Spielbericht: Bayer Leverkusen – 1. FC Kaiserslautern 2:0 n.V.

Hundert Minuten träumen

Hundert Minuten träumen


Es hat nicht sollen sein. Trotz tollem Kampf konnte der FCK die Sensation aus dem Vorjahr nicht wiederholen und musste sich in Leverkusen geschlagen geben. Für einen Kantersieg auf den Rängen sorgten hingegen die Lautrer Fans, die für ihre Leistung viel Applaus erhielten.

- Fotogalerie | Fanfotos: Bayer Leverkusen - 1. FC Kaiserslautern
- Fotogalerie | Spielfotos: Bayer Leverkusen - 1. FC Kaiserslautern

14,5 Millionen Euro. So viel Geld musste Bayer Leverkusen ausgeben, um den 1. FC Kaiserslautern schlagen zu können. Alleine die hinter dieser Summe steckende Ablöse für den vom HSV losgeeisten Zauberfuß Hakan Calhanoglu ist höher als das, was beim FCK alle Spieler zusammen verdienen. Und im Gegensatz zum Vorjahr, als die Roten Teufel nach 120 Minuten sensationell jubeln durften, war es diesmal eben jener Calhanoglu, der mit seinem Freistoßtor in der Verlängerung für den entscheidenden Moment zugunsten des Champions-League-Achtelfinalisten sorgte.

Mit einer Wiederholung der Sensation hatten vor dem Anpfiff wohl nur die Träumer unter den FCK-Fans ernsthaft gerechnet. Aber im Laufe dieses Dienstagabends begannen die über 5.000 mitgereisten Schlachtenbummler wieder alle zu träumen, zu hoffen, zu glauben und brüllten ihren sehnlichen Wunsch mit gewaltiger Lautstärke in den Leverkusener Nachthimmel: „Trotz der zweiten Liga, Deutscher Pokalsieger ...“

FCK-Trainer Kosta Runjaic hatte gegenüber dem Heimsieg gegen Fürth auf drei Positionen umgestellt: Im Tor bekam – wie im Pokal üblich – Ersatzkeeper Marius Müller eine Chance, hinten links gab André Fomitschow sein Startelfdebüt für den verletzten Chris Löwe, und in der Schaltzentrale kehrte der zuletzt kritisierte Kerem Demirbay zurück. Für den Türken musste überraschend Markus Karl auf der Bank Platz nehmen, ebenfalls zum ersten Mal in dieser Saison. Vom Auswärtssieg im letzten Jahr standen derweil nur noch drei Spieler in der Lautrer Startelf: Alexander Ring, Karim Matmour und Siegtorschütze Ruben Jenssen.

Angetrieben von Vorsänger Kempf und einer heutzutage leider selten gewordenen Eigendynamik im Gästeblock, der erneut für ein akustisches Heimspiel sorgte, legten die Roten Teufel fleißig und bemüht los. Die Erinnerung an die Sensation des Vorjahrs kam mehr als einmal hoch und ließ die Schlachtrufe der Fans jedes Mal noch einen Tick lauter werden: Der FCK spielte auf Augenhöhe mit einer der 16 besten Mannschaften Europas und kam vor allem in der Mitte des Spiels zu einigen guten Gelegenheiten (Zoller, Ring, Zimmer, Demirbay), während die Leverkusener sich immer wieder die Zähne an der kompakten Lautrer Defensive ausbissen. Die wenigen Schüsse aufs Tor parierte Marius Müller, der in der regulären Spielzeit – wie im Vorjahr auch sein Konkurrent Tobias Sippel – ein starker Rückhalt für seine Mitspieler war. Glück hatte die Werkself zudem, dass sie das Spiel mit elf Mann zu Ende bringen konnte, da Ömer Toprak und Emir Spahic auch nach ihren Verwarnungen weiter gelbwürdig draufgingen.

In der Verlängerung war die Runjaic-Elf dann aber platt und der Klassenunterschied wurde deutlicher sichtbar. Ehe Hakan Calhanoglu (aktueller Marktwert: 18 Millionen Euro) zum vorentscheidenden Freistoß antrat, hatte Karim Bellarabi (8 Millionen) schon die Latte getroffen. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob man bei drei Freistoßgegentoren in Folge noch von „alle unhaltbar“ sprechen kann, ob gegen den besten Schützen der Bundesliga ein weiterer Mann in die Mauer gehört hätte oder ob das vorangegangene Foul schon der entscheidende Fehler war. Calhanoglu knallte das Leder jedenfalls aus 26 Metern rein und beendete die gut hundert Minuten währenden Träume der FCK-Fans (102.). Dass danach noch Stefan Kießling (9 Millionen) mit seinem lange ersehnten Heimtor das Ergebnis nach oben schraubte (114.), blieb eine Randnotiz – Willi Orban und Marius Müller schenkten dem Ex-Nationalstürmer mit einem klassischen „Nimm du ihn, ich hab ihn sicher“ sein Erfolgserlebnis und diskutierten noch nach dem Abpfiff über ihren gemeinsamen Fehler.

Es hat nicht sollen sein. Der FCK kam der erneuten Sensation näher als gedacht, musste sich dann aber unter dem Strich doch verdient geschlagen geben und kann sich nun ganz auf die Liga konzentrieren. Das Pokalspiel beweist aber auch, wie schnell es im Fußball gehen kann: Während vor gerade mal zehn Tagen nach der desolaten Pleite in Frankfurt der Tenor noch lautete „So wird das nie was mit dem Aufstieg“, war nach dem verlorenen Pokalfight schon wieder „So steigt man auf“ zu hören. Das ist Fußball – jeder Gegner ist anders, jedes Spiel beginnt bei null.

Abschließend muss aber noch eines ganz besonders hervorgehoben werden: Der 1. FC Kaiserslautern hat an diesem Abend auch einen Kantersieg gelandet, und damit ist nicht der 4:0-Erfolg im leider wieder zeitgleichen Regionalliga-Derby gegen Waldhof Mannheim gemeint. Was die mitgereisten FCK-Fans in der Leverkusener Arena ablieferten, war allererste Sahne und sorgte für allgemeines Schwärmen. Brachiale Schlachtrufe, ekstatische Gesänge und beeindruckende Schalparaden machten das überzogene Materialverbot (nur Megaphone und Trommeln waren erlaubt) vergessen und sorgten für ein weiteres gefühltes Heimspiel – mit Abstand der beste Auftritt der FCK-Fans in dieser Saison. Beim aufmunterndem „You'll never walk alone“ nach dem Schlusspfiff schauten sich die erschöpften Spieler und die stolzen Fans minutenlang in die Augen. Der Norweger Ruben Jenssen, bisher nicht gerade als Kenner der Fanszene bekannt, brachte es via Twitter vielleicht am schönsten auf den Punkt: „Keine Wiederholung vom letzten Jahr. Schade! Aber eins ist klar: Wir haben viel bessere Fans als Leverkusen!“ Weitere ausgewählte Kommentare aus den Sozialen Netzwerken haben wir unten für Euch zusammengefasst.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Kommentare 41 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken