Also wenn man das komplette Interview ließt stellt sich das Ganze doch weit weniger dramatisch da als das zu dem es hier hochgekocht wird.
Sport1 hat da einfach was zusammenhaltlos aus dem Interview rausgerissen um ne Schlagzeile zu machen. Sehr seriöser Journalismus :/
Sonntags-FAZ hat geschrieben:
"Ich bin ein Rock 'n' Roller"
Harald Strutz, seit 20 Jahren Präsident des FSV Mainz 05, über "seinen" Verein und andere Leidenschaften
Harald Strutz, 57, Rechtsanwalt, ist nach Achim Stocker (SC Freiburg) der dienstälteste Klubpräsident im deutschen Profi-Fußball. Als Leichtathlet im Trikot des USC Mainz stellte er mit 16,21 Metern im Jahr 1970 einen Junioren-Weltrekord im Dreisprung auf, sein "Dienstjubiläum" als Präsident des Fußball-Zweitligaklubs Mainz 05 jährt sich in diesem September zum 20. Mal. Strutz ist zudem Vizepräsident der Deutschen Fußball Liga und des Deutschen Fußball-Bundes sowie als FDP-Politiker Mitglied im Mainzer Stadtrat.
FRAGE: Herr Strutz, was fällt Ihnen zum Herbst 1988 ein?
ANTWORT: Dieser Tag, diese Wahl zum Präsidenten von Mainz 05, hat mein Leben verändert. Es war ja nicht absehbar, dass ein früherer Leichtathlet auf einmal Präsident eines Fußballvereins wird. Zumindest nicht in der damals sehr schwierigen Zeit. Dieses Ehrenamt ist im Laufe der Jahre eine Herzenssache geworden, und manchmal fragt man sich: Hast du alles richtig gemacht? Ich komme zu dem Ergebnis: Viel falsch gemacht habe ich nicht.
FRAGE: Sie sollen damals mit dem Satz aufgefordert worden sein: Herr Strutz, machen Sie das! Ihre Antwort lautete: Okay, ich mach's. War das so?
Es ist eine turbulente Sitzung gewesen. Der damalige Vorsitzende Bodo Hertlein hatte keinen Erfolg in der schriftlichen Abstimmung, dann wurde Peter Arens gefragt, doch der wollte nicht, anschließend raunte Jürgen Doetz, seinerzeit Geschäftsführer von Sat 1, mir zu: "Wir helfen Ihnen, Sat 1 wird Trikotsponsor." Da habe ich in der Tat gesagt: Okay, ich mache das." Ohne zu wissen, was auf mich zukommt. Aus der Versammlung heraus war mein Name gerufen worden, von den Alte-Herren-Kickern. Ich hatte keine Zielsetzung, habe völlig unüberlegt, ad hoc, entschieden. Das Einzige, was mich mit Mainz 05 verbunden hat, war, dass mein Vater Walter in den fünfziger Jahren Präsident gewesen ist.
FRAGE: Ein Fußballpräsident ohne "Stallgeruch" - wie ging das überhaupt?
ANTWORT: Wenn man schon einmal kurze Sporthosen anhatte, wird man mehr oder weniger automatisch akzeptiert. Von den Offiziellen, auf Verbandsebene und im Umfeld. Wenn ich sportlich nichts aufzuweisen gehabt hätte, hätte ich mit den Profis auch nicht so reden können, wie ich es anfangs getan habe.
FRAGE: Ein Beispiel?
ANTWORT: Als ehemaliger Leistungssportler hat man einfach mehr Verständnis für schlechte Phasen von Fußballprofis. Etwa im Fall unseres Ex-Stürmers Andrej Woronin. Das vergesse ich nie, weil es eines meiner schönsten Erlebnisse war. Ich habe ihn irgendwann mal in den Arm genommen, fälschlicherweise als Russen und nicht als Ukrainer angesprochen und ihm gesagt: Du hast zwei Möglichkeiten - entweder du fährst jetzt nach Hause und bleibst in Sibirien, oder du wirst Fußball-Millionär.
