Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - 1860 München 3:0

Die Rückkehr der Roten Teufel

Die Rückkehr der Roten Teufel


So was hat man lange nicht gesehen, so schön, so schön? Allerdings! DBB-Autor Marky über den Sieg des FCK gegen die Münchner Löwen, der an Betzenberg-Zeiten erinnert, in denen die Gegner die Punkte noch per Post schicken wollten.

- Spielfotos: 1. FC Kaiserslautern - 1860 München
- Fanfotos: 1. FC Kaiserslautern - 1860 München

Viele FCK-Fans sind in den 90er Jahren sozialisiert worden, haben die DNA dieses Vereins mit ihrer eigenen verknüpft. Eine Sache nahm man quasi mit der Muttermilch auf: Am heimischen Betzenberg war der FCK nahezu unschlagbar. Das lag zum einen an der Enge des Stadions und seiner fanatischen Anhänger, zum anderen an der Spielweise der Pfälzer. Himmel und vor allem Hölle wurde in Bewegung gesetzt, um das Spiel siegreich zu gestalten. Kämpfen bis zum Umfallen war in dieser Epoche keine PR-Phrase. Selbst die Schiedsrichter verloren jegliches Pflicht- und Zeitgefühl.

In den Pressekonferenzen sagten Trainer oft Sätze wie: Man sei „selten so unterlegen mit einer Mannschaft gewesen wie heute auf dem Betzenberg. Lautern hat einen Riesendruck entwickelt, wir waren absolut chancenlos“. Doch diese Wörter stammen nicht aus den 90ern. Sie fielen an diesem Sonntag, dem 29. September 2013. Gesagt hat sie Friedhelm Funkel, Trainer von 1860 München, nach dem 0:3 seiner Mannschaft beim 1. FC Kaiserslautern.

Die Spiel-Statistik unterstreicht Funkels schonungslose Analyse: Lautern schoss 35 Mal aufs Tor - Saisonbestwert. Dazu flogen 21 Flanken in den Strafraum der Münchner Löwen. Das Ecken-Verhältnis 10:2. Über 80% der Pässe des FCK kamen zum Mann.

Kosta Runjaic, noch nicht mal zwei Wochen Trainer des FCK, drückt es so aus: „Das war eine sehr, sehr, sehr gute erste Halbzeit von uns und eine mindestens ebenso gute zweite Hälfte.“ Die Mannschaft habe teilweise aus einem Guss gespielt.

SWR-Reporter Bernd Schmitt sagt im „Flutlicht“-Bericht: „Es ist Jahre her, dass die Roten Teufel im Fritz-Walter-Stadion einen Gegner dermaßen auseinandergenommen haben.“ Und gesteht: „Ein solche Chancenfülle, eine solche spielerische Leistung, so viel beste Fußballunterhaltung von einem FCK-Team - mir fällt gar nicht mehr ein, wann es das zum letzten Mal gab.“

Auch in den Fan-Foren des FCK diskutieren die Anhänger, wann man das letzte Mal so ein dominantes Spiel vom eigenen Verein gesehen habe. Gegen Bayern (2:0) oder gegen Schalke (5:0)? Da spielte Kaiserslautern allerdings noch in der Bundesliga. Sogar vom „Dortmund-Style auf dem Betzenberg“ ist an diesem Sonntag die Rede.

Die Borussia aus Dortmund war der jüngste Gegner der „Sechzger“ im Pokal. Erst in der Verlängerung musste man sich geschlagen geben. Funkel, mit einem Sieg und einem Unentschieden bei den Münchnern nicht schlecht gestartet, rotierte Volz, Wannenwetsch und Adlung auf die Bank und brachte dafür Vallori, Tomasov und Friend. Doch das Spiel gegen den FCK verlief für 1860 von der ersten Minute an ähnlich wie gegen den Champions-League-Finalisten aus Dortmund. Der Gegner war drückend überlegen. Ja, zur Pause konnte der objektive Beobachter fast konstatieren, dass die Hose von Torhüter Kiraly noch das auffälligste an den Löwen war. Torjäger Lauth hatte nicht mal eine Handvoll Ballkontakte - der sonst so gefährliche Stoppelkamp trat nur beim Vorlesen der Aufstellung ins Bewusstsein.

Kaiserslautern, bei dem Coach Kosta auf das „Never change an winning team“ schwor, spielte wie auf Schienen. Wie schon beim Runjaic-Auftakt in Köln standen die Verteidiger auffällig hoch. Ja, Florian Dick gab - wenn man sich diese Heatmap im DBB-Taktikthread anschaut - fast einen Rechtsaußen (roter Punkt). Oder anders ausgedrückt: Dick machte Platz für Jan Simunek, der ruhig und mit Auge das Spiel aufbaute. Wenn Simunek die Mittellinie überquerte, nahm Markus Karl seinen Platz in der variablen Defensivkette ein. Dadurch, dass die Mannschaftsteile so eng beieinander stehen, können verloren gegangene Bälle sofort - meist in Überzahl - zurückerobert werden, findet sich schnell eine Anspielstation. Mit welcher Leichtigkeit, Bestimmtheit und Routine (Torrejon) der FCK die Fragen auf dem Feld in den ersten 45 Minuten beantwortete, ließ die 31.637 Zuschauer des Öfteren staunen und raunen. Letzteres war fast immer vernehmbar, wenn Karim Matmour an den Ball kam, der unter Runjaic wohl den größten Sprung gemacht hat. Man könnte sogar sagen: Er zündete wie eine Rakete.

