Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Hertha

Die DBB-Analyse: Hertha war irrer, Lautern verwirrter

Die DBB-Analyse: Hertha war irrer, Lautern verwirrter


Ja, es war ein Spektakel. Und doch stand am Ende dieses wilden 3:4 des 1. FC Kai­sers­lau­tern gegen Hertha BSC nur die Antwort auf die Frage: Wer hat gegen eine nicht sattelfeste Abwehr die meiste Verwirrung gestiftet?

Und das war, es muss neidlos anerkannt werden, der Gast aus Berlin. Obwohl er zum Teil ähnliche Mittel anwandte wie die Lautrer. Auch die Mannschaft von Chrisian Fiél setzte auf ein asymmetrisch gestaltetes Flügelspiel.

Beim FCK übernahm diesmal Philipp Klement die Rolle des nominellen Rechtsaußen, der bei eigenem Aufbauspiel in die Mitte rückte und Almamy Touré die rechte Seite überließ, während sein Gegenüber Aaron Opoku einen klassischen Linksaußen gab. Ähnlich hatte sich der FCK schon beim Pokal in Ingolstadt formiert. Bei Hertha war’s Michaël Cuisance, von Haus aus ebenso wenig Außenbahnspieler wie Klement, der bei Ballbesitz den rechten Flügel für den marschierenden Jonjoe Kenny freimachte, während links Derry Scherhant mehr Stürmer als Mittelfeldspieler war.

Die Bilanz der Genannten beim Abpfiff: Klement und Cuisance hatten getroffen, Opoku und Scherhant ebenso. Aber Kenny hatte zwei Treffer vorbereitet. Während Touré blass geblieben war.

Na ja, ums Haar hätte der Malier dem eingewechselten Ragnar Ache einen Kopfballtreffer aufgelegt. Und das beim Stand von 3:3, als auch der ebenfalls frisch ins Spiel gekommene Kenny Redondo sowie abermals Opoku Chancen hatten, den FCK erneut in Front zu schießen. Dann aber traf Cuisance.

Viel riskiert - und verloren? Nicht so ganz

Ja, es war ein irres Spiel, das gut und gerne auch andersrum hätte ausgehen können. Gerade in der genannten Phase, ab der 69. Minute, nach Boris Tomiaks Ausgleichstreffer bis zum Berliner Siegtreffer. In dieser hatte FCK-Coach Markus Anfang dreimal gewechselt, um sein Team in ein 3-4-1-2 umzuformieren. Die Stürmer Ragnar Ache und Jannik Mause kamen, um eine Doppelspitze zu bilden, Jan Elvedi, um neben Jannis Heuer und Tomiak eine feste Dreier-Abwehrkette zu komplettieren. "Ich hätte auch defensiver wechseln können", erklärte der Trainer hinterher. Aber er habe auf Sieg spielen wollen.

Also ist diese Niederlage damit erklärt, dass die Roten Teufel zu viel riskierten und am Ende ohne Frage unglücklich verloren? Nicht so ganz. Denn vor diesen höllischen zehn Minuten gab es Phasen, in der sie einiges hätten besser machen können. Und in denen sich zeigte, dass es in der anstehenden Länderspielpause viel aufzuarbeiten gibt. Vor allem in punkto Abwehrverhalten.

Stark gestartet, aber auch stark nachgelassen

Nichts gegen die Anfangsphase. Die Betze-Buben legten los, als wollten sie den 48.608 Zuschauern im proppenvollen Fritz-Walter-Stadion eine Samstagabend-Gala vom Allerfeinsten bescherten. Nach sieben Minuten kommt Klement nach einem klugen Pass von Opoku in den Rückraum aus sieben Metern zum Abschluss, verzieht aber. Nach acht Minuten köpft Daniel Hanslik einen Eckball von Erik Wekesser an die Latte.

Danach freut sich alles, was rot ist, auf den Führungstreffer der Hausherren, der ja wohl nur noch eine Frage der Zeit sein kann. Den aber erzielen, nach einer knappen halben Stunde, dann doch die Gäste.

Markus Anfang ärgerte sich hinterher über "den einfachen Ball hinter die Kette", den sich Kenny erläuft und mustergültig auf den freistehenden Luca Schuler in der Mitte flankt. Zurecht, aber schon ein paar Minuten zuvor hatte eine Hertha-Aktion gezeigt, wie sehr die Lautrer Aggressivität nach den starken Anfangsminuten nachgelassen hatte. Vor einem Scherhant-Kopfball, der knapp am Tor vorbeistrich, rollierte das Leder über eine Minute lang durch die Reihen der Blau-Weißen, ohne dass ein Roter mal dazwischen ging.

