Hall of Fame: Horst Eckel

Der Windhund vom Betzenberg

Der Windhund vom Betzenberg

Weltmeister Horst Eckel nach dem WM-Finale 1954 in Bern; Foto: Imago/Pressefoto Baumann

Windhund, Benjamin, Held von Bern: Horst Eckel trägt viele Spitznamen. Wir verneigen uns zu seinem 85. Geburtstag vor einer Lautrer Legende.

Er stand lange Zeit etwas im Schatten der anderen. Dabei war Horst Eckel genauso Weltmeister und Deutscher Meister wie seine Kollegen, absolvierte 1954 sogar als einziger Spieler neben Fritz Walter alle sechs WM-Partien. Im Finale schaltete er Nándor Hidegkuti aus, den Kopf der ungarischen Wunderelf.

Eckel wurde zwar immer geschätzt und verehrt, aber in der Öffentlichkeit standen eher Fritz und Ottmar Walter, Helmut Rahn, Trainer Sepp Herberger und Co. im Mittelpunkt. "Ich musste als Jüngster immer hintenan stehen. Das war einfach klar", resümierte Horst Eckel kürzlich wie selbstverständlich in der Reportage "Für immer ein Held von Bern" von SWR-Filmemacher Jürgen Schmidt.

Das hat sich in den letzten 15 Jahren rapide geändert. Die Walter-Brüder sind ebenso wie Rahn und fast alle anderen 54er-Weltmeister verstorben. Horst Eckel hingegen, der "Benjamin" der Waltermannschaft und neben Hans Schäfer noch einziger lebender Held von Bern, wirkt auch mit 85 Jahren noch lebendig wie eh und je. Hintenan stehen muss er schon lange nicht mehr. Spätestens seit er für Sönke Wortmanns 2004 erschienenen Kultfilm "Das Wunder von Bern" als Berater tätig war, ist Eckel in den Medien präsent wie nie zuvor.

Horst Eckel im Jahr 2014
Horst Eckel im Jahr 2014; Foto: Die Bildermacherei Cuxhaven, Kerstin Tietje / CC

Aus Vogelbach in die ganz große Fußballwelt

Horst Eckel verbrachte sein ganzes Leben in Vogelbach (heute ein Ortsteil von Bruchmühlbach-Miesau), wo er schon mit 15 Jahren per Sondergenehmigung in der ersten Mannschaft spielen durfte. Der Betzenberg in Kaiserslautern schien damals noch viel weiter entfernt als nur 30 Kilometer: "Da bin ich mit dem Fahrrad hingefahren. Weil ich zu dieser Zeit kein Geld hatte, habe ich anstatt Eintritt zu zahlen versucht, durch den Zaun hinein zu kommen."

Mit 17 Jahren war es dann doch so weit und Eckel wechselte zum großen 1. FC Kaiserslautern. In Johannes Ehrmanns Buch "Wenn der Betze bebt" erinnert er sich: "Was die Jungs technisch drauf hatten, erschien mir unerreichbar. Beim Trainingsspiel merkte ich dann aber, dass ich wenigstens in puncto Kondition, Wendigkeit und Spielverständnis ganz gut mithalten konnte." Eckel hatte aufgrund dieser Stärken bald den Spitznamen "Windhund" weg, konnte sich obwohl "dürr wie eine Spindel" (Sepp Herberger) schnell durchsetzen. Schelmisch blickt er zurück: "Den meisten Zweikämpfen ging ich durch meine Schnelligkeit aus dem Weg, und wenn es doch mal hart auf hart ging, dann hatte ich ja spitze Ellbogen und Knie, um mich zu wehren..."

Obwohl der Fußball und die Waltermannschaft schon damals die Massen bewegten, war Eckels Gehalt aus heutiger Sicht unvorstellbar niedrig: Vom FCK bekam er 320,- D-Mark pro Monat, arbeitete täglich beim Nähmaschinenhersteller Pfaff für weitere 300,- Mark. Eckel: "Man war froh, dass man eine Stelle bekommen hat und lernen konnte. Das war sehr wichtig."

