Neues vom Betzenberg

Gegner-Check: Herthas next Tabakovic - dringend gesucht

Gegner-Check: Herthas next Tabakovic - dringend gesucht


Hertha BSC will attraktiven Fußball spielen. Eine Pa­ra­lle­le zum 1. FC Kai­sers­lau­tern. Aber es klappt noch nicht richtig. Dennoch könnte auf die Zuschauer ein schönes Spiel war­ten, wenn sich beide Teams mit dem von ihnen bevorzugten offenen Visier begegnen.

Anspruch und Wirklichkeit: Der Hauptstadtklub versteht sich, logo, als "gefühlter Bundesligist" - wie viele gibt's davon mittlerweile eigentlich in Liga Zwei? Vergangene Saison starteten die Berliner in ihr zweites Jahr im Unterhaus. Und schlossen auf Platz 9 ab. Das soll, das muss besser werden. Doch es ist schwer, an der Spree eine klare Linie zu finden. Immer wieder rumort es im Hintergrund. Vereinsikone Pal Dardai übergab den Trainerstuhl im Sommer nicht gerade geräuschlos an Christian Fiél. Der ist, ähnlich wie Lautern-Coach Markus Anfang, ein Verfechter attraktiven, dominanten Fußballs ist, war mit diesem zuletzt in Nürnberg aber nur mäßig erfolgreich. Zudem bewegte sich bei der Alten Dame wieder einiges im Personalbestand - und das Karussell hat noch nicht aufgehört, sich zu drehen. Erst Ende vergangener Woche wechselte Torjäger Haris Tabakovic nach Hoffenheim. Mittelfeldspieler Suat Serdar ging nach Italien, Talent Bence Dárdai verließ Berlin Richtung Wolfsburg. Der Abgang von Innenverteidiger von Marc Oliver Kempf gilt weiterhin als wahrscheinlich. Der vergangene Saison so stark durchgestartete Ex-Kieler Fabian Reese hat sich am Sprunggelenk verletzt und fällt aus, liebäugelt aber ebenfalls mit einem Wechsel in die Bundesliga. Der Start in die aktuelle Spielzeit verlief durchwachsen: Zum Auftakt eine 1:2-Heimniederlage gegen Paderborn, danach ein respektables Unentschieden gegen den HSV. Zuletzt glückte mit einem 2:0 über Jahn Regensburg der erste Saisonsieg. Überzeugend war der Auftritt allerdings nicht. Die Treffer fielen erst spät, und den entscheidenden Schub nach vorne bekamen die Spree-Athener erst, nachdem eine Rote Karte den Aufsteiger dezimiert hatte.

Die Neuen: Auch wenn Tabakovics Abgang und Reeses Ausfall schwer wiegen. Was Hertha geholt hat, schürt dennoch Hoffnung auf bessere Zeiten. Aus Italien verpflichtete Sportchef Benjamin Weber den ehemaligen Leipziger Diego Demme (32) zurück nach Deutschland. Der Mittelfeldspieler ist mit dem SSC Neapel Meister und Pokalsieger geworden und soll nun auf der Sechs den Anker geben, der den Berlinern im vergangenen Jahr gefehlt hat. Mit Kevin Sessa (24) (1. FC Heidenheim), dem Bruder des Ex-Lautrers Nicolas Sessa, kam ein weiterer Spieler mit Erstliga-Erfahrung, der im Mittelfeld außen und zentral eingesetzt werden kann. Zurzeit aber fällt er noch mit einer Knieverletzung aus. Außerdem ist Michaël Cuisance (25) nun in Berlin gelandet, das einstige Supertalent, das sich vergangene Saison in Osnabrück zu konsolidieren versuchte - auch der FCK soll an dem zentralen Mittelfeldmann interessiert gewesen sein. Mit Luca Schuler (25) (1. FC Magdeburg) schnappte sich die Alte Dame ablösefrei den Mittelstürmer eines Liga-Konkurrenten. Der gebürtige Vorderpfälzer kickte mal in Lauterns U17. Fix gemacht wurde gestern außerdem der Wechsel des isländischen Linksaußen Jón Dagur Thorsteinsson vom belgischen Erstligisten Oud-Heverlee Leuven. Er soll Reese ersetzen, lang- oder auch kurzfristig, je nachdem.

Die Formation: Fiéls Grundordnung in seinem fußballerisch anspruchsvollen Ansatz ist, na klar, ein 4-3-3. Vergangenen Samstag gegen Regensburg begann nun das Casting fürs neue Format "Herthas next Tabakovic". Luca Schuler, schon immer mehr Prellbock als Knipser, durfte 60 Minuten ran und blieb weiterhin ohne Saisontor, für ihn kam Florian Niederlechner, sah und traf. Der weitgereiste Oberbayer hat auch dem FCK schon so manches Ei ins Netz gelegt, zählt aber bereits 33 Lenze. Keine Rolle mehr spielte zuletzt Stürmer Smail Prevljak (29). Könnte sein, dass er noch abgegeben wird. Oder aber, er wittert nach dem Tabakovic-Abgang nochmal Morgenluft und hängt sich rein. Als Nummer 1 im Tor gesetzt ist Tjark Ernst (21), der Sohn des einstigen FCK-Keepers Thomas Ernst. Die Außenverteidiger-Positionen besetzen der Engländer Jonjoe Kenny (27), der in Hamburg den 1:1-Ausgleich erzielte, und der Niederländer Deyovaisio Zeefuik. In der Innenverteidigung wird wohl der junge Linus Gechter (20) auflaufen. Falls Kempf sich diese Woche verabschiedet, hätte Fiél mit Toni Leistner (34) eine erfahrene und mit Márton Dárdai (22) eine junge Alternative an dessen Seite. Das zentrale Mittelfeld vor Demme komplettierten gegen Regensburg Toptalent Ibrahim Maza (18) und der Pole Michal Karbownik (23), Cuisance durfte bislang nur im verlorenen Auftaktspiel von Beginn an ran. Auf den Flügeln wirbeln die Jungspunde Derry Scherhant (21) und Marten Winkler (21), eine Alternative wäre der ebenfalls noch taufrische Däne Gustav Christensen (19).

Zahlenspiele: Auch wenn die Endergebnisse noch nicht überwältigen, erkennbar ist die Handschrift des neuen Hertha-Trainers durchaus schon. Mit 58 Prozent verzeichnet sein Team nach drei Spieltagen den höchsten Ballbesitzwert der Liga - Lautern liegt mit 52 Prozent immerhin auf Platz 6, auch das ist ein gewaltiger Sprung gegenüber den Zeiten des "Schusterballs". 87,8 Prozent Passpräzision bedeuten ebenfalls Platz 1 im Ligavergleich - der FCK rangiert mit 83,9 Prozent auf Platz 8. Drittbester sind die Samstagsgäste in Sachen Abschluss-Effizienz. Sie haben 2,4 Treffer mehr erzielt, als die "expected Goals"-Werte erwarten ließen. Bei den Roten Teufeln sind da statistische Wahrscheinlichkeit und Wirklichkeit weitgehend eins. Mit geblitzten 36,26 km/h stellen die Hauptstädter mit Marten Winkler zudem den derzeit schnellsten Spieler der Liga - Lauterns stärkster Sprinter rangiert mit 34,32 km/h dagegen nur auf Platz 15 und saß zuletzt nur auf der Bank. In den Laufdisziplinen hat sich bislang keines der beiden Teams hervorgetan. "Laufdistanz", "Sprints" und "intensive Läufe" - in allen Ranking stehen sie im mittleren oder hinteren Drittel. Bei "intensiven Läufen" ist Lautern sogar Letzter. (Quelle: "bundesliga.de")

Fazit: Es kommt eine Mannschaft mit einem neuen Trainer, der hohe spielerische Ansprüche stellt - wie Markus Anfang beim 1. FC Kaiserslautern. Und die die Visionen ihres Übungsleiters längst noch nicht hundertprozentig umsetzt - wie der FCK. Dass die Roten Teufel nach drei Spieltagen dennoch drei Punkte mehr auf dem Konto haben, bedeutet zum gegenwärtigen Zeitpunkt grad mal gar nix. Aufgrund der noch vorhandenen Fehleranfälligkeit beider Teams könnten also auf beiden Seiten jede Menge Gelegenheiten zum Torschuss ergeben. Die höhere Vollstrecker-Qualität aber darf vom Gastgeber erwartet werden - unabhängig von den wohl noch bis Freitagabend laufenden Wechselgerüchten um Ragnar Ache. Marlon Ritter, Daniel Hanslik und Jannik Mause sind schließlich auch noch da. Und auch von der Ache-Frage abgesehen, wird wieder bis zum Anpfiff gerätselt werden dürfen, wie die Startelf aussehen könnte. Dem Trainer bieten sich zahlreiche Optionen, und wie er diese nutzt, lässt sich schwer vorhersagen. Wenn Aaron Opoku und Kenny Redondo die Trainingswoche voll durchziehen können, steht ein Flügelpärchen bereit, das eine Überlegung wert ist. Almamy Touré hat seine Liga-Sperre abgesessen und die rechte Seite im Pokalspiel in Ingolstadt besser bespielt als Jean Zimmer zuletzt in Münster. Das macht den Einsatz des Maliers wahrscheinlicher. Beim 1:0 in Westfalen hat Philipp Klement nach seiner Einwechslung ordentlich Reklame für sich gemacht, unter anderem den Siegtreffer vorbereitet. Möglicherweise erhält er am Samstag den Vorzug vor Tobias Raschl und Filip Kaloc. Und bleibt's bei der Lösung mit Jan Gyamerah auf der Sechs? Da hat der Neuzugang noch nicht so richtig überzeugt: In Ingolstadt sah er Gelb-Rot, in Münster war er nah dran. Auf jeden Fall könnte es ein schönes Spiel werden, wenn sich beide Teams mit den von ihnen bevorzugten offenen Visieren begegnen. Und wer gewinnen will, muss hinten besser stehen als der Gegner und vorne besser treffen. Schon klar, das schreibt sich einfacher, als es umzusetzen ist.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Samstag, 20:30 Uhr: Unter Flutlicht gegen die Alte Dame (Der Betze brennt)

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