Ein starker Kommentar von Andreas Böhm/Rheinpfalz:
Ich bin der Meinung, ...
... dass es einen wie Udo Scholz nicht
mehr geben wird. Wer wie ich den Job des Sportredakteurs seit über 20 Jahren ausübt, der kann aus Erfahrung sagen: Ploppt gegen Abend eine Meldung auf, die einen im Spätdienst zum großflächigen Umbau der Seite veranlasst, ist sie meist negativ. So war es auch am Mittwoch. Udo Scholz ist tot. Diese Nachricht schickte mir Kollege Olli Wehner um 18.33 Uhr auf mein Mobiltelefon. Ich hatte gehofft, dass Udo sich nach seinem Herzstillstand vielleicht erholen würde, mich aber darauf eingestellt, die traurige Kunde in naher Zukunft hören oder lesen zu müssen. Ich kannte ihn persönlich, aber nicht gut. Doch er prägte einen Teil meines Heranwachsens. Damals, in den Achtzigern und frühen Neunzigern, als meine Kumpels und ich zu den Spielen „unseres“ FCK auf den Betzenberg gefahren sind (von Speyer aus immer über Neustadt, Lambrecht und Hochspeyer durchs Tal, alles andere hätte Unglück gebracht), da war er unsere Stimme. Als ich einem dieser Kumpels per WhatsApp die Nachricht überbrachte, antwortete er, mit Tränen-Emoji versehen: „So langsam löst sich der Mutterboden unserer Jugend komplett auf.“
Das mag für manch einen übertrieben klingen, für uns ist es das nicht. Udo Scholz war eine Institution. Er war der „Betze“. Mit ihm wurden wir sozialisiert. Er gehörte dazu wie die Currywurst vor dem Kick und das Karlsberg Ur-Pils. Wie die bengalischen Feuer, von denen ZDF-Ikone Dieter Kürten als „südländische Atmosphäre“ schwärmte. Wie der von Oma gestrickte und viel zu große Pullover in Rot-Weiß oder der Schnauzer, der unsere Oberlippe zierte. Der Mann war manchmal wichtiger als die Spieler selbst, zum Beispiel wenn es darum ging, durch geschicktes Drehen an der Uhr den Ball in der 97. Minute ins Tor zu singen. Er war ein Pionier. Tat Dinge, die bis dahin keiner getan hatte. Verlas die Aufstellung nicht im Kämmerlein, sondern unten auf dem Rasen. Und auch nur die Vornamen, damit wir Wuttke, Hotic oder Kuuuuntz unters Dach der Westtribüne schmettern konnten. Manche nannten ihn einen Scharfmacher. Winfried Schäfer, damals Trainer des KSC, benutzte Vokabeln, die ich besser nicht wiedergebe. Der Jugendschutz ... Udo schürte die Glut unterm Hexenkessel. Mit ihm entstand die Bastion. „Wer nicht brennt, kann kein Feuer entfachen“, hat er mal gesagt. Er brannte. Immer.
Vor einigen Jahren, als wir uns auch persönlich kennengelernt hatten, schickte ich ihm über Facebook eine Nachricht. „Hey, Udo“, schrieb ich, „willst du bequem nach Hause laufen?“ Die Antwort kam prompt: „Da müsst ich ja Roschy-Schuhe kaufen“. Wir haben herzlich gelacht. Wie oft hatten wir diesen Satz von ihm in den Halbzeitpausen gehört. „Willst du bequem nach Hause laufen, musst du Roschy-Schuhe kaufen.“ Ein Klassiker pfälzischer Reklamekunst.
Nach der Todesnachricht ging mir als Erstes ein Wort durch den Kopf. „Froiiinde“. Er sprach es unverwechselbar aus. Ich hatte sein verschmitztes Grinsen vor Augen, den Rauschebart (den er damals noch nicht trug), ein Mikrofon. Froiiinde, was haben wir nicht alles zusammen erlebt. Meisterschaft in Köln. Pokalsieg in Berlin. Barcelona-Trauma. Udo war ein Teil der guten alten Zeit, in der man nicht fürchten musste, dass der Klub vor die Hunde geht. „Solang’s in Deutschland Fuuuußball gibt ...“
Welches Schicksal der FCK auch erfahren wird: Udo Scholz erlebt es nicht mehr. Vielleicht kann er „da oben“ ein bisschen Beistand erflehen. Die, die er trifft, werden sich auf jeden Fall bestens unterhalten fühlen. Udo hat genug Geschichten auf Lager. Geschichten aus 81 Jahren eines erfüllten Lebens. Manche durften wir teilen.
Hätte ich ihn hier nicht teilen dürfen, einfach wieder löschen! Dann halt sorry dafür!