Der Betze Brennpunkt

Das Linksverteidiger-Dilemma

Das Linksverteidiger-Dilemma


Es ist zurzeit die hitzigste Diskussion beim 1. FC Kaiserslautern: Muss Leon Jessen wirklich immer spielen? Warum setzt der Trainer nicht auf Alexander Bugera? Gibt es sonst keine Alternativen? Das Linksverteidiger-Dilemma - der aktuelle „Betze Brennpunkt“.

In Köln dem Gegner den Ball in die Füße gespielt, bei den Bayern in die Mitte abgewehrt statt zur Seite, gegen Aue nur zugeschaut und die Flanke nicht verhindert - Linksverteidiger Leon Jessen hat in den letzten drei Spielen drei Gegentore (mit)verschuldet und auch vorher nicht gerade durch Topleistungen bestochen. Bei den Fans des 1. FC Kaiserslautern ist der blonde Däne deshalb zum Buhmann geworden, viele trauen ihm eine Leistungssteigerung nicht mehr zu und würden ihn am liebsten sofort auf die Bank oder die Tribüne verbannen. Dass Jessen oft nur das letzte Rädchen in der Fehlerkette ist, etwa wenn er wie gegen Aue nicht die benötigte Hilfe von seinem offensiven Pendant Kostas Fortounis erhält, fällt vielen nicht auf. Die Gegner jedoch haben den FCK genauestens analysiert, wissen um die defensive Schwachstelle auf der gesamten linken Außenbahn und nutzen diese gnadenlos aus. Dabei sind Jessens Statistiken eigentlich gar nicht so unterirdisch, wie sie von manch einem gemacht werden: Im „Kicker“ steht er bei der Durchschnittsnote 3,50 und damit im mittleren Bereich aller FCK-Spieler, seine offensiven Aktionen können sich häufig sehen lassen. Dem gegenüber stehen aber seine manchmal zu hektische Spielweise und vor allem die schlimmen individuellen Fehler, die in letzter Zeit häufig zu Gegentoren führen.

Im „Kicker“ steht Alexander Bugera, mit dem Jessen seit seinem Wechsel zum FCK im Sommer 2010 um einen Stammplatz kämpft, nach bisher drei Einsätzen bei einer Durchschnittsnote von 3,83. In den vorigen Saisons wurde er sogar besser bewertet als Jessen, unvergessen ist außerdem Bugeras Anteil am Aufstieg 2010 als Top-Vorlagengeber der Liga und Mitglied der legendären „Abwehr aus Granit“. Heute aber gehört der Ex-Stürmer Bugera mit seinen mittlerweile 34 Jahren schon fast zum alten Eisen, seine Stärken in der Spieleröffnung und bei Standards werden dadurch übertüncht, dass er den jungen Gegenspielern einfach nicht mehr hinterher kommt. Deshalb verlor er zum Saisonbeginn 2010 nach zwei schwachen Auftritten in Osnabrück und Köln seinen Stammplatz an Jessen, deshalb (und weil er sich verletzte) passierte dasselbe 2012 noch einmal. Gegen Union Berlin und in Aalen schwamm die Lautrer Abwehr auch ohne Jessen gehörig, viele Fans forderten wie schon zwei Jahre zuvor die Herausnahme von Bugera. Dies ist noch heute in den Archiven der FCK-Foren nachlesbar!

Kurz gesagt: Spielt Leon Jessen, wird über Leon Jessen hergezogen. Und spielt Alexander Bugera, dann wird über Alexander Bugera gelästert. Dabei sind beide gar keine so schlimmen Graupen, statistisch betrachtet sind Jessen und Bugera in Zweikampf oder Passspiel sogar überdurchschnittlich und locker zweitligatauglich. Nichtsdestotrotz ist die linke Abwehrseite zweifellos die große Problemposition beim FCK. Und an Problemen muss man arbeiten, sie lösen. An dieser Stelle erreicht man in der Diskussion dann aber schnell den Punkt, an dem man realistisch feststellen muss, dass man eben nur mit den Mädels tanzen kann, die auf der Party sind. Jessen oder Bugera. Das Lautrer Linksverteidiger-Dilemma.

