Ich möchte mal die Chance nutzen und User guggemol von tm zu zitieren, mMn eine tolle Analyse, welche den Lobgesängen auf Jeff einen kleinen Dämpfer verpasst.
Wie versprochen meine Spielanalyse zum Derby gegen Waldhof.
Vorab einige Anmerkungen in eigener Sache: Ich bin im Urlaub und sitze gerade an einem uralten Laptop, bei dem gerne mal die Tasten klemmen. Zudem sitzt mir meine Begleitung im Nacken, weil ich hier gerade sitze und "irgendwas mit Fußball" tippe, statt meine Freizeit zu genießen (jaja, das tue ich hierbei ja, nur trifft das auf wenig Verständnis smile). Man möge also Nachsicht haben, wenn der ein oder andere Punkt etwas knapper ausfällt, mein Geschreibsel nur schwer nachvollziehbar ist oder ich fiese Vertipper einbaue.
Nächste Woche kann ich vielleicht die ein oder andere Verbesserung oder Ergänzung anbringen.
Also, dann legen wir mal los.
Meine erste Ernüchterung gab es bereits eine halbe Stunde vor dem Anpiff, als die Aufstellung veröffentlicht wurde. Huth und Röser, Skarlatidis auf der Aussenbahn.
Die Mannheimer waren von dieser Aufstellung jedoch weniger überrascht, wie sich vor allem in der ersten Halbzeit zeigen sollte. Und das ist bereits mein erster Kritikpunkt. Wir sind nicht Bayern München, die einfach ihr Ding immer durchziehen und es überhaupt keine Rolle spielt, was der Gegener auf dem Platz veranstaltet. Ganz einfach, weil die Spieler gut genug dafür sind.
Wenn der Gegner genau weiß, wie wir spielen werden und sich darauf einstellt, dann sieht das so aus wie in den ersten 35 Minuten gegen Waldhof. Wir wirken chancenlos und überfordert.
Ich habe an anderer Stelle ja versprochen, dass der Trainer hier sein Fett weg bekommt. Das wird er auch. Allerdings gibt es später auch eine schöne Portion Lob, also nicht gleich an die Decke geben, bei dem, was ich nun schreibe.
Ich fand es unsäglich, dass Saibene sich nach dem Spiel hinstellt und gegenüber seinen Spielern nachtritt und ihnen mangelnden Einsatz vorwirft. Es gibt genau einen Grund, als Fussballexperte, als welchen ich ihn ohne Zweifel halte, so eine Behauptung aufzustellen: Man weiß, das kommt bei den Fans gut an.
Wenn man die Kommentare zu dem Waldhofspiel liest, dann liegt er mit dieser Einschätzung ja auch völlig richtig. Er wird dafür gefeiert, dass es "mal Tacheles redet" und sich nicht, wie der ungeliebte Schommers, schützend vor seine Spieler stellt.
Denn das müsste er eigentlich, haben diese doch genau das umgesetzt, was von ihnen verlangt wurde. Röser und Huth (wovon letzterer wirklich einen miesen Tag hatte) sind von Beginn an wie die Beserker auf die IV los, wenn diese den Ball hatten. Die Ansage war also: "Früh anlaufen und die IV bereits beim Spielaufbau unter Druck setzen!".
Kann man so machen, allerdings ist das alles andere als produktiv, wenn der Rest der Mannschaft da nicht mitzieht. Das Angriffspressing war so unkoordiniert, dass man es ganz simpel umspielen konnte. Und was passiert, wenn das ganz einfach möglich ist und sodann riesige Lücken im Mittelfeld klaffen, hat man wurderbar erkennen können. Bachmann und Rieder haben dann noch versucht auf den Ballführenden Mittelfeldspieler zu schieben, aber das macht die Situation dann nur noch schlimmer, weil so auch der letzte Rest Kompaktheit vor dem eigenen Strafraum verloren geht.
Das sah von Außen wurderbar einfach aus, wie wir uns haben überspielen lassen (und das war es auch), weil die Mannheimer immer mehrere ungedeckte Passoptionen im Mittelfeld hatten. Wurde einer unserer 6er überspielt, war dies das Zeichen für die Mannheimer Stürmer (bzw. einen davon) in die Tiefe zu starten.
Mannheim hingegen hat und ganz entspannt an der Mittellinie erwartet, dort die Räume dicht gemacht und uns in Pressingfallen gelockt. Diese waren so simpel, dass man sie bereits in den 80ern zum taktischen Standardrepertoire zählen konnte. Die beiden Stürmer haben die Passwege in das Zentrum zugestellt, welches qua unserer Aufstellung ohnehin unterbesetzt gewesen ist. Der Ball ging also nach Außen und schon verschoben die Waldhöfer in diese Richtung. Der ballführende Außenverteidiger hatte dann vermeintlich einige Meter Raum. Ging er diesen mit dem Ball am Fuß richtung Mittellinie, erwarteten ihn dort zwei Gegner. Schlug man ihn die Linie entlang, lauerten dort zwei weitere Gegener. So oder so: Ballverlust.
In einem anderen Thread wurde er dafür kritisiert (was ziemlich lächerlich ist, ich habe jedoch nicht darauf geantwortet), aber Hlousek hat das einige Male klug erkannt und den Vormarsch abgebrochen. Lieber zurück auf den Torhüter oder IV spielen, bevor ich den Ball verliere, während die ganze Mannschaft in der Vorwärtsbewegung ist und unsere Mannschaft auf dem falschen Fuß erwischt.
Alo offensiv wie Defensiv war der Plan absolut unausgereift und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Spieler diesen in Eigenregie entwickelt hatten. Weil oft der Schomemrs-Vergleich fällt: Das war alles andere als Schommers Plan. Dort sollte durch das Zentrum aufgebaut werden und man ging selten vor der Mittellinie ins Pressing. Es sind also keine Automatismen, die "man noch so drin hat", sondern es müssen konkrete Handlungsanweisungen seitens des Trainers vorgelegen haben.
Was hat sich dann verändert: Durch die Herausnahme von Huth und die Einwechlung von Ciftci hatten wir plötzlich ein Übergewicht im Mittelfeld. Das Pressing startete folglich auch etwas tiefer und Mannheim hatte kaum noch Möglichkeit, das Mittelfeld schnell zu überbrücken. Nur nach einem Fehlpass, die aber viel seltener erzwungen werden konnten, kam Waldhof zu Umschaltmomenten.
Auch offensiv sah das viel besser aus. Cifti war eine zusätzliche Anspielstation im Zentrum und unser Spiel nicht mehr so flügellastig. Es war für den Gegner mithin nicht mehr so simpel, Zugriff auf den ballführenden Spieler zu erlangen. Sie bekamen das, ebenso wie Wiesbaden die Woche zuvor, nicht mehr richtig in den Griff. Ihr Plan A war hinfällig und man hat es nicht geschafft, einen funktionierenden Plan B aus der Tasche zu ziehen. Was dann bleibt, ist, sich zurückfallen zu lassen und die Räume vor dem eigenen Strafraum so dicht zu bekommen, dass gefährliche Situationen in der Box vermieden werden. Das kann fast jede Mannschaft und das ist ein probates Mittel, welches es schwer macht, Tore zu erzielen.
In der zweiten Hälfte konnte es sich Sickinger zudem erlauben situativ vorzurücken, sodass Waldhof völlig überlastet wirkte und sich offensiv kaum eine Anspielstation bot. Die Einwechlung der "Tempodribbler" Ünlüciftci und Gouaida war folgerichtig und sollte dafür sorgen, auch nach tiefen Ballgewinnen mit langen Bällen oder Einzelaktionen die Restverteidigung des FCK vor Probleme zu stellen. Kraus hat einige Situationen, die hätten brenzlig werden können, aber sehr souverän gelöst.
