
R.I.P. WWÜber Wolfram Wuttke hat Ernst Happel mal gesagt, er sei "heute ein Genie und morgen ein Wurschtel", und bei anderer Gelegenheit befand er, dass dieser unbeherrschbare Mensch zwar ein "Zauberer am Ball" sei, aber auch "ein Gassenjunge im Kopf". Wuttke fand dieses Urteil "gar nicht mal so übel", ...
Der kicker nannte ihn "Wolfram Wahnsinn", er selbst meinte, als er mittlerweile in Kaiserslautern so umstritten war wie bei den vorigen Vereinen, seine Biographie müsse "Das verdammte Fußballerleben des Wolfram Wuttke" heißen.
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Heutzutage sind Spieler wie Wuttke schlichtweg nicht mehr denkbar in der konformistischen Hochleistungsgesellschaft, die der Profifußball der Gegenwart ist: Weil er durch seine legendäre Faulheit die sportlichen Anforderungen nicht mehr erfüllen könnte. Und weil er wegen seiner notorischen Renitenz im erbarmungslosen öffentlichen Diskurs zugrunde gehen müsste.
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Die Geschichten, die über Wuttke kursieren, scheinen alle erfunden zu sein, so phantasievoll klingen sie. Und so viele sind es.
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angeblich hat er Fischer und Abramczik bei seinem ersten Bundesligaeinsatz (gegen Uerdingen) zugerufen: "Ihr faulen Schweine, lauft mal ein bisschen mehr."
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In Mönchengladbach hatte er später, wie wohl quasi überall, Probleme mit seinem Vorgesetzten, der Jupp Heynckes hieß. Wuttke musste auf Geheiß des Trainers sein Übergewicht reduzieren, aber weil er das verlangte Maß - zwei Kilo - nicht schaffte, sollte er eine Geldstrafe in die Mannschaftskasse zahlen: Eine Mark pro Gramm, insgesamt 500. Wuttke händigte 1000 Mark aus - als Vorschussleistung für kommende Diäten. Auch schön: Als er mal mit seinem kleinen Sohn zur Teamsitzung in Kaiserslautern auftauchte, auf der zu jener Zeit Sepp Stabel das Sagen hatte. Warum er seinen Sohn mitgebracht hatte? "Ich wollte ihm nur mal zeigen, was für einen dummen Trainer wir haben."
JensWalter1 hat geschrieben:Es fühlt sich an als sei ein lieber Verwandter gestorben, den man lange nicht gesehen hat. Man hat nicht mehr sehr oft an ihn gedacht aber er hatte immer einen Platz in den Herzen der FCK-Familie. Die Nachricht seines Todes treibt einem die Tränen in die Augen, der Gedanke an ihn, wie er war, jedoch ein Lächeln Gesicht.
Ruhe in Frieden
HSV.de hat geschrieben:(...) Seine nächste Station: Kaiserslautern. Beim FCK mit Trainer Hans „Hannes“ Bongartz passte einfach alles. Hier fühlte er sich wohl. „Wenn ich in Kaiserslautern mit schlechter Laune ins Training kam, sagte Bongartz: ‚Schieß ein paar Bälle aufs Tor und lass dich dann massieren!‘“, so Wuttke. Er brauchte das. Dieses Vertrauen, die Rückendeckung, mitunter auch mal eine Streicheleinheit. Fühlte Wuttke sich im Verein und bei den Menschen wohl, dann war er auf dem Platz kaum zu stoppen. Und diese Dribblings, der Zug zum Tor, die legendären Außenrist-Pässe - all das machte ihn auf dem Feld zu einem Ausnahmekönner. Die logische Folge: während seiner Zeit am Betzenberg reifte Wuttke zum Nationalspieler. Vier Partien bestritt er mit dem Adler auf der Brust. Nur vier, muss man sagen, legt man seine fußballerische Klasse zugrunde. Dass es am Ende seiner Karriere nicht mehr waren, rechnete Wuttke seiner fehlenden Diplomatie zu. Er blieb sich eben treu, ein Typ mit Ecken und Kanten.
(...)
Doch so schön die Pfalz für Wolfram Wuttke war, ein Traum ließ ihm keine Ruhe: ins Ausland zu wechseln. Bereits 1988 hatte es Gespräche mit Olympiakos Piräus gegeben. Am Tag des EM-Finales unterschrieb Wuttke in München einen Vorvertrag und bekam danach von Präsident Georgios Koskotas einen Cartier-Füllfederhalter im Wert von 2.000 Mark geschenkt. Als er daraufhin die FCK-Verantwortlichen informierte, glaubten diese ihm kein Wort. Denn anstelle Wuttkes wechselte Lajos Detari nach Athen. „Ich war der Depp von der Pfalz. Selbst unser Präsident glaubte mir nicht. Er fragte: ‚Mit wem hast du gesprochen, Wutti? Mit ‘nem Gyroshändler?“, gestand Wuttke den missglückten Transfer.
Quelle und kompletter Text: HSV.de
Ja solche Spieler hast du heute leider nicht mehr .... die sich zerreisen ..donaldino hat geschrieben:Genau diese Menschen machen unseren "Traditionsverein" aus. Ich habe meine Jugend mit Geschichten, ja fast schon Legenden über Walter Frosch und Co verbracht.
Ich habe Wutti live im Stadion zelebrieren sehen, auf dem Bolzplatz haben wir uns an den Außenrist-Pässen oder Freistössen á la Wutti-Wuttke probiert, bevor wir gebannt Hans-Reinhard Scheu in der Bundesliga-Halbzeit-Konferenz über unsere Männer in Rot gelauscht haben.
Es war nicht alles Gold was glänzte, ich denke dennoch immer gerne an die "gute, alte Zeit" zurück.
