Der FCK gewinnt auch sein drittes Spiel hintereinander. Überzeugt dabei wieder nicht durchgehend fußballerisch, sondern zeigt Qualität in den entscheidenden Momenten. Und der Trainer wechselt erst merk-, dann denkwürdig.
Trainer und ihre Auswechselstrategien. Ältere FCK-Fans wissen: Selbst die Meistertrainer Feldkamp und Rehhagel trafen bisweilen Entscheidungen, die fürs geneigte Publikum im ersten Moment nur schwer nachvollziehbar waren. Und oft blieben sie dies auch bis zum Schlusspfiff. Nur hin und wieder ließ sich ahnen, dass der Coach womöglich doch Gedankengängen gefolgt war, auf die selbsternannten Fachleute auf Couch und Tribüne nicht gekommen waren.
An diesem Sonntag ereignete sich mal wieder ein solcher Fall. In der 70. Minute der Partie des 1. FC Kaiserslautern gegen Preußen Münster brachte Markus Anfang Jannis Heuer und Kenny Redondo für Filip Kaloc und Erik Wekesser. Würde dieses Spiel als Comic nacherzählt, wäre nun über einer Illustration der Zuschauerränge eine große Denkblase mit einem "Häh?" in Großbuchstaben zu sehen.
Das große Rätsel: Warum kam Heuer für Kaloc?
Wekesser für Redondo, das leuchtete ja noch ein. Wekesser stand auf der linken Außenbahn nicht unbedingt für Stabilität im FCK-Spiel. In der Beziehung war von dem routinierten Redondo mehr zu erwarten, auch wenn der normalerweise weiter vorn zu finden ist. Zudem war es der erste Einsatz des 30-Jährigen seit 7. Dezember, danach hatte ihn seine Zehenverletzung außer Gefecht gesetzt.
Aber Heuer für Kaloc - ein Abwehrspieler für einen zentralen Mittelfeldspieler? Wollte Anfang jetzt schon hinten dichtmachen, das knappe 1:0, das Marlon Ritter in der 50. Minute erzielt hatte, über die Zeit bringen? "Uffem Betze", vor eigenem Publikum, gegen einen Aufsteiger?
Ein paar Sekunden später war zu erkennen: Heuer rückte in die Dreier-Abwehrkette, und Sirch übernahm Kalocs Position als "Achter". Somit änderte sich nichts an der Grundordnung der Elf. Und dass dieser Wechsel offensiv oder defensiv etwas bewirken könnte, war ebenso wenig ersichtlich. Sirch könnte sogar locker als Body-Double für Kaloc durchgehen.
Heuer trifft fasst nach einer Ecke, doch dann fällt das 1:1
Kurz darauf allerdings hätte Heuer ums Haar eine Ecke Ritters über die Linie des Gäste-Tores gedrückt. Nach dem mit Abstand gefährlichsten der insgesamt vier Eckstöße, die die Lautrer in diesem Spiel treten durften. Hatte Anfang Heuer vielleicht ins Spiel bringen wollen, um mehr Lufthoheit bei ruhenden Bällen zu schaffen? Abwegig war das nicht, denn auch dieses Spiel zeigte: Ohne Boris Tomiak, der den Klub in der Winterpause verlassen hat, und Ragnar Ache, der bis zur 77. Minute auf der Bank saß, verliert der FCK bei Flugbällen nach Ecken und Freistößen erheblich an Durchschlagskraft. Aber warum dann nicht gleich Ache bringen?
Ab der 79. Minute waren solche Überlegungen dann obsolet. Münster erzielte den Ausgleich. Die neu formierte FCK-Abwehr - die Augsburger Leihgabe Maxi Bauer feierte ihr Debüt in der Dreier-Abwehrkette - ließ sich viel zu leicht ausspielen. Der eingewechselte Charalambos Makridis spielte den aufrückenden David Kinsombi sauber in der Strafraummitte an, der ließ Julian Krahl keine Chance.
Und am Ende war doch alles richtig
Der so lange herbeigesehnte Ache stand da bereits auf dem Platz, mit Wintereinkauf Faride Alidou sogar noch ein weiterer frischer Stürmer. Dennoch deuteten die Angriffsbemühungen in den Minuten danach kaum darauf hin, dass der FCK das Spiel unter allen Umständen noch auf seine Seite ziehen wollte.
