Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Carl Zeiss Jena 2:3

Gestern Helden, heute die Deppen der Nation

Der 1. FC Kaiserslautern verliert ein Heimspiel im Fritz-Walter-Stadion nach einer 2:0-Führung. Das gab es noch nie! Zumindest nicht in einem „normalen“ Spiel. Seit Beginn der Bundesliga im Jahr 1963 wurde eine solche Führung auf dem gefürchteten Betzenberg erst zwei Mal aus der Hand gegeben: Am 26. September 1998 gegen den VfL Bochum, als die Spieler bereits in der Halbzeitpause erfuhren, dass das Spiel aufgrund der Einwechslung des vierten Nicht-EU-Ausländers sowieso verloren war. Und am 9. November 2000 im UEFA-Cup gegen Iraklis Saloniki, als die Griechen in der Nachspielzeit noch zwei Tore erzielten. Nach der Europacup-Regelung führte der FCK hier aber bereits mit 5:2 (Hinspiel: 3:1), die Spieler waren gedanklich schon in der nächsten Runde. Und nun also in einem „normalen“ Spiel, gegen Carl Zeiss Jena, das Schlusslicht der 2. Bundesliga...

24.517 Zuschauer, die dritthöchste Besucherzahl der bisherigen Saison, hatten nach dem furiosen Sieg von St. Pauli Hoffnung auf die Wende. Ausgenommen natürlich die rund 700 Schlachtenbummler aus Jena, die wie schon in der vergangenen Saison bewiesen, dass sie eine Bereicherung für den deutschen Profifußball sind. Im Gästeblock gab es diesmal zwar nur wenige der bunten Doppelhalter und Fahnen zu sehen, die vielen kreativen und inbrünstig vorgetragenen Gesänge sind jedoch erste Sahne. Auch die Lautrer Westkurve begann mit lautstarkem Support der Reeperbahn-Helden, so dass speziell zu Spielbeginn eine hervorragende Stimmung in den Fanblöcken herrschte. Die Frenetic Youth in Block 8.1 präsentierte außerdem noch ein Spruchband gegen Stadionverbote: „Verfahren eingestellt - trotzdem Stadionverbot? Freiheit für Stefan (UA)“.

Das Spiel selbst begann verhalten, bekam dann aber nach knapp 20 Minuten richtig Schwung. Nach einem Fehler von Jenas Ziegner stürmten die Roten Teufel plötzlich mit 3 gegen 1 aufs Gästetor zu, Erik Jendrisek konnte nach Simpson-Vorlage die Führung erzielen (19.). Riesenjubel auf dem Betzenberg und nun ging es richtig rund. Im Minutentakt tauchte der FCK im Jenaer Strafraum auf: Torschütze Jendrisek scheiterte am Keeper, Björn Runström traf nur die Latte, Bartosz Broniszewski verfehlte das Tor knapp, ein erneuter Versuch von Jendrisek wurde auf der Linie geklärt. Es war ein Powerplay wie zu fast vergessenen Betze-Zeiten! Kurz vor dem Pausenpfiff folgte dann das hoch verdiente 2:0, nach einigen Unsicherheiten im Strafraum flankte Sven Müller den Ball zu Josh Simpson, der aus kurzer Distanz einköpfen konnte. „Der FCK ist wieder da“ schallte durchs Stadion, die wohl beste Halbzeit der Saison hatte viel Freude bereitet!

Was in der folgenden Pause passierte, beschrieb FCK-Trainer Kjetil Rekdal nach Spielende so: „Die Mannschaft hat in der Halbzeit schon gefeiert. Ich habe versucht, sie runter zu holen, aber sie hat Jena durch eigene Fehler aufgebaut. Das war dämlich, das war arrogant.“

In der Tat wendete sich das Blatt in der 2. Halbzeit erheblich. Zunächst bestimmten die Roten Teufel das Spiel zwar noch ungefährdet und hätten das längst verdiente 3:0 erzielen können, doch durch einen Fehler des ansonsten starken Mathieu Beda geriet der FCK plötzlich auf die Verliererstraße. Ein Missverständnis des Mannschaftskapitäns mit Schlussmann Tobias Sippel nutzte Jenas Torghelle zum Anschlusstreffer (61.). „Alles halb so wild“, dachten die meisten Fans zu diesem Zeitpunkt wohl noch, zumal den Gastgebern kurz darauf ein berechtigter Foulelfmeter zugesprochen wurde. Doch plötzlich schnappte sich mit Björn Runström der schlechteste Mann auf Seiten des FCK den Ball - und vergab kläglich. In den Medien war später von einem „Rückpass“ die Rede, den Nachschuss hämmerte Erik Jendrisek an den Pfosten. Doch immer noch führte der FCK! Runström musste wenige Minuten später unter gellenden Pfiffen den Platz verlassen, für ihn kam Marcel Ziemer.

Unabhängig davon nahm das Unheil nun seinen Lauf. In der 73. Minute gelang Jena der Ausgleich durch Omodiagbe, der die Vorzeichen nun natürlich komplett umdrehte. Der bis dato Tabellenletzte bekam nun Oberwasser und die Lautrer hatten von einem Moment auf den anderen das Fußballspielen verlernt. Im folgenden Hin und Her gelangen dem FCK nur noch durch Einzelaktionen Torraumszenen, der Schlusspunkt allerdings blieb dem FCC vorbehalten. Eine Vorlage von Simak konnte Petersen frei vor FCK-Torwart Sippel verwerten und zum im Gästeblock frenetisch bejubelten Siegtreffer nutzen (81.).

Die Reaktionen nach Spielende waren gemischt, reichten von hoffnungsloser Enttäuschung über gellende Pfiffe bis hin zu aufmunterndem Applaus. Kjetil Rekdal („Der schwärzeste Tag meiner Trainerkarriere“) kündigte Konsequenzen an, die heute in Form der vorübergehenden Suspendierung von Björn Runström, Moussa Ouattara und Esben Hansen folgten. Sein eigener Job scheint zumindest bis zur Winterpause sicher, wie die Vereinsführung nach einer Krisensitzung versicherte. Im letzten Spiel vor der Winterpause gastiert der FCK am kommenden Montag beim 1. FC Köln. In Zeiten der nicht für möglich gehaltenen Negativrekorde muss man nun sogar mit dem Ende der seit 1989 anhaltenden Erfolgsserie gegen die Geißböcke rechnen...

Doch vorher steht die Jahreshauptversammlung am Freitagabend an, zu der wir nochmals alle FCK-Mitglieder zum Erscheinen aufrufen möchten. Für die Daheimgebliebenen wird auf „Der Betze brennt“ ein Live-Ticker vom Betzenberg angeboten.

- Fanfotos vom Spiel

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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