Taktik-Nachlese zum Spiel FCI-FCK

Die DBB-Analyse: Erst Fußball, dann Stresstest

Die DBB-Analyse: Erst Fußball, dann Stresstest

Foto: Imago Images

Mit einem 2:1 über den FC Ingolstadt nimmt der 1. FC Kaiserslautern die erste Hürde im DFB-Pokal. In der ersten Hälfte souverän, später mit Schmerzen. Für die ein inkonsequenter Schiedsrichter mitverantwortlich ist.

Markus Anfang hatte es im DBB-Interview vor Saisonbeginn ja angekündigt: "Von diesem klassischen Systemdenken müssen wir langsam mal wegkommen", erklärte der Coach unter anderem, und: "Wir spielen in Räumen - da geht's nicht mehr so um eine klassische Grundordnung." Gleichzeitig äußerte er Verständnis dafür, dass Fußballbeschreiber ja irgendwie Worte und Begriffe finden müssen für das, was sie auf dem Platz sehen, und das sei ja auch "legitim".

In der Pokalpartie gegen Ingolstadt, dem erst dritten Pflichtspiel, in dem Anfang den FCK betreute, hat er's damit nun auf die Spitze getrieben. Nicht nur, dass er in seiner Startelf gegenüber der vorangegangen Partie gegen die SpVgg Fürth (2:2) gleich fünf Personalien änderte - nach seinen Ausführungen auf der Pressekonferenz am Donnerstag waren eher zwei, bestenfalls drei zu vermuten gewesen. Und wie deren Positionierung in der der Formations-Grafik dargestellt werden wollte oder sollte, sorgte auf den Presseplätzen erstmal für Rätselraten.

Überraschung: Kein Rechtsaußen, Touré vorne, Wekesser hinten

Im einzelnen waren Almamy Touré, Jan Gyamerah, Tobias Raschl, Philipp Klement und Jannik Mause neu nominiert worden, für Jan Elvedi, Jean Zimmer, Filip Kaloc, Richmond Tachie und Daniel Hanslik. Als Anfangs bevorzugte Grundordnung gilt ein 4-1-2-3. Wer aber sollte in dieser Besetzung Tachies Platz als Rechtsaußen einnehmen? Gemeinhin getippt wurde auf Raschl oder Kapitän Marlon Ritter.

Die Antwort, die sich dann auf dem Rasen herauskristallisierte: keiner. Den rechten Flügelstürmer gab kein FCK-Akteur dauerhaft, während Aaron Opoku gegenüber einen klassischen Linksaußen spielte. Raschl tauchte rechts eigentlich nie auf, Ritter gelegentlich, ab und zu wich Mause auf diese Seite aus. Am meisten anspielbar rechts vorne war der permanent aufrückende Touré.

Touré? Eine solche Rolle hätten regelmäßige FCK-Beobachter wohl eher Gyamerah zugetraut, dem Neuzugang aus Nürnberg. Der aber spielte auf der Sechs. Eine Position, für die ihn Anfang zwar schon mehrfach als Option genannt hatte, die der 29-Jährige in seiner Karriere bislang aber nur selten spielte. Meist lief er als Rechtsverteidiger auf, wurde auf dieser Position auch schon zwei Mal für Jean Zimmer eingewechselt, hin und wieder als Innenverteidiger. Hinten aber rückte Boris Tomiak wieder ein, der zuletzt auf der Sechs gespielt hatte.

Und während Touré ständig nach vorne marschierte, hielt sich dessen Gegenstück Erik Wekesser so weit zurück wie nie. Rückte sogar nach innen ein, wenn Tomiak sich nach rechts verschob, um den aufgerückten Touré abzusichern. So dass sich die Lautrer Grundformation in dieser Partie am ehesten als asymmetrisches 3-5-2 beschreiben ließe. Dass Linksfuß Klement halbrechts im Mittelfeld agierte, Rechtsfuß Raschl hingegen halblinks, überrascht da kaum noch.

"Windschief" geordnet, aber Spiel aus einem Guss

Wenn aber schon routinierten Lautern-Guckern von so viel Verwirrungsstiftung der Kopf rauchte, wie muss diese erst auf die Ingolstädter gewirkt haben? Ihre in den vergangenen Tagen erstellte und besprochene Gegner-Analyse konnten FCI-Trainerin Sabrina Wittmann und ihr Team nach Spielbeginn doch direkt in die Tonne kloppen.