Bis am Ende das 2:1 fiel.
Erzielt von eben jenem Luca Sirch, den der Trainer in der 70. Minute weiter nach vorn beordert hatte. Vorbereitet von Ache, der einen langen Ball von Sechser Leon Robinson verlängerte. Und Alidou, der Sirch ein kongenialer Doppelpass-Partner war.
Der Trainer hatte mit seinen Wechseln also alles richtig gemacht.
Okay: Zu behaupten, dass er das genau so geplant hat, wäre wohl zu viel der Verklärung. Ein bisschen Glück gehört eben dazu, immer. Und manchmal noch ein bisschen mehr Glück. Denn so fair muss man sein: Ein Remis wäre "leistungsgerecht" im besten Sinne gewesen. Eine Einschätzung, an der die Gäste sogar eher Anstoß nehmen könnten als die Hausherren.
Hälfte 1: "Einschläfernde" Pfälzer gegen hellwache Preußen
Vorausgegangen war eine erste Hälfte, die selbst Markus Anfang als "einschläfernd" bezeichnete. Was allerdings nur aus FCK-Sicht zutrifft. Die Preußen nämlich präsentierten sich höchst aufgeweckt. Hatten wie erwartet nicht viel Ballbesitz, machten aus diesem weniger aber ungleich mehr.
Vor allem der erst vor wenigen Tagen verpflichtete Ex-Lautrer Florian Pick sorgte in der Sturmspitze für viel Betrieb. Zwang Krahl zunächst zu einer gedankenschnellen Fußabwehr, kurz darauf zu einem höchst riskanten Bodeneinsatz, bei dem der Keeper dem Stürmer gerade noch den Ball vom Fuß spitzeln konnte.
Münster stark umgekrempelt, aber stabil
Überhaupt hatte der gebürtige Lautrer Sascha Hildmann sein Team für dieses Gastspiel umfassend neugeordnet, obwohl es nur eine Woche zuvor bei den heimstarken Hannoveranern gepunktet hatte. Dabei war nur ein Teil der Wechsel gezwungenermaßen erfolgt.
So fehlten Top-Scorer Joshua Mees und Keeper Johannes Schenk erkrankt, der linke Außenbahnspieler Mikkel Kirkeskov aus privaten Gründen. Obendrein setzte Hildmann seine Offensivkräfte András Nemeth und Makridis auf die Bank. Für den einen stürmte Pick. Für den anderen agierte Daniel Kyerewaa aus einer zurückgezogeneren Position. So ergab sich bei den Gästen eine 5-3-2 Formation, die sich als äußerst stabil erwies und vor allem durchs Zentrum kaum etwas zuließ.
Lautern mit Zimmer und Bauer, Robinson wieder auf der Sechs
Bei den Roten Teufeln ersetzte wie erwartet Jean Zimmer den gesperrten Jan Gyamerah. Der klebte wesentlich mehr an der rechten Außenbahn als der Deutsch-Ghanaer normalerweise. Rückte, ebenso wie sein Gegenüber Wekesser, bei Ballbesitz weit vor, bis zur Abseitslinie. Und setzte so bereits in der 3. Minute ein erstes Ausrufezeichen, als er sich einen langen Ball von Sirch hinter die Abwehrreihe der Münsteraner erlief. Mit zunehmender Spieldauer kam dieses Stilmittel jedoch zunehmend weniger zum Tragen.
Neuzugang Bauer gab ein ingesamt ordentliches Debüt. Hatte allerdings nichts zu tun, was grundlegend neu für ihn war. Auch in Augsburg wird mit Dreierkette gespielt. Bauer switchte mit Sirch gelegentlich zwischen linker und zentraler Abwehrposition, als Heuer kam, blieb er in der Mitte. Auf der Sechs zog Anfang erneut Leon Robinson Afeez Aremu vor. Der 23-Jährige leistete sich diesmal weniger Ballverluste als bei seinem ersten Einsatz auf dieser Position vor zwei Wochen gegen den SSV Ulm. Und bestätigte: Er wächst mehr und mehr rein in die Mannschaft.
