Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - FSV Frankfurt 3:2

Der Weg

Der Weg


Der FCK hat mit dem Sieg gegen Frankfurt nicht nur den Anschluss an die Aufstiegsränge wiederhergestellt. Er hat mehr geschafft. DBB-Autor Marky über eine identitätsstiftende Woche, die Hoffnung macht und über einen jungen Mann, der das Zeug zum großen Sympathieträger hat.

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Die total, total verrückte Geschichte des 1. FC Kaiserslautern hat wieder Fahrt aufgenommen. Ja, sie vollzog binnen neun Tagen eine Wendung, die selbst erfahrene FCK-Fans nicht für möglich gehalten hätten. Es konnte etwas zurückgewonnen werden, was noch wichtiger als verlorene Punkte ist: Identifikation und Glaube.

Als Ruben Jenssen diesen sensationellen Schlussakkord am Hamburger Millerntor setzte, da rastete die FCK-Gemeinde nicht wegen der vermeintlich erneuerten Aufstiegschance aus. Nein, sie stieß ein kollektives „Das ist Betze“ aus und versah den Satz mit mindestens drei Ausrufezeichen.

Der (verloren geglaubte) Stolz war bei den Anhängern auch unter der Woche allgegenwärtig. Man merkte es in Gesprächen, man sah es in den Gesichtern, man las darüber in den Internetforen. Nach dem 1:5 in München verfiel man nicht in Selbstmitleid und Selbstzerstörung, sondern feierte die Mannschaft wie lange nicht. Demonstrativ. Vor allem einen: Jean Zimmer.

Der Betze-Obelix

Seine FCK-Blitzkarriere nahm ihren Anfang in einem Platzverweis gegen Florian Dick, in einer Fehlentscheidung eines Schiris. Der Volksmund sagt: Es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht auch etwas Gutes ist. Dieser Zimmer scheint als Kind in einen großen Topf gefallen zu sein, in einen Zaubertrank aus feinsten und erlesensten Betzetugenden. Mit seiner forschen, frechen Art hat der in Bad Dürkheim geborene und in Landstuhl aufgewachsene Pälzer Bu die zuletzt arg verkümmerten Herzen der Fans im Sturm erobert. Seine im Video festgehaltenen Zweikämpfe gegen Philipp Lahm sind zum Facebook-Hit geworden.

Als FCK-Stadionsprecher Horst Schömbs gestern vor dem Spiel gegen den FSV Frankfurt die Startelf vorlas, da wurde der Name Zimmer am lautesten geschrieben und beklatscht. Der 20-Jährige ersetzte diesmal nicht Dick auf der rechten Verteidigerseite sondern den lädierten Chris Löwe auf der linken. Zimmer kann nach eigener Aussage alles spielen. In der Jugend war er sogar Torjäger. Diese Vielseitigkeit schätzen Trainer. Vor allem, wenn sie Personalsorgen haben. Lautern-Coach Kosta Runjaic musste gegen Frankfurt neben Löwe auf die gesperrten Karim Matmour und Willi Orban verzichten. Auch Alexander Ring (Schlag aufs Knie) fiel kurzfristig aus. Dominique Heintz und überraschenderweise auch Kevin Stöger fanden sich so in Runjaics erster Elf wieder. Kostas Fortounis war (wieder einmal) außen vor.

Und das Spiel ging so weiter, wie es in St. Pauli aufgehört hatte. Mit Vollgas, mit offenem Visier. Der von Benno Möhlmann trainierte FSV, der zuletzt vier Mal in Folge verloren hatte, wollte in Kaiserslautern gewinnen. Zuerst konnte Heintz gerade noch gegen Andrew Wooten retten, dann folgte der nächste Angriff über die rechte, über Zimmers Seite: Manuel Konrad flankte und der so schnelle wie kopfballstarke Mathew Leckie köpfte völlig verwaist zum 1:0. Er war so frei, weil Dick zuvor weggerutscht war. Kurios: Er sollte nicht der einzige FCK-Spieler bleiben, der in der eigenen Hälfte den Stand auf dem zuvor gewässerten Rasen verlor. Was lief hier schief? Mangelndes Schuhwerk? Mangelnde Kommunikation?

Der Mann für die besonderen Bälle

Nicht nur deswegen rollte man auf den Tribünen die Augen. Wieder ein Rückstand, wieder gegen eine Mannschaft, die viele Plätze hinter dem FCK rangiert. Doch spätestens nach 20 Minuten war klar, dass diese Partie einen anderen Verlauf nehmen würde als die Heimspiele gegen Aalen (1:2), gegen Bielefeld (1:1), gegen Bochum (1:1). Markus Karl hatte zunächst nach einer scharfen und genauen Stöger-Flanke FSV-Kepper Klandt per Kopf zu einer Glanztat gezwungen. Dann gab es Eckball: Stöger brachte den Ball aber nicht direkt vors Tor, sondern steuerte ihn außerhalb des Strafraums. Dort wartete der Mann für die besonderen Bälle: Florian Dick. Der Beinahe-Pfälzer, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, nahm die Kugel volley. Und hämmerte sie mit über 100 km/h per Vollspann unter die Latte. Nicht nur Klandt dachte in diesem Moment: U N F A S S B A R! Erst Jenssen, jetzt Dick - zwei Tore des Monats. Einer von beiden wird im April gewinnen. Wetten?

