Spielbericht: Hannover 96 - 1. FC Kaiserslautern 2:1

Horror-Saison vorbei, Fankultur noch lange nicht!

Horror-Saison vorbei, Fankultur noch lange nicht!


Am Freitag schrieb Christoph Ruf auf „Spiegel Online“ einen bemerkenswerten Artikel über die Zukunft der deutschen Ultras und bescheinigte ihnen, lieber in Räuber- und Gendarmenspiele zu verfallen, als die positiven Seiten der Fankultur zu leben. Fakt ist, dass die gesamte Fankultur zusammen halten muss, um auch in Zukunft ihre Freiheiten in den Stadien zu genießen. Fakt ist aber auch, was Christoph Ruf anscheinend außerhalb des Fankongresses - er schreibt vom „sogenannten“ Fankongress - noch nicht erlebt hat und worüber er kein Wort verloren hat: Willkür und Einschränkungen, die die positive Fankultur (aller Fanströmungen) behindern. Schauen wir uns die Praxis mit einem exemplarischen Beispiel vor der Partie des 1. FC Kaiserslautern bei Hannover 96 an:

Knapp 2.500 FCK-Fans machten sich auf den Weg zum vorerst letzten Bundesligaspiel der Roten Teufel und sorgten für eine tolle Auswärtsstimmung, vielleicht die beste neben der Partie in Stuttgart. Liebe und Vereinsstreue sind nun mal wichtiger als im Endeffekt mickrige 23 Punkte und ein Torverhältnis von minus 30. Eine positive Eigenschaft der Fankultur. Das Fußballfans bei so einer Horrorbilanz leiden, ist klar, aber im Sport kann so eine schlechte Saison vorkommen. Noch beschissener wird es dann, wenn vor dem Spiel die ewig-leidige Diskussion losgeht, was alles ins Stadion darf und was nicht. Christoph Ruf wird hoffentlich auch jenes Forum auf dem Fankongress besucht haben, in dem es genau um dieses Thema ging.

In Hannover dürfen so viele Zaunfahnen rein, wie Platz ist -also vier, eventuell fünf. Sonst landet die Fahne beim Ordnungsdienst. Genau solche Szenarien ergeben die Kettenrektion, in denen dann Fußballfans mit den Ordnungskräften aneinander geraten. Fans protestieren, dass die „heilige“ Fahne den wildfremden Ordnern übergeben werden soll. Es kommt zu Diskussionen, der Ordnungsdienst ist überfordert und holt die Polizei. Die Promillegrenze wird überprüft, und nachdem das Testgerät 0,03 Promille zu viel anzeigt, fliegen die Fans raus. Wer versucht, über Umwege wieder reinzukommen, muss mit Anzeige und Stadionverbot rechnen. Passiert jeden Spieltag. Auch in Hannover, wo der Ermessensspielraum und die Kommunikation bei einer Zaunfahne sowie 0,03 Promille vorbei sind. Sicherheitsfirmen als Hilfssheriffs der modernen Fußballindustrie. Auch dieses Szenario sollte bei Christoph Ruf endlich mal ankommen, beschrieben und skandalisiert werden.

Und bevor auf den Pyroshows rumgehackt wird - diese waren von beiden Fankurven top organisiert und durchgeführt. Es ist nun mal eine Pyro-Technik, die die Ultras größtenteils sehr gewissenhaft nach der Kampagne "Pyrotechnik legalisieren" durchführen. Das Abbrennen solcher Technik beinhaltet Risiken, das wissen die Beteiligten. Der Slogan auf der Lautrer Seite kurz vor Spielende: „Der Letzte macht das Licht... aus!“ Hannover feierte derweil nach dem Abpfiff den erneuten Einzug in die Europa League unter dem Motto „Diese Saison hat sich eingebrannt“. Sehr bewegend außerdem die Choreographie und später die Verabschiedung für 96-Urgestein Altin Lala. 14 Jahre bei den Roten, Respekt Altin!

