125 Jahre FCK - eine Hommage

Mein Vater, mein Sohn, mein Verein

Mein Vater, mein Sohn, mein Verein

Foto: Imago Images

125 Jahre 1. FC Kaiserslautern. Für DBB-Autor Marky ist Lautern mehr als ein Verein - es ist Familie. Eine Liebeserklärung an den Fußball, an den Vater, an den Sohn - und ans Leben.

Dass mein Vater das 126. Jahr nach Gründung des 1. FC Kaiserslautern komplett miterlebt, ist unwahrscheinlich. Sagen die Ärzte. Aber in jedem Ende liegt auch ein Anfang. Das ist tröstlich. Es ist der Sinn des Lebens - und wohl auch des Fußballlebens. So viel verstehe ich mittlerweile.

Mein Vater steht in unserer Familie für Fußball wie kein anderer. Er ist mit mir auf den Sportplatz gefahren und hat mir in jungen Jahren beigebracht, wie man gegen den Ball tritt. Aber ich habe mir noch viel mehr von ihm abgeschaut: seine Leidenschaft für Fußball - und für Sport überhaupt.

Als mein Vater 70 wurde, gab es eine große Feier. Mein Bruder, der sich mit TV-Sachen auskennt, hatte einen großartigen Geburtstagsfilm gemacht. Darin erzählte meine Mutter: "Am Wochenende gab es immer nur Fußball." Für ihren Mann und ihre Söhne. Und weiter: "Da zu Wort kommen, ist unmöglich. Da hört keiner zu."

Und sie hatte nicht übertrieben. Samstag, Sonntag, auch Freitagabends war die Familie - zumindest der männliche Teil - völlig im Fußballrausch. Balla balla.

Ich kam früh in den Genuss, viele Fußballplätze im Südwesten zu besuchen. Große und kleine, legendäre und altehrwürdige. In der Vormoderne des Fußballs, den harten, aber herzlich-authentischen Achtzigern.

Sonntags ging es zum Heimatverein. Und wenn wir samstags mal nicht ins Stadion fuhren, lief beim Autowaschen, Betonieren oder Gartenmachen die Konferenz im Radio - oft in infernalischer Lautstärke. So laut, dass meine Mutter nur mit Gesten auf sich aufmerksam machen konnte.

Ich kann meine Mama heute leider nicht mehr fragen, wie das eigentlich für sie war. Aber ich bin ihr dankbar, dass sie diesen Wahnsinn mitgetragen hat.

"Tooooor auf dem Betzenberg, Tooooor für den 1. FC Kaiserslautern ..."

In diesen Radiokonferenzen lernte ich früh, dass Spiele nicht um 17:15 Uhr enden - vor allem nicht auf dem Betzenberg. Die Rufe von Reportern wie Hans-Reinhard Scheu, Wolfgang Fritschmann und Co. haben sich für immer in mein Hirn gebrannt: "Tooooor auf dem Betzenberg, Tooooor für den 1. FC Kaiserslautern ..."

1987 habe ich das Stadion dann zum ersten Mal betreten - und hatte auf der Süd einen perfekten Blick auf das Treiben, auch auf die Westkurve. Der HSV war zu Gast, das Spiel ging 0:4 aus. Ein Erfolgsfan sollte also nicht aus mir werden.

Die Rothosen kamen mit prominenten Namen wie Uli Stein, Jakobs, Kaltz, Thomas von Heesen. Beim FCK spielten Ehrmann, Dusek, Wolfgang Wolf, Majewski, Schupp, Roos, Moser, Wuttke, Hartmann, Kohr, Allievi. Auf den Trainerbänken saßen Hannes Bongartz und ein gewisser Ernst Happel.

Im Fritz-Walter-Stadion hatte ich allerdings nicht meine erste leibhaftige Begegnung mit den Roten Teufeln.

Es war ein Abend im April 1987, der im Rückblick noch viel einprägsamer war. Südweststadion, Ludwigshafen. Jeder Fan hat ein Spiel, das ihn süchtig macht. Meines hatte einen tragischen Helden: Gerald Ehrmann.

Ich kannte vorher Torhüter wie Uli Stein, die den 16-Meter-Raum zum Boxring umfunktioniert hatten. Aber ich hatte noch nie einen erlebt, der die eigene Spielhälfte zu seinem Revier erklärte - und diese große Grünfläche verteidigte, als ginge es um sein Leben. Das war kein Torhüter, das war ein Torjäger-Jäger. Einer, der entschlossen war, der nicht abwartete, der über seine Schmerzgrenze ging. Einer, den nichts aufhielt auf seinem Weg zum Stürmer. Ein Ball konnte an ihm vorbeikommen, ja - aber nie Ball plus Spieler.

Ehrmann kassierte in diesem Spiel seine fünfte Gelbe Karte der Saison, hielt zwei Elfmeter. Insgesamt gab es vier Strafstöße gegen den FCK. Als der Schiedsrichter in der Nachspielzeit Lautern das 4:4 wegen Abseits aberkannte, sah ein Mann rot. Nur weil seine Mitspieler und die Ersatzleute (!) eingriffen, konnte Schlimmeres verhindert werden.

Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Nein - das abgegriffene Sprachbild trifft es nicht. Es war der Beginn einer leidenschaftlichen, bedingungslosen Liebe.

Um es leicht abgewandelt mit Nick Hornby zu sagen: "Ich verliebte mich in den FCK, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden."

Den Schmerz zu durchleben, war wichtig

Ein Schmerz hat mich dabei tiefer getroffen als bittere Niederlagen oder tränenreiche Abstiege: Ich sah meinen damals noch kleinen Sohn auf der Couch sitzen, als der FCK unter Jeff Saibene der Viertklassigkeit entgegen taumelte. Betze-Abrisspläne geisterten durch die Pfalz, angebliche Milliardäre schacherten um Anteile. Und da durchfuhr mich ein Gedanke: Was ist, wenn mein Sohn (oder meine Tochter) nie mitbekommen, nie erleben, wofür ihr Vater einen beträchtlichen Teil seines Lebens "vermacht hat"? Wofür er lichterloh brennt. "Jeden Tag und jede Nacht".

Diesen Schmerz zu durchleben, war wichtig für mich. Nur, wer glaubte, etwas verloren zu haben, kann es angemessen wertschätzen, wenn es wieder da ist.

Ich bin mit meinen Kindern, was den FCK angeht, zunächst behutsam umgegangen. Ich habe nicht gleich alle Türen geöffnet. Wahrscheinlich aus Schutz. Erst als Antwerpen kam, habe ich mit meiner kleinen Tochter angefangen, FCK-Lieder im Auto zu singen - auch über einen gewissen Terrence Boyd. Für Siege gab es dann Eis.

Am Morgen nach dem Aufstieg in Dresden - für mich einer der wichtigsten Siege überhaupt - herzte ich beide so sehr, dass sie gar nicht wussten, wie ihnen geschieht. Und natürlich packte ich sie in alle FCK-Klamotten, die ich finden konnte.

Die Dinge des Fußballlebens nahmen ihren Lauf. Meine Kinder feierten zum Auftakt der vergangenen Saison beim Trainingsauftakt ihr Betze-Debüt, der Familientag folgte. Wobei meiner Tochter zugegeben am wichtigsten ist, dass sie ihre Currywurst mit Pommes bekommt. Noch. Ich muss inzwischen eh öfter aufstehen, wenn Fußball kommt. Meine Mutter würde im Himmel herzlich lachen, wenn sie das lesen könnte.

Eher spontan war mein Sohn auch beim ersten Saisonspiel gegen Fürth in der Westkurve dabei. Seitdem war er mehr als ein halbes Dutzend Mal mit. Er steht nicht direkt neben mir, aber in der Nähe, wo er gut sieht. Hat sein erstes Derby gegen den KSC erlebt. Er hat Feuer gefangen - und redet manchmal mehr über den FCK, als seinem Vater lieb ist.

Meist nimmt er Freunde mit auf den Berg, mit denen er in der E-Jugend kickt. So kommt es vor, dass auch dort immer mehr Kinder mit FCK-Trikot rumlaufen - und entsprechendes Liedgut von sich geben.

Ich trainiere die Jungs, seit sie Bambinis waren. Das ist eine richtige Leidenschaft geworden. Den Kindern die Begeisterung für Fußball mitzugeben - nicht nur meinen eigenen. Und natürlich ein Botschafter des Betze zu sein.

Vor den Spielen oder in der Kabine sagen wir oft gemeinsam diese Sätze: "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben." Die Kraft und Wirkung dieser dem alten Fritz zugeschriebenen Worte sind immens.

Ach, Lautern, auch wenn du ganz schön bekloppt bist: Ich finde dich geil

So schließt sich der Kreis des Fußballebens. Und auch wenn es wehtut, das zu schreiben: Ich habe die Rolle meines Vaters übernommen.

"Es ist okay. Alles auf dem Weg."

Neulich gegen Schalke war ich mit meinem Sohn auf Toilette. Als wir die Treppen zum Block hochstiegen, hat mich der Anblick der vollbesetzten, hin- und herwogenden Tribünen schier umgehauen. Wie ein Gemälde. Der Betze. Mein Betze. Nach all den Jahren immer noch so schön. So wild. So leidenschaftlich wie eh und je.

Diese Momente erfüllen mich mit tiefer Dankbarkeit. Manchmal kann ich sie kaum glauben.

Dir, lieber 1. FC Kaiserslautern, alles Gute zu deinem runden Geburtstag. Bleib dir treu. Nichts und niemand bekommt dich klein. Das weiß ich jetzt. Denn zu viel Liebe hält dich zusammen.

Bring mich weiter um den Verstand und raube mir meine Nerven. Bring mich zum Lachen und zum Weinen. Versetz mich in Ekstase. Sei weiter mutig - und überrasche mich.

Ach, Lautern, auch wenn du ganz schön bekloppt bist: Ich finde dich geil.

Und jetzt - lass dich feiern.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marc Bartl

Weitere Links zum Thema:

- Chronologie im DBB-Forum: 125 Jahre FCK - das große Jubiläum am Betzenberg

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