Man kann also sagen, wir haben in zwei aufeinander folgenden Spielen zwei Mal den gleichen Fehler gemacht und ihn auf die gleiche Art und Weise korrigiert. Gegen Waldhof zum Glück viel früher als gegen Wiesbaden.
Noch ganz kurz zu den Einzelbewertungen:
Spahic sehr, sehr stark. Eiziges Manko ist seine tiefe Positionierung.
Kraus und Sickinger sehr solide mit Lichtblicken in HZ 2. Kraus defensiv, Sickinger offensiv.
Schad wirkt überspielt und defensiv zudem oft alleine gelassen. Und er sollte dringend Flanken trainieren.
Hlousek gefiel mir recht gut. Clever und abgezockt mit Vorlage zum 1:1.
Bachmann war in der ersten halben Stunde neben Huth der schwächste Spieler auf dem Platz. Der frühe Gegentreffer geht zudem auf seine Kappe, da er nicht durchläuft. Hat sich nach 40 Minuten gefangen und war in Halbzeit 2 sehr präsent.
Rieder als der defensivere der beiden DM etwas solider in HZ 1 und in HZ 2 um mehr Struktur bemüht. Ohne große Akzente. Aber ich bleibe dabei, unser DM gehört, wenn das System passt, mit zu dem Besten, was in Liga 3 zu finden ist.
Ritter war in beiden Halbzeiten stark. In der zweiten hatte er allerings auch Partner, mit denen er seine Stärken ausspielen konnte. Ich freue mich echt sehr, dass wir den in unseren Reihen haben.
Skarlatidis ist kein Außenbahnspieler. Er hat das beste aus seinem Auftrag gemacht, zumindest offensiv. Defensiv hat er Schad zu häufig alleine gelassen.
Huth hatte eine gebracuhten Tag. Jeder Ball ist ihn versprungen, sein Timing war schlecht und er strahlte null Torgefahr aus. Mangelndes Engagement kann man ihm aber beim besten Willen nicht unterstellen. Da er allerdings in allen sonstigen fußballerischen Belangen enttäuscht hat, war seine Auswechslung konsequent und richtig.
Röser hat für mich nach der Hereinnahme von Ciftci seine besten 10 Minuten in unserem Trikot gezeigt. Prima Ballgewinne, bissig und sogar zwei schöne Pässe/Weiterleitungen auf Mitspieler. Vorher war das allerdings ähnlich wie bei Huth, nur nicht ganz so bedauernswert. Konnte seine Auswechlung nach der Steigerung jedoch nicht nachvollziehen. Hätte ihm gerne die Möglichkeit geboten, sich zu rehabilitieren.
Hanslik brauchte einige Minuten um ins Spiel zu kommen, hat aber geliefert. Toller Pass ins Zentrum, den Gözütok leider nicht nutzuen konnte. Habe die Hoffnung, dass er uns helfen wird, sobald er mehr Bindung zu den Mitspielern hat.
Gözütok leider sehr unglücklich. Wirkte übermotiviert und damensprechend überhastet. Vergab so die beste Chance des Spiles. Immerhin hat er Schad defensiv geholfen, sodass dieser auch mal marschieren konnte.
Ciftci war der überragende Mann. Immer präsent, immer anspielbar, hat das Spiel schnell gemacht, wenn es möglich war oder auch Tempo rausgenommen, wenn es sein musste. Hat noch kleinere Schnitzer drin, aber er war der "Gamechanger".
Also lieber Jeff, mach bitte, bitte im nächsten Spiel nicht den gleichen Fehler zum dritten Mal. Ich weiß, das ist dein Lieblingssystem, aber das wissen leider auch die gegenerischen Trainer. Wenn die Mannschaft eingespielt ist, funktioniert vielleicht auch ein Angriffspressing.
Dass du ganz schnell und richtig reagieren kannst, hast du auch schon bewiesen. Und die Spieler scheinen dir zu folgen. Daher hoffe ich, dass sie dir auch verzeihen, wenn du sie zu unrecht in den Senkel stellst.