Nicht viel hat dem 1. FC Kaiserslautern gefehlt, um am Ende strahlend aus dem Saarbrücker Ludwigspark nach Hause zu fahren. Doch ein ehemaliger Lautrer verhindert die unbeschwerte Freude. Zu einem waschechten Derby-Sieg fehlte ohnehin ein ganz entscheidender Faktor.
- Fotogalerie | 13. Spieltag: 1. FC Saarbrücken - 1. FC Kaiserslautern
Das erste Saar-Pfalz-Derby seit über 20 Jahren. Noch dazu mit übermütigen Saarbrücker Fans, die durch die überraschende Tabellenführung ihrer Mannschaft nach zwölf Spieltagen es den alten Pfälzer Rivalen mal so richtig zeigen wollten. Und ein FCK, der nach dem ersten Last-Minute-Heimsieg der Saison über Lübeck nichts lieber tun würde, als den ungeliebten Nachbarn zu besiegen und drei Punkte dahin zu entführen, wo sie hingehören: In die Barbarossastadt.
Doch das alles konnte nicht so seine Wirkung entfalten, wie es angemessen gewesen wäre. Denn natürlich fand auch dieses Spiel ohne Zuschauer statt. Und so konnten keine rot-weißen Schlachtenbummler den für Drittliga-Verhältnisse durchaus schmucken, frisch umgebauten Ludwigspark beleben, der nach langer Bauphase auch über einen relativ großen Gästeblock verfügt. Etliche blau-schwarz-gelbe Zaunfahnen hatten sich ins weite Rund verirrt, eher unüblich, wenn man sich die Geisterspiele bei den meisten anderen Vereinen anschaut - nur der Platz direkt hinter dem Tor, wo vermutlich zukünftig die Saarbrücker Ultras stehen werden, blieb leer. Und immerhin ein paar vereinzelte Fans hatten sich rund ums Stadion eingefunden, mindestens einer davon auch mit einer FCK-Fahne bewaffnet, um zumindest in Gedanken die Roten Teufel zu unterstützen und durch die Bäume ein paar Blicke ins Stadion zu erhaschen. Nach Spielbeginn waren ein paar kleinere Böller zu hören, ansonsten blieb es aber erwartet ruhig, wofür auch eine für Geisterspiele selten hohe Polizeipräsenz vor dem Ludwigspark sorgte. Ungewohnt während Corona: Auch im Stadion war eine locker dreistellige Zahl an Zuschauern anwesend, die sich zumindest zum Spielende hin auch mehrfach mit dem klassischen "Saar-brü-cken, Saar-brü-cken" bemerkbar machten. Aus Kaiserslautern waren die Funktionäre Markus Merk, Rainer Keßler, Soeren Oliver Voigt, Wolfgang Erfurt sowie Investor Axel Kemmler mitgefahren.
Die Anfangsphase macht Angst, doch dann fangen sich die Teufel
Jeff Saibene musste seine Roten Teufel in der Defensive umstellen, weil nicht nur Außenverteidiger Philipp Hercher ausfiel, sondern auch seine erste Alternative, Kapitän Carlo Sickinger, nicht rechtzeitig fit wurde. So entschied sich Saibene für den 34 Jahre alten Routinier André Hainault, die Innenverteidigung bekleidete erneut Janik Bachmann gemeinsam mit Kevin Kraus. Doch diese Umstellung merkte man den Männern in Rot an. Besonders über die rechte Seite mit Hainault war der FCK am Anfang vogelwild. In der vierten Minute kann der erneut bockstark verteidigende Janik Bachmann mit einer Grätsche nur in letzter Sekunde vermutlich den 0:1-Rückstand verhindern. In der achten Minute startet erst Tobias Jänicke unbedrängt durch, fünf Minuten später Sebastian Jacob. Beide Male herrscht im Lautrer Strafraum heilloses Durcheinander, nur mit Glück und der Mithilfe von Avdo Spahic, kann die Saarbrücker Führung verhindert werden.