Auch wenn ihr Team, zugegeben, schon in der ersten Minuten die erste Großchance verzeichnete. FCI-Mittelstürmer Pascal Testroet versiebt eine flache Hereingabe von links sechs Meter vor Lauterns Kasten. Vorausgegangen war ein Ballverlust Tomiaks im Spielaufbau. Der aber zustande kam, weil er vorher festgehalten wurde. Eine von vielen fragwürdigen Schiedsrichter-Entscheidungen, die noch folgen sollten.

Direkt danach aber demonstrierten die Gäste, dass sie dazugelernt haben, was Spielaufbau aus der Abwehr angeht. Wekesser und Raschl überwinden per Doppelpass Ingolstadts vordere Pressinglinie, Wekesser schickt den links durchstartenden Opoku, der zieht in die Mitte und legt dem einlaufenden Mause das Leder auf die Millisekunde getimt in die Box. Der tickst das Spielgerät an Keeper Simon Simoni mit einer Coolness vorbei, dass es die ihn bedrängenden Gegenspieler gefroren haben muss. 1:0 für die Roten Teufel, die diesmal im neuen weißen Auswärtstrikot auftreten.

Bis zur Pause spielten die Pfälzer dann aus einem Guss, ihrer windschiefen Grundordnung zum Trotz. Verteidigten trotz Führung weiterhin weit vorm eigenen Tor. Die letzte Linie stand bis zu 58 Meter hoch. Die Elf verzeichnete zeitweise 66 Prozent Ballbesitz, spielte ihre Pässe mit einer Genauigkeit von 85 Prozent, attackierte den Gegner immer wieder erfolgreich noch im eigenen Angriffsdrittel.

Mause trifft wieder, Ritter kann erhöhen - was gibt's zu meckern?

Mause, in der vergangenen Runde beim FCI als Torjäger im Einsatz, markiert in der 35. Minute das 2:0, aus einem Strafraumgewühl heraus, das nach einem Ritter-Freistoß entstanden war. Der Kapitän, der offensiv überall mal auftauchte, war es auch, der am nächsten dran war, das Ergebnis noch höher zu schrauben, und das gleich zweimal.

Einmal lenkt Simoni ein 16-Meter-Geschoss von "MR7" mit mehr Glück als Verstand noch übers Alu, einmal scheitert er halblinks aus spitzem Winkel am Keeper, als ihn erneut Opoku mit einem Präzisionspass erster Güte gefunden hat. Überhaupt war's bereits die dritte starke Vorstellung des Linksaußen in Folge. Stellt sich da endlich die Kontinuität ein, die der nunmehr 25-Jährige bei allem Talent bislang vermissen ließ?

Zu meckern gibt's in dieser ersten Halbzeit nicht viel. Außer: Zu den wenigen Chancen, zu denen die "Schanzer" kamen, kamen sie einfach zu leicht. Simon Lorenz darf eine Einwurf-Flanke aus acht Metern aufs Tor köpfen, kurz vor der Pause erwischt der gleiche Spieler nochmal eine Freistoßflanke mit dem Schädel. David Kopacz, unmittelbar vorm Lautrer Tor positioniert, springt eine halbhohe Rechtsflanke gegen das Bein, die ebenfalls leicht zu vereidigen gewesen wäre.

Der Bruch nach der Pause: Gyamerah sieht Gelb-Rot

Dennoch sieht in der Halbzeit alles nach einem souveränen FCK-Sieg aus. Vier Minuten nach Wiederbeginn aber kommt es zu einem Twist im Handlungsablauf, der so nicht vorherzusehen war. Gyamerah sieht Gelb-Rot. Krahl bringt ihn mit einem riskanten Flachpass ins Zentrum in Bedrängnis. FCI-Talent Max Plath luchst "Gyambo" den Ball ab, beide kommen zu Fall - okay, eine Fehlentscheidung war diese zweite Gelbe nicht unbedingt. Aber wer solche Maßstäbe ansetzt, muss Ingolstadts Lorenz bereits nach 34 Minuten Gelb-Rot zeigen, nach dessen Foul an Ritter.

Und an dieser Verhältnismäßigkeit lässt es das Schiedsrichter-Gespann um Robin Braun auch im Folgenden fehlen. Ja, die Wittmann-Elf kommt stark auf, ja, wieder mal muss Keeper Julian Krahl seinem Team den Allerwertesten retten, ja, der Drittligist haut sich engagiert rein in die Partie. Aber: Er übertreibt es auch, und das ständig.