Wieder mal täuscht der Eindruck: Der FCK hat’s im Griff
Was sonst noch auffiel? Wie schon vor Wochenfrist in Fürth kassierte der FCK einen Ausgleichstreffer, als er das Spiel gefühlt besser im Griff zu haben als zuvor. Nach der 1:0-Führung hatte Daisuke Yokota endlich die Auf- und Antritte, die man zuvor vermisst hatte. Ritter agierte zurückgezogener und half Robinson beim Ordnen. Das 1:1 fiel dennoch.
Und wie schon beim 2:1 gegen Ulm waren es die einfachen Aktionen, die am Ende doch den Erfolg bescherten. Oder zumindest einleiteten. Denn auch dem Führungstreffer Ritters ging ein langer Ball Sirchs voraus. Der zunächst abgewehrt, aber sofort wieder gesichert wurde.
MR7: Genau geguckt und noch genauer getroffen
Auch nach zwei geblockten Schussversuchen blieb die Anfangself im Ballbesitz. Wekesser war's dann, der den halblinks im Strafraum lauernden Ritter erspähte und anspielte. Und wie der dann die Schussbahn zwischen zahlreichen Freundes- und Feindesbeinen hindurch ins lange Eck erspähte und das Leder pfeilgrad auf dieser entlang ins Netz schob - okay, mit Begriffen wie "Geniestreich" ist man generell zu leicht bei der Hand. Sagen wir lieber: Das können in dieser Liga nicht viele.
Fassen wir zusammen: Das Tabellenbild mag die Roten Teufel aktuell als Top-Team ausweisen, doch lässt es sich nicht leugnen: Diesen dritten Sieg in Folge haben sie abermals nicht mit dem fußballerischen Ansatz eingefahren, den ihr Trainer eigentlich propagiert, also feines Passspiel und Agieren-statt-Reagieren. Am Ende waren's auch diesmal wieder der lange Ball, das Ausspielen individueller Klasse in den entscheidenden Momenten - und ein bisschen Glück. Oder auch ein bisschen mehr Glück.
Was aber nicht miesmacherisch klingen soll. Die anderen Teams, die in der Tabelle dieser Liga oben stehen, gewinnen ihre Spiele auch nicht anders. Doch mit den Erfolgen wächst die Selbstsicherheit - und mit der gehen auch die technischen Feinheiten besser von der Hand, beziehungsweise vom Fuß. Eine gut gepflegte Spielfläche tut ein Übriges, und auch da passiert jetzt was. Bis zum nächsten Heimspiel gegen Hannover wird der Rasen ausgetauscht. Es lässt sich also noch auf Einiges hoffen in dieser Saison.
Zur Roten Karte des Trainers nach dem Abpfiff enthalten wir uns lieber eines Kommentars. Rot wegen zu expressiver Körpersprache? Echt jetzt … Beim kommenden Auswärtsspiel in Berlin wird Anfang jedenfalls in der Kabine fehlen und von seinen Assistenten Florian Junge und Niklas Martin ersetzt werden.
Kommen wir zu den Grafiken. Ja, der xG-Timeline zufolge wäre für die Gäste sogar mehr drin gewesen als ein "leistungsrechtes Unentschieden". Weiter oben ist beschrieben, weshalb.
Die Positions- und Passgrafik der Roten Teufel: Zeigt unter anderem, dass es nicht ganz korrekt ist, die FCK-Formation im 3-4-3-Schema darzustellen, es ist eher sowas wie ein 3-1-4-2. Yokota ist eher zum zweiten Stürmer mutiert.
Zum Vergleich die Passmap der Münsteraner: Ja, das sind schon sehr dünne Linien. Umso erstaunlicher, was die Gäste an Tor-Aktionen generierten.
Der Überblick über die geführten Duelle: Interessant, wieviel der FCK bei den Preußen halblinks im Strafraum bewegte. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass MR7 von dort das 1:0 erzielte.
Und zum Schluss noch unsere beliebte Rubrik "Wer mit wem", beziehungsweise der Überblick über die Passkombinationen. Stark, wie Bauer bereits ins Spiel integriert war. Und er spielte nicht nur Sicherheitspässe auf seinen Nebenmann Sirch, sondern auch viel zu seine Vorderleuten Wekesser und Kaloc.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage