Kummt Senf druff

Rolle rückwärts - oder freier Fall

Rolle rückwärts - oder freier Fall


Unabhängig soll er bleiben, der Fußball, so sagt es FIFA-Präsident Joseph Blatter. Frei von Einflüssen der Politik und der internationalen Verbände. In denen ist man zwar Mitglied, so im IOC oder man unterstützt sie, so die NADA oder man anerkennt sie offiziell, so das CAS: „Der Fußball ist stark genug, um sich aus eigener Kraft zu organisieren. Dafür braucht er keine politischen Institutionen.“ In Wirklichkeit ist der Fußball so autonom, dass er sogar als einziger weltweit operierender Interessenvertreter die politische Struktur eines Landes verändern kann. Das schaffen keine amerikanischen Soldaten und kein russisches Öl.

Was die Einflussnahme der Wirtschaft jedoch betrifft, ist man bei den Verbänden anderer Ansicht. Zu wenig ist es, dem Interesse nicht angemessen, was gezahlt wird vom TV. Zu wenig, was die Investoren zahlen, wenn sie gute Spieler sehen wollen, die ihr Produkt bewerben. Zu viel wird abgegeben an die nationalen Verbände und an die armen Klubs.
Blatter hierzu: „Die englische Premier League ist eine gut organisierte und vermarktete Liga, deren Wirtschaftskraft hinlänglich bekannt ist. Deshalb zieht sie auch zahlreiche fremde Investoren und Geschäftsleute an. Die FIFA hat dagegen überhaupt nichts einzuwenden, sofern das investierte Geld legal erworben wurde. Im Zeitalter der wirtschaftlichen Globalisierung ist das durchaus normal."

Das ist ein Irrglaube! Und das haben inzwischen auch neutrale Vertreter analysiert und den Zeigefinger gehoben. Der Fußball ist nur ein Sport, mehr nicht. Wenn man ihn überteuert und zur Luxusware macht, wird der einfache Mensch sein Interesse verlieren. Der derzeitige Boom ist nur die letzte Stufe zum Klimax, danach kommt der freie Fall. Schließlich ist es eben nur ein Spiel, das irgendwann mal langweilig wird, gerade dann, wenn man es nur noch verwöhnten und künstlich aufgepäppelten Kindern zum Spielen gibt. Vor vierhundert Jahren hat jeder Franzose Boule gespielt, jeder Engländer Cricket, jeder Mittelamerikaner Pelota. Der Fußball hat die Welt verändert. Als 1857 in Sheffield der erste Fußballverein gegründet wurde, wurde eine Ära eingeläutet, die den beispiellosesten Erfolgsweg seit Menschengedenken ging.

Aber nun ist das Ende der Fahnenstange erreicht... viele haben es nur noch nicht kapiert, die WM 2006 war der absolute Kommerz-Höhepunkt. Die Klubs expandieren in Übersee, verlegen Anstoßzeiten auf vormittags, damit in China live geguckt werden kann, machen Touren nach Dubai, Japan, Nordamerika, um den Trikotabsatz einzelner Protagonisten zu verbessern, um Jointventures zu gründen, gute Jugendspieler schon mit 12 Jahren nach Europa zu holen. In Brasilien wird mit Fußball fast jede Familie ernährt - rein rechnerisch, aufs Brutto-Inlandseinkommen bezogen. Aber das Geld bleibt natürlich bei den Beratern und Agenten, und nicht zu selten bei korrupten Politikern. Die Spieler sehen lange keinen Pfennig, die Eltern leben weiterhin in dreckigen Hütten, während ihr Sohn bei Chelsea in der CL spielt. Meint Blatter das, wenn er sagt, der Fußball muss unabhängig bleiben? Muss der Fußball also seine Lobby aufrecht erhalten?

UEFA-Präsident Michel Platini ist angetreten dies zu ändern, das Denken in den Köpfen der Rummenigges und Abramowitschs, die Einflussnahme wie auch die Übersättigung im TV und die ungerechte Verteilung der Gelder. Die Regeln sollen einfacher werden, die Möglichkeiten zu betrügen geringer. Die Teilnahmevoraussetzungen an europäischen Wettbewerben soll übersichtlicher werden, die Anzahl der Spieler aus dem eigenen Land wieder festgelegt werden.

Es wird schwer das Proporz-System umzudrehen! In England ist der Fußball zwar schwerreich, aber schon tot. Gemerkt haben es nur die echten Fußballfans, die Stadien sind voller Touristen und Snobs, viele wenden sich ab, aber keiner berichtet darüber! Kaum ein Club kann in England noch selbst entscheiden, was mit ihm passiert! In Italien und Spanien ebenso: Dort sind es zwar keine AGs, sondern allmächtige Mäzene, die, wenn sie Probleme haben entweder die Bank bestechen, oder die Schiedsrichter... einen Weg zum Sieg gibt es immer! Italien ist sogar Weltmeister geworden und niemand hat sich beschwert, nicht wirklich. In Spanien wurde gerade ein Lizenzklub durch einen Investor in der Liga gehalten, weil er das größere ökonomische Potential aufweist gegenüber den Konkurrenten! Sogar der CAS bestätigt dieses Urteil, das faktisch bedeutet, dass ein Absteiger drin bleibt, wenn er genug Geld hat!