Bezeichnend der Kommentar des FCI-freundlichen Live-Berichterstatters von "Sky", der Mitte der zweiten Halbzeit trocken feststellt, dass der zur Pause für Testroet eingewechselte Sebastian Grönning bislang nur durch Foulspiele aufgefallen sei. Vor allem Krahl wird auf und kurz vor der Torlinie immer wieder angegangen, als solle er gezielt aus dem Spiel genommen werden, und mindestens einmal geschieht dies rotwürdig. Das hätten souveräne Schiedsrichter auch ohne den VAR erkannt, der hinterher allenthalben vermisst wurde. Passender Netz-Kommentar eines FCK-Fans in Anspielung auf ein Fahrzeugmodell des Ingolstadter Hauptsponsors: "Audi TT - steht das für Treter-Truppe?"

Die linke Seite leckt - bis Kleinhansl kommt

Es muss allerdings ebenso gesagt werden: Die Roten Teufel drohten nicht nur den Faden zu verlieren, weil Schiri Braun und seine Assistenten ihn verloren, beziehungsweise, nie gefunden hatten. In der 59. Minute, als Reaktion auf den Platzverweis, kommt Elvedi für Wekesser - und von da an stimmt's auf der linken Verteidigerseite nicht mehr. Die "Schanzer" finden dort ständig Anspielstationen.

Das wird auch nicht viel besser, als nach 68 Minuten Hanslik und Leon Robinson für Klement und Raschl kommen - was insofern interessant ist, als dass Robinson dem robusten Kaloc vorgezogen wird. Nachhaltig gestopft wird das Leck erst, als in der 78. Minute Florian Kleinhansl für Opoku kommt. Linksverteidiger für Linksaußen. Damit beraubt sich der FCK zwar einer Option auf einen schnellen Konter, doch die linke Seite ist nun einigermaßen dicht. Und das Team versucht, in einer Art 5-2-2 über die Zeit kommen. Vorne versucht jetzt Ragnar Ache statt Mause, Bälle festzumachen.

In der 88. Minute schnackelt's dennoch. Der aufgerückte Ryan Malone darf in eine Kopacz-Flanke von links laufen und einköpfen. Hätte Krahl rauskommen müssen? Oder hätte der mitlaufende Elvedi den FCI-Innenverteidiger härter bedrängen müssen? Ähnliche Fragen stellten sich nach dem Gegentreffer beim 2:1 zum Saisonauftakt in Ulm.

Stresstest bestanden: Vielleicht eine gute Erfahrung für die Zukunft

Immerhin: Die sieben Minuten Nachspielzeit bringen die Pfälzer einigermaßen cool herum und es gelingt ihnen auch mit zehn Mann, den Ball vom eigenen Tor wegzuhalten. So dass sie von sich sagen dürfen, nach einer starken fußballerischen Darbietung in der ersten Hälfte in der zweiten einen recht anspruchsvollen Stresstest einigermaßen ordentlich bestanden zu haben. Eine Erfahrung, die mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf vielleicht noch wertvoll werden kann.

Heuer glänzt erneut als passsicherer Abwehrchef

Zu den Grafiken. In den Visualisierungen sind die Roten sind in diesmal die Ingolstädter. Und haben in der xG-Timeline deutlich die Nase vorne. In der Tat haben sich die vielen kleinen Gelegenheiten in Halbzeit 2 ganz schön zusammengeläppert. Andererseits erstaunt, dass die Mause-Treffer nur recht kleine Sprünge bewirken. Liegt wohl daran, dass in beiden Situationen mehrere Gegenspieler dicht an ihm dran waren. Da erkennt die Computer-Software nur ein recht kleines Schussfeld und bewertet entsprechend bescheiden.

xG-Timeline FCI-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK zeigt, was wir oben schon besprochen haben. Die Lautrer spielten mit Dreierkette, die sich Halbzeit eins weit nach vorne schob. Der Spot Elvedis (Nr. 33) verdeutlicht, wie tief sie sich nach dem Platzverweis zurückzog. Souverän einmal mehr der Auftritt des neuen Abwehrchefs Jannis Heuer. Seine Passpräzision wird von "Wyscout" mit 92 Prozent bewertet.

Passmap FCK

Zum Vergleich die FCI-Passmap: Da ist Lorenz (Nr. 32) der zentrale Aufbauspieler.

Passmap FCI

Und zum Schluss noch die Duell-Übersicht: Ja, auch da sehen die Gastgeber unterm Strich gut aus. Dennoch war einiges zu hart. Und hätte für sie anders ausgehen können, hätte ihnen der Schiedsrichter weniger durchgehen lassen.

Zweikampf-Duelle FCI-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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