Zwei Mal Deutscher Meister mit dem FCK

Relativ schnell wurde Horst Eckel auf dem Fußballplatz zu einem der wichtigsten Partner von Fritz Walter. Ein Jugendtraum, aus dem später sogar eine Vater-Sohn-Beziehung werden sollte: "Fritz Walter war das große Idol für mich."

In der großen FCK-Chronik von Dominic Bold heißt es: "Der klassische Helfer ohne eigene Ambitionen ist [Eckel] allerdings nie. Einmal am Ball, gibt er ihn nur ungern wieder ab. Oft rennt er drauflos und verheddert sich zum Ärger seiner Kollegen in der gegnerischen Abwehr." An Selbstbewusstsein mangelte es dem "Benjamin" im Team nie, wie sich einst auch Ottmar Walter (†) schmunzelnd erinnerte: "Manchmal hatte er schon ein loses Mundwerk gehabt."

Auf Anweisung von Bundestrainer Sepp Herberger wurde Eckel beim FCK zum rechten Läufer umgeschult. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Sieg um Sieg wurde gefeiert. Mit 19 Jahren wurde Horst Eckel Deutscher Meister 1951 gegen Preußen Münster (2:1). Mit 21 Jahren Deutscher Meister 1953 gegen den VfB Stuttgart (4:1). Zusammen mit Fritz und Ottmar Walter, Werner Kohlmeyer, Werner Liebrich und all den anderen. Zehntausende bejubelten die Roten Teufel damals in den Stadien und auf den Straßen.

Bester Nebendarsteller beim Wunder von Bern

Und natürlich die Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz. Die deutsche Sport-Legende überhaupt. Im Finale standen sich die Kapitäne Fritz Walter (Deutschland) und Ferenc Puskás (Ungarn) gegenüber, was man aus heutiger Sicht vielleicht mit Lionel Messi gegen Cristiano Ronaldo vergleichen könnte. Helmut Rahn schoss die DFB-Elf bekanntermaßen mit zwei Treffern zum sensationellen 3:2-Sieg. Doch der Oscar für den besten Nebendarsteller des Endspiels ging an den 22-jährigen Horst Eckel, den Windhund, den Bundestrainer Herberger vor dem Spiel wie folgt aus seine Schlüsselrolle einstimmte: "Nicht Puskás ist der Kopf der Ungarn. Der Kopf ist, wie wir wissen, Hidegkuti! Sie, Horst, werden gegen ihn spielen. Sie werden ihm bis aufs Klo folgen. Ich möchte, dass er nachts von ihnen träumt."

Der Rest ist Geschichte. Mit seinen Teamkollegen wurde Horst Eckel zum "Helden von Bern", der eigentlich gar nicht "Held" genannt werden möchte. Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen jubelten den deutschen Weltmeistern bei der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland zu.

Denkmal der 54er-Weltmeister mit Horst Eckel
Denkmal der 54er-Weltmeister mit Horst Eckel; Foto: kandschwar / CC

Die Geschichten von damals klingen heute wie aus einer anderen Zeit – vielleicht einer besseren Zeit. Horst Eckel brachte vor einigen Jahren im Interview mit Jens Vollmer vom Magazin Insider mit einer kleinen Geschichte die ganze Größe der damaligen FCK-Spieler auf den Punkt: "Wir spielten gegen Preston North End und nach dem Spiel baten mich die Vereinsoberen zum Gespräch. Ich hörte mir alles an und sagte dann ab. Was sollte ich als junger Mann in England? Von dem Angebot hätte ich damals halb Vogelbach kaufen können (150.000 Mark Einmalzahlung und 6.000 Mark im Monat, die Red.). Fritz (350.000 Mark und 10.000 im Monat) und Ottmar hatten damals noch bessere Angebote. Aber Fritz blieb und so blieben wir alle. In Kaiserslautern verdiente ich damals 320 Mark. Ich weiß, das versteht heute niemand, dass ich nicht gewechselt habe. Aber ich hätte sogar Geld gezahlt, um in Kaiserslautern spielen zu dürfen."

Sportlehrer, Hotelier, Gefängnisbotschafter – und Idol der Fans

Es sind nicht diese Worte, sondern vor allem diese Taten, die Horst Eckel auch mehr als 60 Jahre nach seinen großen Fußball-Tagen zu einem Idol gemacht haben. Finanziell ausgesorgt hatte er nach seinem Karriereende aber folgerichtig nicht. Nach 213 Punktspielen (und 247 Partien insgesamt) für den 1. FC Kaiserslautern wechselte der "Windhund" im Jahr 1960 mit nur 28 Jahren zum drittklassigen SV Röchling Völklingen und war fortan nur noch Amateurfußballer. Er studierte an der Uni Trier, wurde Sportlehrer in Völklingen und später in Kusel, eröffnete mit seiner Frau Hannelore ein Sporthotel in Morbach. Sein Fußballruhm brachte ihm zwar Möglichkeiten, aber gestalten musste er sie selbst wie jeder andere. Eine harte Zeit, wie Eckel rückblickend einräumt: "Meine Frau hatte zeitweise auch Existenzängste."

Dem Fußball blieb er über all die Jahrzehnte immer erhalten, war zusammen mit seinen Weltmeister-Kollegen regelmäßiger Gast auf dem Betzenberg, feierte als Zuschauer die großen Erfolge der späteren Generationen, spielte in der FCK-Traditionsmannschaft und der Lotto-Elf. Von Fritz Walter übernahm er einst die Aufgabe des Gefängnisbotschafters, der jugendliche Straftäter besucht und so zu deren Resozialisierung beiträgt. Für Eckel auch heute mit 85 Jahren noch mehr als eine Pflichtaufgabe: "Dass ich mal in die Fußstapfen von Fritz Walter trete, das war und ist für mich eine ganz große Ehre." In dem neuen SWR-Film sieht man, wie ein jugendlicher Strafgefangener – vermutlich ein harter Bursche – demütig auf Horst Eckel zugeht und ihn mit nur einem Wort begrüßt: "Respekt!"

Choreographie in der Westkurve
Choreographie in der Westkurve im Februar 2007

Auch von den Fans des 1. FC Kaiserslautern wird der letzte verbliebene 54er-Weltmeister natürlich in höchstem Maße verehrt. Bei jedem Heimspiel betreten viele von ihnen die Westkurve durch das "Horst-Eckel-Tor", vor dem auch das Denkmal von Eckel und den anderen vier Weltmeistern steht. Zu seinem 75. Geburtstag vor zehn Jahren gab es eine große Choreographie in der Westkurve: "Herzlichen Glückwunsch, Windhund!"

Horst Eckels Geburtstagswunsch: "Noch einmal erste Liga"

Heute treibt der lange Zeit multi-aktive Horst Eckel nur noch wenig Sport. Das Alter. Aber das Fußballgeschehen auf dem Betzenberg und darüber hinaus verfolgt er noch ganz genau. Im Interview mit Kicker-Chefredakteur Jean-Julien Beer sagte er vor einigen Tagen: "Es wäre für mich eine ganz große Sache, wenn ich mal wieder auf den Betze gehen könnte und der FCK spielt in der ersten Bundesliga."

Für sich selbst wünscht er sich natürlich vor allem Gesundheit und bedauert, dass er nicht mehr mit seinen Mannschaftskameraden von früher philosophieren kann. Alle Fans, ob jung oder alt, können derweil auch heute nicht oft genug die Geschichten aus den 50er Jahren hören. "Die Leute wissen das noch, dass ich Weltmeister geworden bin. Das macht mich stolz", zieht Horst Eckel mit leuchtenden Augen eine Bilanz, sagt aber auch: "Ich bin ein ganz normaler Mensch geblieben. Und so möchte ich auch behandelt und angesprochen werden."

Lieber Horst Eckel, wir wünschen Dir alles Gute zu Deinem 85. Geburtstag und noch ein langes, glückliches Leben. Deine Fans!

Wer das Horst-Eckel-Porträt am Sonntag im SWR verpasst hat, kann es sich in der Mediathek oder direkt hier noch mal anschauen:

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas Hilmes

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