Danke Wutti, du warst mein Held für viele Jahre...
...und bist es noch in meinen Erinnerungen...
herzblutgretchen hat geschrieben:Ich bin mir sicher, Wutti klopft da oben nicht an sondern schlenzt den Ball mit dem Aussenrist ins HIMMELTOR !!!!
Chapeau! Mehr und vor allem besseres gibt es eigentlich kaum zu sagen. Ich erinnere mich (ein Satzbeginn, der gerade in diesem Thread vermutlich zu ganz neuen Höhenflügen aufsteigt), dass wir im Block 8 schon aufgestöhnt haben, weil nach fünf Minuten klar war, ob Wolfram "Wutti" Wuttke ausgeschlafen war und Bock hatte, oder ob der Weinfestbesuch am Abend zuvor seine Spuren hinterlassen hatte. Schöne, gute alte Fußballzeit ...Steffbert hat geschrieben:Schon so früh, Wutti? Schon so früh?![]()
Wen haben wir nicht alles kommen und gehen sehen. Viele, gerade in den letzten Jahren, ließen mich völlig kalt. Das ist nun etwas, was ich von dir niemals behaupten konnte.
Was hab ich dich bewundert, wie sehr hab ich mich über dich aufgeregt. Oft hast du uns während eines einzigen Spiels mehrmals zwischen vergöttern und verdammen hin und her pendeln lassen, du mit deinem genialen Fuß, der so oft stehen bleiben wollte. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so wohl die Aura eines recht bodenständig wirkenden Typen von Nebenan als auch eine unglaublich glorreich-rotzfreche Arroganz gleichermaßen glaubwürdig in sich vereint hat.
Uli Stein beschreibt in seinem Buch "Halbzeit" dein persönliches Lucy-und-Charlie-Braun-Spiel; wie du im Trainingsspiel lässig den Fuß auf den Ball gestellt hast, dann die Abwehrspieler anlocktest ("komm her, hol ihn dir, put put put"), nur, um im allerletzten Moment den Ball nach hinten wegzuziehen und den Spieler ins Leere grätschen zu lassen. Den Ball hast du natürlich dann doch immer verloren, weil du nach ausnahmslos jedem Durchgang dieses Spielchens lachend auf dem Rasen gelegen hast. Was hab ich dich geliebt, Wutti, aber trainieren hätte ich dich nicht wollen.
Heute, in den kalten Zeiten kalter Karriereplanung, in denen der sich selbst optimierende Profi eiskalt der Logik des nächsten Schrittes folgt, wärmt mich die Erinnerung an einen wie dich. Du hast das Training nicht geliebt, du hast die Trainer nicht geliebt, du hast taktische Vorgaben nicht geliebt, du hast das Laufen nicht geliebt, du hast das Verteidigen nicht geliebt, du hast die Disziplin nicht geliebt, aber du hast den Ball geliebt. Und der Ball hat dich zurückgeliebt.
Wenn es mal gepasst hat, dann konntest du, was nur ganz wenige können: Du konntest Momente schaffen, die dreißigtausend Menschen auf einmal verzaubert haben. Und ich habe als Kind das ungläubige Raunen im Stadion vernommen (was für ein wunderschönes Geräusch!) und ich habe erwachsene Männer gesehen, die mit offenen Mündern, mit Gänsehaut und mit glänzenden Augen auf einen kleinen Mann mit Schnurrbart blickten, der mit eine kurzen krummen gedrungenen Bewegungen nichts anderes versprühte als die reine Genialität.
Man sagt mir, ich solle nicht so viel Wert legen auf Namen, Spieler würden kommen und gehen, letztendlich wäre es doch der Verein auf den es ankäme. Mag ja sein, aber letztendlich sind es doch gewisse Spieler, über die man eine Verbindung herstellt, Spieler, die Erinnerungen schaffen, besondere Spieler. Spieler eben, die man ganz besonders gerne mag. Ein solcher Spieler war für mich Wolfram Wuttke. Ich werde ihn vermissen.
Wolfram Wuttke (1961 - 2015)
Genie
Wurschtel
Straßenfußballer
Mensch
So geil, wenn man sieht, wie die damals durch das Mittelfeld spaziert sind ...jürgen.rische1998 hat geschrieben:Hätte Wutti nur annähernd sein Talent vergoldet, dann hätten wir ihn wohl nie gesehen und dann wäre er wohl auch nie er selbst gewesen. Typen die den Dickkopf vor die Karriere stellen. Manche mögen es blöd nennen, für mich ein Grund warum der Mann in so guter Erinnerung ist. Übrigens ist auch der Nachruf des HSV sehr schön geschrieben. Und jetzt nochmal in Erinnerungen schwelgen: https://www.youtube.com/watch?v=lSLWLYfzXE8
Traurig, dass er so früh gehen musste, aber das ist der Wuttke an den ich immer denken werden...
Danke! Du sprichst mir aus dem Herzen.donaldino hat geschrieben:Genau diese Menschen machen unseren "Traditionsverein" aus. Ich habe meine Jugend mit Geschichten, ja fast schon Legenden über Walter Frosch und Co verbracht.
Ich habe Wutti live im Stadion zelebrieren sehen, auf dem Bolzplatz haben wir uns an den Außenrist-Pässen oder Freistössen á la Wutti-Wuttke probiert, bevor wir gebannt Hans-Reinhard Scheu in der Bundesliga-Halbzeit-Konferenz über unsere Männer in Rot gelauscht haben.
Es war nicht alles Gold was glänzte, ich denke dennoch immer gerne an die "gute, alte Zeit" zurück.
Danke Wutti, du warst mein Held für viele Jahre...
...und bist es noch in meinen Erinnerungen...