Zum Fußball: Krassimir Balakov ließ den Kapitän zu Hause. Geht auch er von Bord? Bei Christian Tiffert scheiden sich die Geister. Fußballerisch eine sehr guter Spieler für den FCK, aber die Körpersprache und der Einsatzwille waren in diesem Jahr nicht gut. Er sollte in sich hinein schauen und genau überlegen, was er möchte. Einen topmotivierter Tiffert könnte diese Mannschaft nach wie vor gut gebrauchen. Im Sturm durfte Itay Shechter ran. Was ihm wohl durch den Kopf gegangen ist während des Spiels? Ein Angebot von Hannover 96 lag vor der Saison bei ihm auf dem Tisch, er entschied sich aber für den FCK. Abstieg anstatt Europapokal. Wie geht die Entscheidung diesmal aus? Wird der Klub versuchen, ihn zu halten, auch nach der Verpflichtung von Albert Bunjaku? Und möchte er überhaupt in die zweite Liga? Shechter hatte es als einzige Spitze schwer beim Auswärtsspiel in Hannover. Er blieb ohne Durchschlagskraft und wurde in der Schlussphase gegen Andrew Wooten ausgetauscht. In der Abwehr spielte Anthar Yahia für den verletzten Rodnei. Bei beiden Spielern ist die Zukunft beim FCK ebenfalls ungewiss. Pierre De Wit will sich Mitte Mai erklären, ob er ein Lautrer bleiben möchte.

Eben dieser De Wit ließ den FCK mit einem Traumtor überragend ins Spiel kommen (7.). Danach machte Hannover mächtig Druck und spielte sich sehr viele Chancen heraus, brauchte aber mehr als eine halbe Stunde und ein Eigentor: Alexander Bugera bugsierte den Ball bedrängt von Didier Ya Konan in den eigenen Kasten (38.). Man merkte deutlich, dass es für die 96er noch um alles und den Einzug um die Europa League ging, während für den FCK nur ein guter Abschied aus der Bundesliga auf dem Programm stand.

Nach der Pause Hannover weiterhin am Drücker. Tobias Sippel hielt bis 20 Minuten vor Schluss prächtig, dann unterlief ihm aber doch der spielentscheidende Fehler: Beim Herauslaufen zögerte der wohl auch kommende Stammtorwart der Roten Teufel und Ya Konan konnte den Freistoß von Lars Stindl zum Siegtreffer einköpfen (71.). Auch die Verteidigung um Anthar Yahia war dabei zu weit weg vom 96-Stürmer. Im Niedersachsenstadion herrschte spätestens jetzt ausgelassene und wirklich gute Partystimmung, die ganze Arena stand auf den Sitzen und machte mit. Lautern hingegen, wie fast die komplette Rückrunde, ohne Chance das Spiel zu drehen.

An diesem Punkt wird es spannend. Schaffen es die Verantwortlichen, eine Mannschaft zu formen, die in der zweiten Liga wieder angreifen kann? Und schafft es Krassimir Balakov, so er denn wirklich Trainer bleibt, eine solche Mannschaft zu Höchstleistungen zu animieren? Mit Albert Bunjaku und Mimoun Azaouagh sind zwei Spieler verpflichtet worden, die die Qualität für die zweite Liga besitzen sollten. Beide waren lange schwer verletzt. Hier liegt mal wieder das Risiko, dem ein Verein wie der FCK aber nunmal nicht ausweichen.

Zu diesen und anderen Themen wird Stefan Kuntz bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Mittwoch Stellung beziehen. Offene und ehrliche Antworten werden erwartet - die Saison war eine Katastrophe und die Mitglieder müssen erfahren, was alles schief gelaufen ist und vor allem, wie es in Zukunft besser werden soll. Hoffen wir, dass nach der Aussprache alle wieder zusammen das Ziel Wiederaufstieg anstreben können. Um es mit Ronnie Hellström zu sagen: "Bundesliga ohne FCK, das geht doch nicht!"

Quelle: Der Betze brennt | Autor: connavar

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