Matmour, wir hatten es im Vorbericht auf „Der Betze brennt“ erwähnt, war nie ein großer Torjäger. Aber offensichtlich muss dieses Kapitel neu geschrieben werden. Der Ex-Frankfurter hätte um ein Haar seine Treffer zwei und drei binnen vier Tagen erzielt, sorgte im Alleingang für sieben Torchancen. In der Anfangsviertelstunde krachte sein Schuss so hart gegen den langen Pfosten, dass man froh sein musste, dass durch den Abpraller niemand verletzt wurde. Zuvor hatte Tomasov schon einen Idrissou-Kopfball für den geschlagenen Kiraly von der Linie geköpft. Danach pfiff Schiri Kampka, der komplett ohne Karten auskam, dem FCK die Führung weg. Zu Recht, denn Idrissou war im Abseits. Als Kampka die erste Halbzeit beendete, standen 17:3 Torschüsse für den FCK zu Buche. Nicht alle können wir hier aus Platzgründen beschreiben. Die Führung nur eine Frage der Zeit?

Ja! Nachdem Lauth sein erstes und einziges Ausrufezeichen setzte, blieb der FCK verblüffend cool - und Dick kramte einen alten, einst erfolgsbringenden Trick aus der Kiste. Die Einwurf-Flanke. 51. Minute: Dick mit beiden Händen auf Karl, der den Ball hoch in den Strafraum schaufelt, wo Marcel Gaus, von den Löwen vergessen, gekonnt den Ball annimmt und Kiraly keine Chance lässt. In der Westkurve entleeren sich die in der Pause aufgefüllten Bierbecher wie auf Knopfdruck. Das 1:0! Selten war ein Tor verdienter, angemessener.

Und, wer dachte, jetzt würde der FCK erst mal durchschnaufen, der kennt Kosta Runjaic (noch) nicht. Jetzt schalteten die Männer in Rot noch mal zwei Gänge hoch. So spielt und liebt man Fußball in Lautern! Vor allem die 120 Sekunden um die 70. Minute hatten es in sich: Zuerst landet ein sensationeller Heber von Matmour aus vollem Lauf am Pfosten. Augenblicke später scheitert auch Gaus am Gestänge. Und Atemzüge später trifft der Iceman: Der eingewechselte Simon Zoller (kam für den wieder sehr mannschaftsdienlichen Olivier Occean) macht nach Dick-Einwurf (!) und Mo-Kopfballverlängerung das 2:0. Und wenn Kollege Zoller sein fünftes Tor markiert, lässt sich auch ein Idrissou (bislang vier Treffer) nicht lange bitten. Zehn Minuten vor Schluss: Mo nimmt mit links an, dreht sich, schießt mit rechts. Das 3:0 in bester Gerd-Müller-Manier.

Auch, wenn am Ende die Spezialisten trafen, so sind die Mannschaften von Trainer Runjaic gerade deshalb so schwer ausrechenbar, weil sich fast das ganze Team an der Torjagd beteiligt. Die 35 Torschüsse des FCK verteilen sich gegen 1860 München auf 11 Schützen (vgl. Statistik).

Auf den Rängen weiß man an diesem Sonntag oft gar nicht, wie man die gesehene Spielkultur in Liedgut übersetzen soll. Man sieht ungläubige, staunende Blicke, ja sogar Kopfschütteln. Wenn einem oft gebeutelten FCK-Fan so viel Gutes widerfährt, muss er das erst einmal verarbeiten. Die Stimmung ist zwar gut bis sehr gut - klar, bei so einem Spielverlauf - aber in manchen Phasen fast andächtig. Auch nach dem Spiel. Man weiß gar nicht, wie man es den Spielern angemessen danken soll. Nach einem gemeinsamen Hände-in-Höhe ist die Mannschaft schon fast in der Kabine, als sie von der Westkurve zurückgerufen wird und zum Diver aufgefordert wird. Aber es war auch viel für die Anhänger in den letzten Wochen. Mit Hochgeschwindigkeit vom dunklen Tunnel (Aalen, Sandhausen) ins grelle Licht (Köln, Hertha, 1860).

Und in fünf Tagen rollt der rastlose-Runjaic-Express schon wieder weiter: Auf der Bielefelder Alm muss der FCK versuchen, den Anschluss an die Spitzenplätze der zweiten Liga nicht wieder zu verpassen. Und die Roten Teufel um Matmour, Idrissou und Dick sollten sich in diesem Fall kein Beispiel an ihren Vorgängern aus den 90ern nehmen. Denn damals wurden die Auswärtsspiele in Serie verloren.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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