Was sollte das nur werden. Doch der FCK stabilisierte sich. Nachdem Marlon Ritter in der 18. Minute für einen ersten Torabschluss sorgte, kamen die Gäste besser in die Partie, sie bekamen mehr Zutrauen. Und so wurde auch die Saarbrücker Bank angespannter, Trainer Lukas Kwasniok immer unzufriedener. Im heimischen Wohnzimmer einer Kaiserslauterer Wohnung ist man sich lauthals einig: "Alla, es geht doch. Was hannse dann ned glei so ogefang?" Interessant: In der 39. Minute wechselt Kwasniok aus, bringt den ehemaligen FCK'ler Maurice Deville für den sichtlich angefressenen Kianz Froese. Hätte er es mal nicht getan.
Dick-Gedächtnis-Einwurf bringt die Führung - Spahics Rote Karte als Wende
Und die Roten Teufel kamen mit mehr Selbstvertrauen aus der Kabine. Vor allem über Hikmet Ciftci ging jetzt öfter einmal auch etwas nach vorne. Gegen Lübeck noch mit einem schlechteren Tag, zeigte der deutsch-türke heute einmal mehr, warum er für das FCK-Spiel so wichtig ist. Und in der 59. Minute ließ jener Ciftci sogar alte Erinnerungen wach werden: Mit einem langen Einwurf Marke Flo Dick beförderte der 22-Jährige das Leder in den Strafraum, wo der Saarbrücker Kapitän Zeitz den Ball auf Kenny Prince Redondo verlängerte. Der ließ sich das nicht zweimal sagen und köpfte den Ball zur Lautrer Führung in die Maschen.
Sollte es doch was werden mit dem Derbysieg? Mit dem zweiten Liga-Erfolg in Serie? Lange sah es nach der Überraschung aus, an die viele hadernde Fans vor dem Spiel nicht wirklich geglaubt hatten. Doch in der 69. Minute erschwerte eine unbedachte Aktion von Avdo Spahic diese Mission. Der Keeper lief nicht unbedingt notwendigerweise aus seinem Kasten, dem heran eilenden Jänicke entgegen. Dessen Ball wollte er mit dem Kopf klären, berührte ihn aber mit dem Oberarm. Problem: Er war knapp außerhalb des Strafraumes. Spahic sah zu Recht die Rote Karte, der FCK musste fast eine halbe Stunde in Unterzahl auskommen. Der 21 Jahre alte Matheo Raab kam zu seinem Liga-Debüt.
Und Raab musste gleich zur Tat schreiten, als es galt, den fälligen Freistoß zu entschärfen. Das tat er mit Bravour, er wirkte ruhig, nicht aufgeregt. Doch der FCS warf jetzt natürlich alles nach vorne. Chance um Chance erspielten sich die Saarländer, doch die Uhr tickte herunter. Was wäre das für ein geiler Derby-Sieg: schlecht begonnen, Führung trotzdem erzielt und am Ende in Unterzahl den Sieg erkämpft. Mann, wenn jetzt nur Fans da wären.
Ausgerechnet Deville: Der FCK muss abermals mit einem Punkt leben
Doch dann kam Deville. Der Stürmer, zwischen 2015 und 2017 in 17 Zweitliga-Spielen für die Roten Teufel am Ball, danach unter anderem beim verhassten Rivalen aus der Ludwigshafener Nachbarschaft, wird von Mannschaftskollege Jänicke mustergültig per Flanke bedient und köpft am Ende recht unbedrängt doch noch zum 1:1-Ausgleich ein. Ausgerechnet.
Doch bei aller Enttäuschung über das späte Gegentor: Nach dem Spielverlauf muss man mit dem Punkt heute leben. Der Mannschaft kann man keinen großen Vorwurf machen. Wie sie insbesondere in der zweiten Halbzeit und nach der Roten Karte gefightet hat, das war schon derby-like. Doch zum Derby-Sieg fehlten eben ein paar wenige Minuten. Vor allem aber die abertausenden von Fans, die dieses Spektakel heute gesehen hätten. Denn sind wir ehrlich: Ein Derby ohne Fans, das ist eigentlich auch kein Derby. Knüpft die Saibene-Elf aber an die heutige Leistung an, muss ihr vor krisengebeutelten Zebras kommenden Samstag nicht bange sein. Dort muss es dann mit dem nächsten Heim-Dreier klappen. Denn in der Tabelle sind es trotz der steigenden Tendenz immer noch viel zu wenige Punkte.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993
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