FRAGE:
Wie lautete seine Antwort?
ANTWORT: Er hat nur gelacht. Und als wir im Frühjahr 2003 in Braunschweig am Aufstieg scheiterten, sagte er: "Präsident, es tut mir sehr leid, aber ich muss jetzt meinen eigenen Weg gehen." Dann wirst du jetzt Fußball-Millionär, habe ich erwidert.
FRAGE: Wie oft haben Sie sich in turbulenten Jahren die Frage
FRAGE: gestellt: "Was machst du hier eigentlich?"
ANTWORT: Am Anfang häufiger, später nicht mehr. Ich konnte mit einem Team einen Verein aufbauen, Emotionen in die Stadt Mainz bringen, Identifikation für die Jugend schaffen. Dieser Gedanke ist immer stärker geworden. Anfangs ging es ja nur ums nackte Überleben. Schließlich sind wir gleich im ersten Jahr nach meiner Wahl aus der zweiten Liga abgestiegen. Anschließend haben wir das Vertrauen der Wirtschaft und der Kommunalpolitik gewonnen. Dabei war und ist der Zusammenhalt des Mainzer Vorstands eine Stärke von Mainz 05. Es gab enge Zeiten, mit engen Lizenzierungsverfahren, aber den Gedanken ans Aufhören hatte ich nie.
FRAGE: Ihr Vorgänger Bodo Hertlein hat stets etwas kryptisch von Verbindlichkeiten gesprochen, die der Verein habe . . .
ANTWORT:
Das haben wir nie wirklich verifizieren können. Schulden und Verbindlichkeiten aufgedröselt, kamen wir in etwa auf einen Betrag von umgerechnet 1,5 Millionen Euro. Aber so richtig dahintergestiegen sind wir nicht. Aber die Lage war dramatisch vor zwanzig Jahren, keine Frage.
FRAGE: Wie hoch ist das aktuelle Guthaben von Mainz 05?
ANTWORT: Die drei Jahre in der ersten Liga haben uns eine völlig andere wirtschaftliche Dimension gebracht, auch der Stadionausbau hat sich ausgezahlt. Für den Bau der neuen Arena müssen wir einen Eigenanteil von 7,5 Millionen Euro leisten und zusätzlich die Finanzierung in Höhe von 32,5 Millionen Euro sichern, hierfür ist ein Kommunalkredit mit jährlichen Pachtzahlungen zu bedienen. Wir haben keine wirtschaftlichen Sorgen, auch dank der sehr restriktiven Führung von Finanzchef Friedhelm Andres und der lukrativen Transfergeschäfte von Christian Heidel. Aber natürlich könnte es immer etwas mehr Geld auf dem Konto sein.
FRAGE: Was haben Sie vom langjährigen Mainzer Cheftrainer Jürgen Klopp gelernt, mit dem der Aufstieg des Vereins untrennbar verbunden ist?
ANTWORT: Dass man sich nicht unterkriegen lassen darf. Oder gar depressiv werden. Und wegen irgendwelcher Geschehnisse rund um den Fußball schon gar nicht. "Wir reden über Fußball", diesen Satz von Klopp habe ich mir gemerkt. "Wir . . . reden . . . über . . . Fußball." Dies muss man sich immer wieder klarmachen. Bei allem Negativen, was dieser Sport auch zu bieten hat - Abstiege oder denkbar knapp verpasste Aufstiege -, muss man sich immer wieder klarmachen: Es geht nicht um die Existenz, um schwere Krankheiten, Katastrophen oder ganz furchtbare persönliche Schicksale. Es geht nur um Fußball. 22 Spieler machen anderen Menschen Freude und erzeugen Emotionen. Aber wenn das Spiel vorbei ist, ist es vorbei.
FRAGE: Kritiker werfen dem Klubchef Strutz vor, dass er sich wegen seiner politischen Ambitionen nicht deutlich und vernehmbar zur Alimentierung durch den Stadt- und Landeshaushalt zugunsten des 1. FC Kaiserslautern äußert.
