Spielbericht: FC St. Pauli - 1. FC Kaiserslautern 3:4

Die Wende am Millerntor?

Am 15. Spieltag der 2. Bundesliga trat der 1. FC Kaiserslautern am legendären Millerntor, der Heimstätte des FC St. Pauli in Hamburg an. Knapp 18.000 Zuschauer fanden sich dort ein (ein weiterer Teil der sich im Umbau befindlichen Südtribüne wurde für diese Partie freigegeben), darunter gut 1.500 FCK-Fans. Weitere 3.000 Kartenwünsche von Lautrer Schlachtenbummlern konnten dabei aufgrund der begrenzten Kapazität nicht erfüllt werden.

Typisch norddeutsches Schietwetter während der gesamten Spielzeit setzte den zumeist unüberdacht stehenden FCK-Fans zu, das Spiel sollte sie dafür aber dafür umso mehr entschädigen. Sehr großzügig zeigte sich der Gastgeber im Vorfeld und erlaubte weitgehend alle Fanutensilien für den Gästeanhang.

Beide Mannschaften begannen offensiv. Die Atmosphäre konnte von Beginn an beeindrucken, auch der Gästeanhang gab sein Bestes. FCK-Coach Kjetil Rekdal hatte überraschend dem 19-jährigen Amateur Bartosz Broniszewski zu seinem Debüt in der Profielf verholfen, was sich noch auszahlen sollte.

Doch nach einer knappen Viertelstunde gingen zunächst die Gastgeber durch einen unberechtigten Handelfmeter durch Charles Takyi in Führung. Kapitän Mathieu Béda erhielt für sein angebliches Vergehen auch noch die gelbe Karte. Als kurz darauf nach einem Konter die Gastgeber nach zunächst noch guter Parade von Tobias Sippel gegen Marvin Braun Filip Trojan auf 2:0 (20.) erhöhen konnten, ahnten die FCK-Fans nichts Gutes. Wie sollte ihr bisher so sturmschwaches Team diesen Rückstand denn nur aufholen? Es machte sich Unruhe im Gästeblock bemerkbar. Erste „Rekdal-Raus“-Rufe waren unüberhörbar. Dann eine Schlägerei unten am Zaun unter einigen FCK-Fans, die sogar einen Polizeieinsatz im Gästeblock herbeiführte. Eine überflüssige Aktion einiger weniger Anhänger. Bei allem Respekt für so manchen Frust, den man als FCK-Fan zu ertragen hat, aber so etwas geht gar nicht.

Doch die Mannschaft ließ sich davon nicht beeindrucken. Urplötzlich kippte das Spiel. Zunächst konnte Josh Simpson mit einem Seitfallzieher nach Vorarbeit des stark verbesserten Sven Müller zum 1:2 verkürzen (26.), bevor nur wenige Minuten (30.) später Erik Jendrisek nach glänzender Flanke von Aimen Demai per Kopf ausgleichen konnte. Nun war Party beim FCK-Anhang angesagt. Und die Jungs gaben weiter Gas. St. Pauli war zwar bemüht, ins Spiel zurückzufinden, doch die Roten Teufel hatten bereits nach 40 Minuten erneut durch Erik Jendrisek die große Chance zur erstmaligen Führung, bevor „der Neue“ Bartosz Broniszweski mit einem strammen Schuss unmittelbar vor dem Pausenpfiff tatsächlich seine Farben in Front schießen konnte. Die ganze Mannschaft lief nun rüber zum Gästeblock, um dieses Ereignis zu feiern. Dort spielten sich unglaubliche Freudenszenen unter den Lauternfans ab. Plötzlich fand man sich unter den jubelnden und herum hüpfenden Anhängern fünf Reihen tiefer wieder. So wie man es früher in der Westkurve eigentlich immer kannte. Aber in den letzten Jahren gab es ja nicht mehr viel zu feiern. Binnen 20 Minuten aus einem 0:2-Rückstand eine 3:2-Führung gemacht. Eine sagenhafte Reaktion der FCK-Jungs. Und während in der Halbzeitpause der Regen noch zunahm, skandierten ihre Fans: „Wir haben Fritz-Walter-Wetter.“

St. Pauli kam energisch aus der Pause zurück. Drängte sofort auf den Ausgleich. Und erzielte diesen bereits in der 48. Minute durch Thomas Meggle. Nach einem Abwehrfehler kam auch Tobias Sippel hier etwas zu spät, wurde vom Torschützen im Fünfmeterraum allerdings auch fragwürdig angegangen. Sippel, der ansonsten wieder sehr stark hielt. Nun wollten die Gastgeber mehr, das Publikum setzte zu seinen langanhaltenden „St. Pauli“-Rufen über sämtliche Tribünenseiten an. Gänsehautatmosphäre!

Doch der FCK konnte sich nach einigen Minuten vom Druck wieder befreien und legte einen richtig guten Konterfußball hin. Auf rechts durch Sebastian Reinert mit seiner bisher besten Saisonleistung und über links immer wieder durch Axel Bellinghausen und Josh Simpson nach vorne getrieben. So wogte das Spiel hin und her, bevor Bellinghausen mit einem strammen 20-Meter-Schuss die erneute Führung für die Gäste markieren konnte (69.). Sicherlich war St.-Pauli-Keeper Borger nicht ganz unschuldig an diesem Treffer, das interessierte aber keinen der mittlerweile extatisch jubelnden FCK-Fans. Das Spiel blieb turbulent. In den letzten zehn Minuten drückte St. Pauli noch mal sehr stark auf den erneuten Ausgleich. Die Stadion-Atmosphäre war nun so richtig faszinierend, der Gästeblock hielt weiterhin lautstark dagegen. Aber auch in diesen Druckphasen der Gastgeber blieb der FCK stets gefährlich. Zwar hatte man das Gefühl, dass der Ausgleich jederzeit noch fallen könne, genauso gut hätte der FCK aber auch das 5:3 machen können. Mehrere Chancen hüben wie drüben blieben in der Schlußphase ungenutzt.

Nach dem Schlußpfiff kannte der Jubel keine Grenzen. Die Mannschaft und der Betreuerstab ließen sich von den begeisterten Fans feiern. Und für viele FCK-Fans, die das Wochenende in Hamburg verbringen wollten, begannen nun nach dem bisher so enttäuschenden Saisonverlauf die Feierlichkeiten.

Fazit: Ein zwar etwas glücklicher, aber keinesfalls unverdienter Sieg des FCK. Der erste Auswärtssieg seit fast 10 Monaten im Ligabetrieb. Definitiv war es das beste Saisonspiel unserer Jungs. Hoffen wir, dass sie diesen Schwung nun auch in das so wichtige Heimspiel gegen Jena mitnehmen können. Denn nur wenn auch dort dreifach gepunktet werden kann, darf man von der Wende zum Besseren beim FCK sprechen.
Und es bleibt zu hoffen, dass nach vollendetem Umbau das Millerntor seine sehr spezielle Atmosphäre nicht verliert. Denn hier lebt der Fußball noch in seiner ursprünglichen Form und niemand beschwert sich über fehlenden Komfort im Stadion. Danke, St. Pauli, für die überaus freundliche Aufnahme der FCK-Fans und für ein unvergessliches Live-Erlebnis und danke, FCK, für einen endlich mal wieder so richtig gelungenen Abend.

- Fanfotos vom Spiel

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Altmeister

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