Vorbericht: 1. FC Kaiserslautern - SC Paderborn

Extreme Wochen in einem Verein der Extreme

Extreme Wochen in einem Verein der Extreme


Sandhausen, Köln, Aue - die Anhänger des 1. FC Kaiserslautern durchleben derzeit eine Achterbahn der Gefühle. Was aber mehr noch an den Nerven nagt, ist der Identifikations-Verlust. Ein außerordentlicher Vorbericht zum Spiel gegen den SC Paderborn von Marky.

Zu den großen Vorzügen des Fußball-Fan-Lebens gehört der Umstand, dass ein Spiel das andere jagt, eine Saison folgt auf die nächste. Neues Spiel, neues Glück. Ständig kommen frische Reize. Man hat kaum Zeit zum Luftholen, zum Nachdenken, zum Jubeln und zum Leiden.

Beim 3:0 gegen den 1. FC Köln haben wir eine Wiedergeburt des Betze erlebt und gefeiert, unseren Lieblingsgegner und härtesten Aufstiegsrivalen nicht nur geschlagen sondern in seine Einzelteile zerlegt. Vom besten Heimspiel seit annähernd zwei Jahren war die Rede. Nach dem 1:1 bei Aue habe ich noch auf den Fernseher gestarrt, als schon die Wiederholung lief und nebenbei die F5-Taste malträtiert, um die Reaktionen der Leidensgenossen auf „Der Betze brennt“ zu verfolgen, um Antworten auf die Frage nach dem Warum zu finden. Das taten am späten Montagabend allerdings so viele, dass der Server unter der Last laut aufstöhnte, aber er hielt Gott sei dank stand.

Als FCK-Fan lernt man, mit den Extremen zu leben. Kein anderer Verein wird wohl jemals absteigen, Pokalsieger werden, aufsteigen und Deutscher Meister werden. Alles binnen zwei Jahren. Das Pendel schwingt unaufhörlich. Angetrieben wird es von glühenden Emotionen, von höllischer Energie. Die FCK-Gemeinde sieht ständig rot.

So meldete sich nach dem Aue-Trauma (Pendel ins Stockdunkle) auch wieder eine Stimme im Kopf, die einem zuflüsterte: Pass auf, wir werden in einem irren Finale doch noch Dritter, gegen Kölle haben wir doch noch nie den Kürzeren gezogen und in der Relegation ist bei unserer Begeisterungsfähigkeit ja sowieso alles möglich (Pendel ins grelle Licht). Vielleicht halten wir auch deshalb so lange an Trainern und Spielern fest, gehen so sparsam mit Pfiffen und Unmutsrufen aus. Der Fußballgott könnte ja wieder etwas aushecken...

Das Nicht-Aufgeben und -Loslassen-Können liegt uns im Blut. Doch wir brauchen etwas, an das wir glauben können. An dem wir uns festhalten können. Dies zu finden, fällt in letzter Zeit schwer.

Die Niederlage - Pardon - das Unentschieden im Erzgebirge tat deshalb so fürchterlich weh, weil der Graben zwischen Spielern und Fans, ja zwischen Verein und Anhängern derzeit so bodenlos erscheint. Würde man es nicht an den Trikots erkennen, wüsste man nicht mehr, ob hier und dort tatsächlich der FCK spielt. Weniger FCK war noch nie, hieß es in unserem Vorwort zur Rückrunde (Im Blickpunkt: Alles wieder auf Null). Daran scheint sich, wenn man sich unter den Getreuen so umhört, auch Monate später wenig geändert zu haben.

Denn eigentlich brachte die „Schande vom Schacht“ gar nicht so viel Neues, Schreckliches ans Flutlicht. Dass Trainer Franco Foda mit der Kapitänswahl kein glückliches Händchen hatte, wird heute niemand mehr bestreiten. Albert Bunjaku hat er damit keinen Gefallen getan; das tut er auch nicht, indem er ihn zum Flügelflitzer mutieren lässt. Bunjaku, eigentlich ein klassischer Vollstrecker, haut sich jedes Spiel voll rein, ist dankbar über die Spielpraxis nach seiner langen Leidenszeit, aber in seinem ausfüllenden Nebenjob als Vorlagengeber reibt er sich auf, so das ihm im Hauptjob die (geistige und körperliche) Frische fehlt und er sich verzettelt, falsche Entscheidungen trifft. Als Bunjaku in der zweiten Halbzeit in Aue mit Mo Idrissou einen Konter fuhr und der Schweizer schließlich vergeblich versuchte den Ball auf den Kopf des Kameruner zu schnibbeln, konnte man kaum hinsehen. Auch das Gesicht und die Reaktion von Idrissou waren erschreckend. Die beiden Angreifer scheint nichts zu verbinden.

Also, wer soll diese Mannschaft in solchen Ausnahmesituationen (erst 11 gegen 9, dann nach dem Ausgleich) führen? Baumjohann ist von seiner Persönlichkeit genauso wenig dazu geeignet wie ein Azaouagh oder ein Fortounis. Borysiuk muss in die Rolle erst reinwachsen. Simunek ist froh, dass die Knochen halten und bei Löwe macht sich die fehlende Spielpraxis in folgenschweren Fehlern bemerkbar. Foda findet immer eine Elf; aber eine Mannschaft, die diesen Namen nicht nur an Feiertagen verdient, hat er noch nicht formen können. Überhaupt scheint er bei einigen Personalien nach dem Handwerker-Motto zu verfahren: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Dass sich Leader wie Alushi und Karl verletzt haben, dafür kann Foda zwar nichts, aber eine Antwort auf die Frage aller Fragen, wie es sein kann, dass sein FCK acht Mal eine Führung verspielte (jeweils remis), kann er nicht liefern. Zudem wurde nie ein 0:1 in einen Sieg verwandelt. Sechs Mal spielte Lautern zuhause Unentschieden - keiner häufiger.

„Wir werden alles geben und wollen gewinnen“, „in der zweiten Liga gibt es keine leichten Spiele“, „wir wollen Dritter bleiben und müssen alles in die Waagschale werfen“, „wir haben das Montagsspiel analysiert und klare Worte gefunden“, „wir wollen alle aufsteigen“, „wir haben es immer noch in der eigenen Hand“... Vor dem Spiel am Samstag gegen den SC Paderborn gibt es auf der Pressekonferenz die üblichen Parolen, die man als Fan nicht mal mehr zur Kenntnis nimmt. Der Kopf hebt sich höchstens bei Fodas Drohung, auf der ein oder anderen Position einen Wechsel vorzunehmen. Strukturell wird sich in den letzten fünf Spielen aber wohl nicht mehr viel ändern. Mit Paderborn trifft der FCK auf einen Gegner, der jenseits von Gut und Böse ist: Paderborn liegt elf Punkte hinter Relegationsplatz 3 und zehn Punkte vor Relegationsplatz 16. Nur eines der letzten sechs Spiele gewannen die Ostwestfalen, zuletzt gab es drei Mal ein Remis. 27.000 Tickets hat der FCK bis Donnerstag verkauft, darunter einige Tausend verbilligte und ca. 700 Freikarten für die Aue-Fahrer. Einige Zuschauer werden bei der An- und Abreise eventuell auf Fans des SV Waldhof treffen, der um 14:00 Uhr in Homburg spielt. Uffbasse!

Daten und Fakten

Schiedsrichter: Tobias Stieler (Obertshausen)

Voraussichtliche Aufstellungen

1. FC Kaiserslautern: Sippel - Dick, Simunek, Torrejon, Löwe - Borysiuk - Weiser, Baumjohann, Fortounis - Bunjaku, Idrissou

Ersatz: Hohs, Azaouagh, Heintz, Orban, Drazan, Köhler, Hoffer

Es fehlen: Alushi, Amri (beide Reha), Karl (Innenbandriss), Zellner (Trainingsrückstand)

- Ca. 45-60 Minuten vor Anpfiff auf unserer Twitter-Seite: Die endgültigen Aufstellungen.

SC Paderborn: Kruse - Wemmer, Ziegler, Strohdiek, Bertels - Krösche, Vrancic - Meha, Brückner - Saglik, Kachunga

Ersatz: Lück, Naki, Hofmann, Zeitz, Festhammel, Krösche, Ornatelli

Es fehlen: Gulde (Trainingsrückstand)

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

Weitere Links zum Thema:

- Fan-Infos: Die letzten 100 Pins für die Meisterschale (Perspektive FCK)

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