Tagesanzeiger hat geschrieben:(...)
Trotzdem machten Sie nach Luzern gleich bei GC weiter.
Im ersten Jahr lief alles prima. Aber danach war ich dem Verein gegenüber zu lieb. GC hatte grosse Finanzprobleme, die besten Spieler wurden verkauft. Ich hätte mich gegen die Clubleitung wehren müssen: Okay, ihr verkauft die Besten, dann gehe ich auch. Oder ihr holt Neue. Ich trug aber alles mit und rieb mich enorm auf. Am Ende war die Trennung eine echte Erlösung.
Wieso?
Ich war platt, total ausgelaugt, es ging nicht mehr. Meine Kraft war aufgebraucht, ich benötigte zwingend eine Auszeit. (Pause) Das Ganze hatte mich krank gemacht. Ich bin froh, dass ich mir das eingestehen konnte und nichts vorspielte. Ich fühlte mich bei GC allein, auch alleingelassen.
Sie mussten unter anderem mit dem Vorwurf leben, sich mit vielen Transfers verzettelt zu haben.
Ja, aber eben: Das hat für mich damit zu tun, dass ich zu lieb war mit dem Verein. Hilf rechts, hilf links, hilf dort, und gleichzeitig litt meine eigentliche Arbeit darunter. Es frass mich auf. Die Energie schwand immer mehr, bis ich erschöpft war. Es waren schlimme Momente, die ich danach mitmachte.
Wie äusserte sich das?
Als die Zeit bei GC zu Ende war, unternahm ich oft lange Spaziergänge. Und unterwegs flossen die Tränen, einfach so. Meine Gefühlswelt war völlig durcheinander. Ich spürte Enttäuschung, auch eine totale Leere. Es gab Nächte, da erwachte ich immer um 2 Uhr schweissgebadet, wieder kamen Tränen, aber wieder wusste ich nicht, warum genau. Ich kann nur mutmassen. Schon mit 16 Jahren war ich Profi geworden, ich lebte nur für den Fussball, ich war Teil eines Geschäfts, in dem man stark sein muss. Ich machte 2006 als Trainer in der Super League weiter, ja, und dann war Schluss . . . Sieben, acht Monate machte ich danach eine ganz harte Phase mit.
Fühlten Sie sich wertlos? Zweifelten Sie an sich?
Ich zweifelte nie an meinen Fähigkeiten als Trainer. Und wertlos . . . ? Nein, nicht unbedingt. Aber es war heftig, was sich abspielte . . . Es kann schon eine Rolle gespielt haben, dass ich keinen Club mehr hatte, dafür viel Zeit. Dazu kamen private Dinge (die Scheidung von seiner Frau). Es gab in dieser Zeit oft Phasen, in denen ich unmöglich allein sein konnte.
Warum?
Ich hatte ständig Angst, dass mir etwas zustossen könnte, dass mein Herz versagen würde und niemand in meiner Nähe wäre. Sicher und halbwegs geborgen fühlte ich mich nur in den eigenen vier Wänden. Ich weinte oft, wehrte mich aber nicht dagegen. Es musste raus.
Verloren Sie die Lust am Fussball?
Ich ging nicht mehr ins Stadion, den Fernseher schaltete ich nur noch selten ein. Es gab wichtigere Dinge als Fussball. Meine Person. Meine Gesundheit.
Wer half Ihnen aus der Krise?
Ich nahm psychologische Hilfe in Anspruch, und ich greife jetzt noch darauf zurück. Ich hätte niemals Medikamente genommen. Aber der Psychologe war nötig, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich habe keine Hemmungen, darüber zu reden. Eine Schwäche einzugestehen, ist eine Stärke. Ich bin froh, dass ich das Oberflächliche abgestreift habe.
Und wie geht es Ihnen jetzt?
Sehr gut. Mein Leben hat neu angefangen, ich bin voller Energie. Geist und Körper wissen, in welche Richtung es gehen soll. Ich habe gelernt, dass ich auf meinen Bauch hören muss, auf meinen Verstand – und sicher nicht mehr auf Leute, auf die ich in der Vergangenheit zu oft hörte. Ich tue das, was mir guttut, ich konzentriere mich auf das, was ich kann. Und ich will authentisch sein, nicht etwas vorspielen.
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Quelle und kompletter Text: http://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussb ... 3#comments