Welche Alternativen gibt es? Im aktuellen FCK-Kader haben noch drei Verteidiger Erfahrungen auf der linken Abwehrseite. Zum einen sind das Anthar Yahia und Enis Hajri. Yahia will nach der Pleite in Mainz aus der vergangenen Saison, als Jessen und Bugera verletzt waren, wohl keiner noch mal auf dieser Position sehen. Und auch Hajri dürfte von niemandem ernsthaft als neuer Heilsbringer des FCK angesehen werden.

Bliebe als Dritter im Bunde noch Dominique Heintz, der tatsächlich als Jugendspieler auch schon den Linksverteidiger gegeben hat und neben seiner guten Defensivarbeit auch durch eine starke Vorwärtsbewegung zu gefallen weiß. Ideale Voraussetzungen eigentlich für einen modernen Außenläufer, zumal in der Innenverteidigung mit Jan Simunek oder Mathias Abel durchaus brauchbare Alternativen vorhanden wären. Aber mal ehrlich: Wollen wir in dieser engen Saisonphase, in der es im Aufstiegsrennen auf jeden Punkt ankommt und das Mannschaftsgefüge durch die vielen Verletzten ohnehin schon auf wackeligen Beinen steht, wirklich einen unserer bisher besten Spieler auf eine neue Position schicken und damit vielleicht ins Klo greifen? In Aalen wurde Heintz als Linksverteidiger für den verletzten Bugera eingewechselt und konnte bei weitem nicht die Akzente setzen, wie in seinen nachfolgenden Spielen als Innenverteidiger.

In der aktuellen Situation bleibt dem FCK, bleibt Franco Foda und den Fans nichts anderes übrig, als das beste draus zu machen. Egal ob Leon Jessen spielt oder doch noch mal Alexander Bugera. Mit Blick auf das Ziel Wiederaufstieg kann die Devise nur volle Unterstützung lauten! Und ein Mindestmaß an Respekt hat sowieso jeder FCK-Spieler verdient, solange er sein bestes gibt - selbst wenn das vielleicht nicht viel ist. Der Betze braucht im Aufstiegsrennen keinen neuen „Fall Kirch“, bei dem sowieso schon schwächelnde Spieler vom Publikum noch mehr verunsichert werden. Und abgesehen davon nervt es auch nur noch, bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit das nächste übertriebene Jessen-Bashing zu hören oder zu lesen.

Für die Winterpause ist dann zu erwarten, dass der FCK auf dem Transfermarkt tätig wird. Was viele nicht wissen: Eigentlich sollte sich auch schon im Sommer etwas tun, Leon Jessen stand auf der Verkaufsliste, andere Linksverteidiger wurden beobachtet. Aber es läuft eben nicht immer so, wie man es sich wünscht oder beim Online-Manager nachspielen kann. Bei den Außenverteidigern und vor allem hinten links haben fast alle Mannschaften der Welt ihre Problemzone, weil es dort einfach kein so großes Reservoir an guten Spielern gibt wie etwa in der Innenverteidigung oder im Tor. Selbst die Bayern und die Nationalmannschaft finden keinen zweiten Philipp Lahm und müssen ihren Kapitän immer mal hin und her verschieben. Das Zitat von Bundestrainer Joachim Löw über seinen Linksverteidiger Marcel Schmelzer ging deutschlandweit durch die Presse: „In der Bundesliga gibt es gerade außen links ganz, ganz wenige Alternativen, und ich kann sie mir auch nicht schnitzen.“ DFB-Sportdirektor Robin Dutt sieht die Nachwuchsförderung von Linksverteidigern gar als eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft an. Der FCK hat also durchaus prominente Leidensgenossen...

Eure Meinung: Wird mit Leon Jessen und Alexander Bugera zu hart umgegangen? Und wen würdet Ihr in der linken Verteidigung aufstellen? Erzählt es uns im Diskussionsforum von „Der Betze brennt“ und nehmt an der zugehörigen Umfrage teil.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Kommentare 164 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken