Spielbericht: Darmstadt 98 – 1. FC Kaiserslautern 3:2

Sekt oder Selters

Sekt oder Selters


Endspurt der Zweitligasaison 2014/15. Zahlreiche Fans der Roten Teufel lockt der süße Geschmack vom Aufstieg erstmalig nach Darmstadt. Doch am Ende herrscht Katerstimmung. DBB-Autor Toco schreibt gegen den dumpfen Schmerz.

- Fanfotos: Darmstadt 98 - 1. FC Kaiserslautern
- Spielfotos: Darmstadt 98 - 1. FC Kaiserslautern

Wäre die zweite Liga eine Bar, handelte es sich wohl um die rustikale Kaschemme, in der man sicher sein kann, dass man zu jeder Zeit einen Platz bekommt, auch wenn die Stammkneipe wegen Überfüllung geschlossen ist. Die Möbel knarzen, die Musik läuft haarscharf am eigenen Geschmack vorbei und veraltete Werbemittel zeugen von Szenegetränken, die schon länger nicht mehr ausgeschenkt werden oder inzwischen wieder beliebter sind. Ab und zu schmeißt ein Neureicher anbiedernd eine Runde. Die anderen Gäste sind mehr oder weniger interessant, manche Gespräche drehen sich um alte, glorreiche Zeiten, andere um aktuelle, prekäre Zustände und mit jedem Funken Nüchternheit kommt man nicht daran vorbei, zu fragen, wer man ist und was man hier macht. Je dringlicher die Fragen, um so klarer wird, dass man hier fehl am Platz ist und sein Heil in Richtung Stammkneipe sucht. Man sammelt die Kräfte, hebt das Glas und ringt um die Worte, um Abschied zu nehmen.

Mit einem Schoppen Schorle stehen die Roten Teufel nach dem erfolgreichen Auswärtserlebnis gegen Bochum am sonnendurchfluteten Böllenfalltor. Samstags. Um 13:00 Uhr. Das ist falsch und diese Situation gilt es zu ändern. Der Aufstieg in die erste Liga ist greifbar. Lautern steht vor dem Duell gegen einen unerwarteten Verfolger auf Tabellenplatz 2. Mit 16.150 Zuschauern, darunter 2.500 aus oder wegen Kaiserslautern, ist das Stadion ausverkauft. Aber mit dem Einlaufen der Mannschaften winken auch die Lilien-Fans unmissverständlich in Richtung Wirt: „Dieser Dorscht...“ zeugt auf blau-weißem-Banner vom süßen Durst der Heiner auf noch mehr. Die Fortsetzung einer Choreo aus dem vergangenen Aufstiegsjahr. Dank der Frenetic Youth strahlt auch der Gästeblock gleichzeitig noch einen Tick mehr rot, bzw. burgundrot. Hunderte Fahnen flankieren das „Mir sin die Tramps vun de Palz“. Eine sehenswerte Einlage beider Fanlager. Der Stimmungskern um die Generation Luzifer strahlte dieses Mal in hellem weiß: Die Auswärtsfahrt widmeten sie den Stadionverbotlern, ein „Gegen alle Stadionverbote“-Aufdruck zierte die Shirts und den Zaun.

FCK-Trainer Kosta Runjaic wechselte an alter Wirkungsstätte auf drei Positionen. Simon Zoller, dessen Einsatz bis kurz vor Schluss fraglich war, wurde auf der Bank zunächst geschont. An seiner Seite auch André Fomitschow und etwas überraschend Karim Matmour. Dafür spielten Philipp Hofmann, Markus Karl und der frischgebackene Vater Chris Löwe von Beginn an gegen die Elf von Dirk Schuster. Der Anfang gestaltete sich als offener Schlagabtausch, bei dem die Lilien Kontergefahr ausstrahlten, die Roten Teufel allerdings mehr und mehr das Heft in die Hand nahmen. In der 13. Spielminute zauberte Kerem Demirbay vor dem Gästeblock seinen Eckball in die Maschen der Darmstädter. In den ohnehin schon recht aktiven rot-weiß-roten Fanblock kam noch mehr Bewegung rein und Unbeschwertheit brach sich Bahn. Führung in der Fremde, das hatte zuletzt ja auch in Bochum funktioniert. Der süße Durst wurde stärker.

Doch nur vier Minuten später spuckte Schiedsrichter Wolfgang Stark ins Getränk der Pfälzer. Eine rustikale Abwehr von Marius Müller an der Strafraumgrenze, bei Angriff des Darmstädters Marcel Heller, ließ der in der Nähe stehende Referee zunächst weiterlaufen. Ein Signal des Kollegen von der Seitenlinie, nennen wir ihn „Lilienrichter“, brachte Stark dann aber doch dazu, einen Elfmeter zu pfeifen. Die fragwürdigen Entscheidungen gegen den 1. FC Kaiserslautern häufen sich in letzter Zeit. Nach Aalen und Düsseldorf verwandelte der Gegner, dieses mal Romain Bregerie, zum dritten mal mit Beihilfe der Unparteiischen vom Elfmeterpunkt. Ausgleich in der 19. Minute. Eigentlich noch genug Zeit für den FCK, die Verhältnisse wieder geradezurücken, aber diese Entscheidung hemmte sichtlich das Spiel der jungen Gäste. Die Lilien dagegen nahmen Fahrt auf, erarbeiten sich zwar nur wenige Chancen, die sie allerdings auch nutzten. Nach weitem Pass aus der eigenen Hälfte überlisteten die Darmstädter fix die gegnerische Abwehr und erhöhten in der 22. Minute durch den Ex-Lautrer Ronny König auf 2:1. In der 40. Minute schlug Hanno Behrens, laut Gerüchteküche ein Roter Teufel der kommenden Saison, ein weitere Unkonzentriertheit bei Kaiserslautern nicht aus und netzte zum 3:1-Pausenstand ein.

Ernüchterung für die Gästefans, die wie der Heimanhang allerdings in Scharen Richtung Getränkestand zogen und (nicht nur) gegen die frühlingshaften Temperaturen antranken. Auf beiden Seiten war auch klar, welches Getränk nicht über den Tresen gereicht werden sollte: „Äppler statt RB“ bzw. „Schorle statt RB“ stand bei einer konzertierten Aktion beider Seiten zwischenzeitlich auf Bannern vor dem Gästeblock und dem aktiven Kern der Heimfans. Dabei geht es um so viel mehr, als nur um eine Frage des Geschmacks.

Und um so viel mehr, als nur drei Punkte, ging es in dieser Partie. Deshalb taten sich auch viele FCK-Fans schwer damit, das Spiel abzuhaken und hofften auf entsprechende Konsequenzen vom Trainer und der Mannschaft.

Beinahe hätte die zweite Halbzeit mit dem 4:1 allerdings den Kater der Roten Teufel verstärkt. Ein Kopfball von Bregerie nach einer Ecke ging zum Glück nur an den Pfosten. Es sollte die letzte gute Szene der Lilien sein. Danach ging das Spiel stetig mehr in Richtung Tor von Darmstadt 98. Die Betzebuben erhöhten den Druck. Sie taten sich aber einmal mehr schwer damit, gegen einen tiefstehenden Gegner Torgelegenheiten zu kreieren. Sie waren nicht selten kurz davor, aber anstatt einfach mal aufs Tor zu halten und den unsicheren Keeper Christian Mathenia zu nerven, wurde zu oft ein besser positionierter Mitspieler gesucht und noch häufiger nicht gefunden. Es dauerte bis zur 88. Minute ehe Stöger mit einem direkten Freistoß – erneut per Standard – der Anschlusstreffer gelingt. Der Darmstädter Torwart sah dabei noch unglücklicher aus, als beim Führungstreffer durch Demirbay.

In der üppigen Nachspielzeit, auch eine Konsequenz aus der Fallsucht der Darmstädter, die jeden zweiten Körperkontakt mit ausgedehnten Liegeeinlagen quittierten, hatte der zwischenzeitlich eingewechselte Matmour den Ausgleich zwar auf dem Fuß, aber verpasste leider. Es blieb beim 2:3.

Kosta Runjaic ließ sich nach dem Abpfiff die Gelegenheit nicht nehmen und stellte den Referee zur Rede. Leidenschaftlich und unmissverständlich energisch sprach der Trainer der Roten Teufel auf Stark ein. Er hatte allen Grund dazu. Doch das Spiel war ja schon abgepfiffen. Erschöpft standen die Betzebuben auf dem Rasen. Sprachlosigkeit und etwas Irritation herrschten im Gästeblock. Gute Laune dagegen bei den enthusiastisch feiernden Lilien.

Doch je länger der Abpfiff zurückliegt, umso mehr verstärkt sich die trotzige Erkenntnis: Der FCK spielt weiterhin voll um den Aufstieg mit! Zwar hat man die Vorentscheidung verpasst, aber es stehen noch zwei Heimspiele und ein Auswärtsspiel an. Lautern ist immer noch Zweiter, auch dank des Doppelpacks von FCK-Leihspieler Stefan Mugosa am Sonntag (3:1 für Aue gegen Karlsruhe). Und in einer Woche nehmen sich die Verfolger gegenseitig die Punkte weg.

Der Kater vergeht, der Sonnenbrand heilt ab. Alles oder Nichts. Das war nicht das letzte Sechs-Punkte-Spiel in dieser Saison. Hebt ein neues Glas mit erfrischender Rieslingschorle, und nur Mut. Spätestens am 34. Spieltag fallen uns schon die passenden Worte ein. Wir wollen wieder in die Stammkneipe. Wir wollen wieder in die erste Liga!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Toco

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