ANTWORT: Meine Position als Präsident ist natürlich geprägt durch politische Verbindungen, aber auch dadurch, dass wir dem Land Rheinland-Pfalz einen Anteil am Ausbau unseres Bruchwegstadions zu verdanken haben. Und auch der Bau der neuen Coface-Arena ist durch das Land geebnet worden.
FRAGE: Da spricht schon wieder der Politiker Strutz.
ANTWORT: Ich kann Ministerpräsident Kurt Beck nicht angreifen, weil er auch uns in schwierigen Zeiten geholfen hat. Andererseits wäre es anmaßend, wenn ich als DFL-Vizepräsident sagen würde: Diese Unterstützung der Politik für Kaiserslautern ist Wettbewerbsverzerrung.
FRAGE: Aber dem 1. FC Kaiserslautern sind vor dieser Saison doch tatsächlich Geschenke zu Lasten des Steuerzahlers zuteil geworden.
ANTWORT: Letztlich muss sich darüber jeder selbst ein Bild machen. Ich kann als Präsident von Mainz 05 doch nicht meckern und sagen: Der 1. FC Kaiserslautern bekommt alles geschenkt. Aber es muss ein Gleichgewicht hergestellt werden. Die Politik muss endlich erkennen, dass der FCK keine Sonderstellung mehr genießen darf. Die WM ist vorbei, und alles, was zum wirtschaftlichen Debakel führte, hat nicht nur mit dem Stadion auf dem Betzenberg zu tun. Sondern mit Managementfehlern. Da muss man sich irgendwann hinterfragen und sagen: Steuergelder sind genug verbraucht worden, ihr müsst euch jetzt selbst helfen. Es passt nicht ins Bild, Verbindlichkeiten von der Kommune erlassen zu bekommen und gleichzeitig jeden Tag neue Transfers zu veröffentlichen.
FRAGE: Ist die Wettbewerbsgleichheit noch gegeben angesichts der Subventionierung des 1. FC Kaiserslautern?
ANTWORT: Schwer zu sagen. Wenn das Land und die Kommune diesen Weg gehen, haben die anderen Vereine einfach keinen Ansatz.
FRAGE: Man erlebt Sie eigentlich niemals schlecht gelaunt, woran liegt das?
ANTWORT: Ich lebe gerne, fühle mich zufrieden und bin gesund. Ich wollte in dieser Stadt etwas bewegen und habe dies mit meinen Vorstandskollegen und Freunden geschafft. Die Menschen in Mainz haben eine neue Idee gefunden. Als im Mai 2008 feststand, dass wir den Aufstieg nicht mehr schaffen, und 20 000 Fans, auch die Anhänger des FC St. Pauli, in der 85. Minute ihren Schal hochhielten und "You'll never walk alone" gesungen haben, das war mit das Größte, was ich erlebt habe - und natürlich das letzte Spiel von Jürgen Klopp.
FRAGE:
Wie viel Rock 'n' Roll steckt in Harald Strutz, der als Sänger in der Band "Stags" aktiv ist?
ANTWORT: Ich bin ein Rock 'n' Roller. Wobei ich immer dachte, dass man zuerst ein Instrument lernen muss, und vergaß, dass eine Stimme auch ein Instrument sein kann. Dann habe ich mir gedacht: Just do it! Mit 52 habe ich es dann endlich probiert. Wir spielen Rock der sechziger Jahre, gehen einmal pro Woche in den Proberaum. Auch dies ist ein Mittel, um nicht alt zu werden.
ANTWORT:
FRAGE: Wie lange wollen Sie noch "Alterspräsident" von Mainz 05 bleiben?
ANTWORT: Ich habe nicht vor, aufzuhören. Meine Vision ist ein Länderspiel in der neuen Coface-Arena, das ist beinahe eine Lebensaufgabe geworden. Solange ich brenne - und manchmal glaube ich: Strutz, du brennst ja tatsächlich! -, geht es weiter. Es macht mir richtig Spaß.
Das Gespräch führte Uwe Martin.