Nach 37 Minuten, als Srdjan Lakic zum Kopfball hochstieg, sein Gegenspieler den Ball mit der Hand abwehrte, Mo Idrissou den fälligen Elfer gnadenlos verwandelte, bereute keiner der 26.065 Zuschauer mehr, den Ostersonntagnachmittag am Betze zu verbringen. Es ging jetzt Schlag auf Schlag: Gegenzug der Möhlmann-Elf: Odise Roshi lässt Zimmer alt aussehen, schlenzt per Außenrist auf Wooten. Der verliehene Lautrer hält den Kopf hin, 2:2. Auf einen ausgiebigen Torjubel gegen seinen Hauptverein verzichtet der Angreifer. Dann das dritte Standardtor des FCK an diesem Nachmittag. Dicks Einwurfflanke verlängert Karl - Patrick Klandt sieht ganz schlecht aus - 3:2 für Lautern. Eine irre erste Halbzeit. Irgendwo zwischen Kreisklasse und Weltklasse.

Zwischen Kreisklasse und Weltklasse

Und auch die finalen 45 Minuten lassen sich schwer einordnen. Ja, nach dem Schlusspfiff durch den guten Schiedsrichter Patrick Ittrich - der nicht sich, sondern das Spiel in den Mittelpunkt stellte - da schüttelten die FCK-Protagonisten sogar die Köpfe, senkten den Blick, trauten sich kaum vor die Westkurve. Sie hatten zuvor nicht einen einzigen vernünftigen Offensiv-Spielzug zustande gebracht. Ein Beispiel und nicht der einzige Slapstick in der zweiten Hälfte: Nach Sippels Weitwurf auf den der Frankfurter Verteidigung enteilten Stöger, verspringt diesem der Ball und zu allem Überfluss spielt er noch einen Pass des Grauens in die Füße der Hessen, die sofort wieder den nächsten Angriff einleiten können.

Fehlerteufel und ein Feuerwehrmann

In den letzten zehn Minuten überschlagen sich die Ereignisse. Alle Kameras sind dabei auf den Lautrer Strafraum gerichtet. In der Hauptrolle: Tobias Sippel. Arbeitstitel: „Tobi gegen ganz Frankfurt“. Bei allen anderen Roten Teufeln versagen die Systeme Kopf (Aufstiegsangst?) und Beine (München?). Nicht nur Heintz wird zum Fehlerteufel. Jeder Zweikampf, ob in der Luft oder auf dem Boden, geht an den FSV. Doch Sippel ist weder von Wooten noch vom eingewechselten Edmond Kapllani zu besiegen. Er hält mindestens zwei Bälle, die nicht zu halten sind. Gegen Michael Görlitz rettet der Querbalken.

Der zweite Heimsieg in 2014 ist perfekt. Als das Ergebnis von Paderborn gegen Fürth auf der Anzeigentafel erscheint, wird deutlich, wie wichtig die drei Punkte sind. Die aufgewühlte, wieder von Kempf dirigierte Westkurve brüllt „Wir wollen wieder in die erste Liga“, zitiert Sippel und Co. zu sich und schickt sie mit einem „Auswärtssieg“-Befehl (nächstes Spiel bei Union) in die Kabine.

Der Weg

Der Blick auf die Tabelle lügt nicht, der FCK hat eine realistische Chance auf den Relegationsplatz, vielleicht sogar mehr. Und er hat ein schweres Restprogramm, was, wenn man den bisherigen Saisonverlauf betrachtet, ein Vorteil ist. Man sollte alles dran setzen, diese Vorlage anzunehmen. Und gleichzeitig im Hintergrund die Lehren aus den letzten Monaten und Jahren ziehen. Ein Sportdirektor muss und wird kommen.

Vorstandsvorsitzender Stefan Kuntz hat in einem Interview nach dem Pokalspiel betont, dass der FCK mit vier Eigengewächsen am Start war. Das muss der Weg sein. Der Anhang lechzt nicht nur nach Punkten und Erfolgen - wie es gerne auch in hiesigen Lokalmedien heißt - sondern vor allem nach Identifikation, nach Charakteren, die den Glauben an den Fußball und den Stolz über den Verein aufrechterhalten. Nach Typen wie Jean Zimmer, der nach einem wunderbar sympathischen Auftritt in der SWR-Sendung „Flutlicht“ (mit Willi Orban) sagte, dass er am Mittwochabend gar nicht auf den Gedanken gekommen sei, sein Oberteil mit Philipp Lahm zu tauschen, schließlich habe er ein Lautern-Trikot. In bester Tradition des größten Helden, den der FCK hat.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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