Die FIFA ist „bestürzt darüber, dass das CAS den Grundsatz der sportlichen Qualifikation für eine Stärkeklasse nicht beachtet hat und so dem amerikanischen Franchise-System den Weg in den Fußball ebnet. Die FIFA wird dieses Schlupfloch umgehend durch entsprechende Bestimmungen schließen." Aha! Und die G14, die gerne zur G25 werden würde, mit drei russischen (!) Klubeignern, wird das ganz sicher unterstützen, Herr Blatter!

Auch in Deutschland wird jetzt schon gekontert gegen Platinis Ideen. Dann müsste man den Pokalmodus ändern, oh mein Gott! Am Ende spielen unsere Star-Mimöschen noch 50 mal pro Jahr, das geht ja gar nicht! Das ist psychisch nicht mehr auszuhalten, körperlich schon gar nicht. Beste Beispiele Deisler und Simak! Tja lieber DFB, in fast jeden anderen großen Verband gibt es schon einen besseren Pokalmodus, entweder Hin- und Rück, oder Gruppenphasen, oder zusätzlich Wettbewerbe über mehrere Runden, nicht so einen „Fernsehgeld kassieren aber bloß nicht weh tun in der Vorbereitung hab ja morgen noch ein Interview beim Ligapokal“! International wettbewerbfähig sein, heißt auch die persönliche Schmerzgrenze nach oben zu schrauben, Deutschland ist ein Land der Jammerlappen in den Chefetagen! Das gilt eben auch im Fußball! Wir folgen einfach der Sandale von Kaiser Franz, was der anpackt wird schon gut ausgehen. Es wird nicht besser sondern schlimmer, die aktuelle Fünfjahreswertung gibt das leider nicht korrekt wider.

Die Jungs sind verwöhnt und verhätschelt, verdienen zu früh zu viel. Die Ausländer sind deshalb billiger, weil die Berater die Kohle einstecken, der Spieler kriegt kaum was. Den daraus entstehenden Wirrwarr konnte man diese Saison bei Diego besonders schön verfolgen!
Jetzt die „5+6-Idee“, lobenswert, lobenswert! Dazu das Extralob für den schottischen Verband von höchster Stelle: „Außerdem kann ich das, was sich diesbezüglich in Schottland getan hat, nur begrüßen. Denn dort wurde eine Regel eingeführt, die für Mannschaften eine Mindestanzahl an Spielern unter 21 Jahren vorschreibt.“

Doch auch hier kommen schon die Trommler au den Büschen. Das diese Regel kommt, war den so genannten G14 schon ewig klar. Schwupps ist Ronaldinho ein Spanier, zack hat Kaka italienische Vorfahren, rumms,... der Abramowitsch wird schon einen Vorfahren von Eto'o finden, irgendwo im British Empire!

Ist gemein, sagt ihr? Nöööö, haben wir auch schon gemacht, mit so Weltklasse-Fußballern wie Sean Dundee und Paolo Rink. Also schön an die eigene Nase fassen, lieber DFB! Die Bayern werden also zukünftig jedes Jahr um die 40 Millionen ausgeben für den Kader, sagt Hoeneß. Darin enthalten sind schon die Millionen für Jugendspieler unter 14 Jahren! Denn wenn diese dann aus der U19 des FCB rauskommen, sind sie fünf Jahre hier und haben einen festen Arbeitsplatz, dann gibt's die Staatsangehörigkeit. Ist in ganz Europa so, übrigens. Die EU wird schon einen Weg finden, den Sport weiter zu dem zu machen, was er eigentlich nicht sein darf - einem reinen Arbeitsplatz! Mit allen gesetzlichen Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Fußball wird zur juristischen Sache. Staatsrecht mit inbegriffen. Von wegen "is aufm Platz!"

Man kann Platini nur viel Glück wünschen als Fußballer, er ist momentan der Don Quichotte Europas, nur sind die Windmühlen nicht mehr greifbar für ihn. Alles nur Zahlen und Summen in irgendeinem Rechensystem!

In Deutschland heißen die Windmühlen nicht Bayern oder Schalke, sondern Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim. Und es ist kein Don Quichotte in Sicht! Ohne Maximierung der Leidensfähigkeit, wird der Sport auf der Strecke bleiben, noch in diesem Jahrhundert, unweigerlich!

Rolle rückwärts - oder freier Fall - ohne Schirm!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Rossobianco

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