Ein Zimmer macht aus einer Bruchbude noch kein Märchenschloss

Und der FCK zeigte von Beginn an, dass er wollte. Er war engagiert in den Zweikämpfen, wenn er auch in der 9. Minute gleich das Glück bemühen musste, als Sickinger einen katastrophalen Rückpass auf Avdo Spahic spielte, der obendrein zu unentschlossen aus seinem Kasten kam. Beinahe hätte der Verler Rahibic zur Führung einschieben können. Aber immerhin: Beide Mannschaften liefen hoch an, die Teufel wirkten weder verkrampft noch verunsichert - das sah diese Saison auch schon ganz anders aus.

Und dennoch: Es zeigte sich mal wieder, dass die Mannschaft offensiv fast nichts zustande bringt. Ein Aufbauspiel scheiterte meist schon im Ansatz, viel ging über Adam Hlousek auf der linken Seite, der immer wieder den Weg in die Offensive suchte, aber dann keine Anspielstationen fand. Viele Anläufe wurden durch Fehlpässe und unnötige Ballverluste in der Zentrale schon im Ansatz zunichte gemacht. Und auf der anderen Seite ließ Zimmer zwar seine enorme Qualität durchblitzen, harmonierte hier und da auch gut mit Philipp Hercher, ein Heimkehrer alleine reicht aber eben nicht aus, wenn der Rest der Mannschaft nicht in der Lage ist, ihn richtig in Szene zu setzen. Und so sollte man von Zimmer, der noch dazu erst einmal wieder Spielpraxis braucht, nicht sofort Wunderdinge erwarten. Ein Zimmer allein kann den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Dazu bedarf es mehr.

Führung lässt den FCK aufleben - bis er sich wieder selbst schlägt

Insgesamt blieb die erste Halbzeit gewohnt chancenarm, in der 24. Minute hatten die Roten Teufel ihre wohl beste Gelegenheit. Marlon Ritter fand per Freistoß Kevin Kraus, dessen Hereingabe fast zu einem Verler Eigentor führte. Viel mehr Aufreger gab es in der ersten Halbzeit nicht, was wiederum Jeff Saibene hin und wieder sehr unzufrieden werden ließ. Der FCK-Trainer war gewohnt mit vielen Zwischenrufen aktiv, "wach bleiben" oder "zweite Bälle" gehörten dazu. Doch man merkte ihm an, dass ihm vor allem die vielen einfachen Ballverluste, die ein gepflegtes Offensivspiel unmöglich machen, störten.

Die zweite Hälfte begann zunächst, wie die erste aufgehört hatte. Allerdings nicht lange. In der 61. Minute erlebte der FCK seinen "Erweckungsmoment". Und an dem war Jean Zimmer ganz wesentlich beteiligt. Zunächst aber bewies Hikmet Ciftci eine gute Übersicht, sah, dass Zimmer auf der rechten Seite viel Platz hatte. Der verzögerte das Spiel zunächst geschickt, sodass Hercher ihn überlaufen und in den Strafraum steil geschickt werden konnte. Der Außenverteidiger fackelte nicht lange und bediente in der Mitte Marvin Pourié, der trotz Getümmel zum 1:0 einschieben konnte. Diese Führung wirkte wie eine offensive Befreiung. Auf einmal trauten sich die Roten Teufel etwas zu. Nur drei Minuten später zog Ciftci aus rund 20 Metern kunstvoll ab, sein Ball konnte SCV-Keeper Robin Brüseke nur mit einer Glanzparade an die Latte lenken. Eine Aktion mit Seltenheitswert in dieser Saison! Und wiederum zwei Minuten später hatte der Torschütze Pourié die große Chance das Spiel zu entscheiden. Nachdem Mehmet Kurt der Ball an die Hand gesprungen war - Pourié hatte zuvor erneut die Latte getroffen - entschied Schiedsrichter Patrick Ittrich zurecht auf Elfmeter. Pourié lief an, doch wieder war Brüseke zur Stelle und fischte den Ball aus dem linken Eck.

Auch Saibene muss sich hinterfragen - die Lage ist ernst!

Und wahrscheinlich konnte sich jeder FCK-Fan, der den Verein über die Saison - nein die Jahre hinweg - verfolgt denken, was nun passieren musste. Die Saibene-Elf ließ wieder nach, Verl übernahm zusehends die Spielkontrolle. Und so war es in der 81. Minute keine große Überraschung, als Berkan Taz zum Verler Ausgleich traf. Auch die Entstehung des Gegentores wirkt wie ein Déjà-vu der kompletten Spielzeit. In der Mitte kam Kraus viel zu spät in den Zweikampf, wo Taz mehr oder weniger in Ruhe die Hereingabe verarbeiten konnte, sich noch elegant an Hercher vorbei mogelte und schließlich treffen konnte. Mit solchen Geschenken gewinnst du keinen Blumentopf - und erst recht keine Drittliga-Spiele.

Mit 20 Punkten aus 19 Partien beendet der FCK die Hinrunde auf Platz 16. Die schlechteste Bilanz in seiner bisherigen Drittliga-Historie. Nur noch zwei Zähler trennen die Lautrer dabei von einem Abstiegsplatz, zudem sind auch noch Nachholspiele zu absolvieren. Auch wenn die nicht die verheerende Wirkung entfalten müssen, wie oftmals prognostiziert wird. Die Lage ist dennoch ernst. Auch Jeff Saibene muss sich kritische Fragen gefallen lassen. So sympathisch der Luxemburger ist, seine Bilanz ist mit lediglich drei Siegen aus 17 Partien beängstigend schlecht. Auch dass er die zuletzt sicher wirkende Innenverteidigung veränderte, den sich gerade akklimatisierenden Winkler auf die Bank setzte, ist gewagt. Und auch seine späten Wechsel - der erste erfolgte erst in der 84. Minute - sind nicht ganz zu verstehen. Zumal mit Elias Huth ein potentieller 14-Tore-Stürmer abermals über 90 Minuten auf der Bank schmoren musste. So oder so: Der FCK braucht dringend Punkte. Ansonsten wird die Lage im Abstiegskampf brandgefährlich.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993

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