Auch Lautern profitierte von Abwehrböcken

Und so sehr sich der FCK-Trainer darüber ärgerte, dass seine Jungs bei drei Toren "einfach nicht den Mann verteidigt" hätten - sein Team benötigte ebenfalls heftige Abwehrböcke des Gegners, um zu Treffern zu kommen. Beim 1:1 schiebt Klement nach einer zu kurz verteidigten Ecke das Leder aus halbrechter Postion nicht fest, aber so exakt durch einen Wald aus Abwehrbeinen über die Torlinie, als ließe er es an einer Schnur entlanglaufen. Und vor dem 2:1 schnappt sich Hanslik einen erbärmlichen Passversuch von Innenverteidiger Linus Gechter auf Sechser Diego Demme. Hanslik passt auf Opoku der vollstreckt.

Und auch wenn der Trainer und viele andere hinterher die Phase nach dem 3:3 als die spielentscheidende ansahen: Eigentlich vergeigt hat der FCK die Partie in den Minuten nach der Pause, als er mit der 2:1-Führung im Rücken abermals zu passiv umging. Zum einen gestatteten die Gastgeber dem Gegner wieder zu viele Pässe am Stück. Dieses "Wyscout"-Schaubild zeigt es recht deutlich:

Pässe pro Defensivaktion FCK-Hertha

Zum anderen hatte auch das Zweikampfverhalten der Pfälzer deutlich nachgelassen, ehe Scherhant und erneut Schuler die Gäste in Führung schossen. Dies belegt diese Grafik:

Quote gewonnener Zweikämpfe FCK-Hertha

Zu Scherhants 2:2 ist außerdem zu sagen: Das fiel eben nicht, weil "einfach der Mann nicht verteidigt wurde." Touré und Klement, ohnehin nicht die Kampfsäue vor dem Herrn, sahen sich auf ihrer rechten Seite nach einer Umschaltaktion Herthas plötzlich drei Gegenspielern gegenüber. Da musste am Ende einer zum Schuss kommen. Auch wenn Keeper Julian Krahl ebenfalls nicht gut aussah: Da hat irgendwas beim Verschieben und Übergeben nicht gestimmt.

Vorbereitet hatte Scherhants Bude übrigens Mihal Karbownik, einer von Berlins zentralen Mittelfeldspielern. Umtriebig, beweglich, schnell, technisch fein - das Personal in Lauterns Zentrale bekam ihn nie in den Griff.

Demme zeigt, wie Sechser geht

Und wo wir gerade bei individueller Qualität des Gegners sind: Diego Demme demonstrierte, weshalb die Engländer ihre Sechser "Holding Midfielder" nennen. Er hielt sich im Mittelraum vor seiner Abwehr permanent anspielbar und verteilte die Bälle. Insgesamt 65 Ballkontakte, Pässe zu 95 Prozent präzise. Zum Vergleich: Lauterns Sechser Jan Gyamerah verzeichnete 82 Prozent Passpräzison, hatte bis zu seiner Auswechslung in der 72. Minute aber nur 24 Ballkontakte. Filip Kaloc, der durchspielte und zeitweise die Sechser-Position übernahm: 30 Mal am Ball, 65 Prozent Passpräzision.

Von daher bleibt festzustellen: Ja, das Spiel ging unglücklich verloren. Zumal Cuisances Siegtreffer auch noch abgefälscht war und der eingewechselte Ache neben der bereits genannten noch zu zwei weiteren Kopfballchancen kam - und das in nicht einmal 25 Minuten Spielzeit. Er ist schon ein Phänomen. Aber halt auch keine Maschine, die auf Knopfdruck trifft.

Und die Gäste hätten sich über ein Unentschieden am Ende sicher nicht geärgert. Aber so ganz unverständlich ist es nicht, dass deren Trainer Christian Fiél im Gegensatz zu seinem Kollegen einen verdienten Sieg der Seinen gesehen haben wollte. Denn unterm Strich hatte diese in Gegners Reihen einen Tick mehr Verwirrung gestiftet als umgekehrt.

"Lost" im zentralen Mittelfeld

Obwohl die "expected Goals"-Timeline erstmal stutzig macht: 2,72 : 1,72 xG zugunsten des FCK. Das sieht ja nach einer völlig unverdienten Niederlage aus. Aber wir hatten schon in unserem Gegner-Check unter der Woche festgestellt, dass die Berliner Effizienz-Monster sind.

xG-Timeline FCK-Hertha

Die Passmap des FCK: Das sieht nicht so viel anders aus als zuletzt. Wekesser (Nr. 13) war allerdings als Passspieler diesmal nicht so aktiv.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Hertha: Tja, da war was geboten, vor allem im Zentrum. Da haben sie das Spiel auch gewonnen. Dort wurden die Treffer vorbereitet, auch wenn die finalen Zuspiele von der Seite kamen.

Passmap Hertha

Und zum Abschluss die Überkreuztabelle zu den Duellen. Klement in 60 Minuten Spielzeit in nur zwei Duellen - und dann auch noch beide verloren? Das spricht für sich. Auch Kaloc mit negativer Bilanz. Was den Eindruck nochmals bestätigt. Lautern hat das Spiel im zentralen Mittelfeld verloren.

Zweikampf-Duelle FCK-Hertha

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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