Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SSV

Die DBB-Analyse: Am besten einfach vergessen

Die DBB-Analyse: Am besten einfach vergessen


Die Remis-Serie des 1. FC Kaiserslautern ist gerissen. Allerdings nicht so, wie sein Anhang es sich vorgestellt hatte: 0:3 zuhause gegen Jahn Regensburg. Die "Comebacker der Liga" sind sich untreu geworden.

Anscheinend muss es Tage wie diesen einfach geben. Einmal in der Saison, mindestens. Spieltage, an denen die Fans mit den schönsten Erwartungen auf den Betzenberg pilgern, an denen das Hochgefühl dann aber schon kurz nach Anpfiff einem unguten Bauchgrummeln weicht: Das wird heute nichts. Der letzte Tag dieser Art war der 30. April dieses Jahres. Da strömten über 48.000 Menschen ins Fritz-Walter-Stadion, um Zeuge zu werden, wie die Roten Teufel gegen Borussia Dortmund II auf einen direkten Aufstiegsplatz stürmen. Zu sehen bekamen sie von ihrem Team jedoch nur ein uninspiriertes Gebolze, das zurecht mit einer 1:3-Heimniederlage endete. Die Pfälzer mussten sich die Rückkehr ins Unterhaus dann über die Relegation sichern.

An diesem Sonntag war es wieder soweit. Nach dem ehrenwerten 1:1 vor Wochenfrist beim Tabellenführer Hamburger SV war die Stimmung bis zum Anpfiff bestens. Doch schon nach wenigen Minuten begann sie sich zu trüben. Schienen da doch gleich elf Jungs allesamt mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.

So viele Abwehrböcke in elf Minuten - geht’s noch?

Nicht nur, dass die Gäste schon nach acht Minuten 1:0 führten, nach elf hatten sie zusätzlich noch zwei Aluminiumtreffer zu verzeichnen. Für den ersten zeichnete Kaan Caliskaner nach sechs Minuten verantwortlich: FCK-Keeper Andreas Luthe hatte eine Rechtsflanke von SSV-Mittelstürmer Andreas Albers in die Strafraummitte abgewehrt, direkt vor die Füße des Gegners.

Vor dem Führungstreffer konnte zunächst Lauterns Mittelfeldzentrale den Ball nicht behaupten, anschließend hinterlief Regensburgs Linksverteidiger Lasse Günther seinen Vordermann Charalambos Makridis, ohne dass ihm jemand folgte. Boris Tomiak und Luthe tauchten unter seiner Flanke hindurch, Albers vollstreckte mit dem Kopf. Und nochmal drei Minuten später ließ sich Innenverteidiger Kevin Kraus von Caliskaner den Ball abjagen. Der lief frei auf Luthe zu, traf aber nur den Pfosten.

So viele Abwehrböcke in nicht einmal einer Viertelstunde, und dann sind mit Kraus und Luthe daran auch noch zwei der erfahrensten Spieler im Team maßgeblich beteiligt. Also die, die den Jüngeren eigentlich helfen sollen, die Nerven im Griff zu behalten - geht’s noch?

Ein paar Chancen, aber kaum eine war herausgespielt



Aber: In den vergangenen Wochen haben sich die Roten Teufel ja den Ruf als "die Comebacker der Liga" erworben. Acht Mal schon sind sie nach Rückständen zurückgekommen. Warum also sollte es nicht auch noch ein neuntes Mal klappen? Freunde Russischen Roulettes wissen freilich: Wenn die Patronenkammer bei fünf Schussversuchen immer leer war, muss sie es beim sechsten nicht auch noch sein.

In der übrigen ersten Hälfte kam der FCK zwar etwas besser, aber nicht wirklich gut ins Spiel. Bezeichnend, dass die ersten, halbwegs vernünftigen Chancen aus Umschaltsituationen resultierten, wie sie sich einer in Rückstand geratenen Heimmannschaft eher selten eröffnen. Philipp Klement, Terrence Boyd und Kenny Redondo spielten eine Drei-gegen-Zwei-Situation gut aus, Klement kam halblinks zum Schuss, scheiterte aber an Keeper Dejan Stojanovic. Boyd kam halbrechts zum Schuss, nachdem ein Stojanovic-Abschlag volley ins Angriffsdrittel retourniert wurde.

Ein Boyd-Kopfball nach einer Flanke von Marlon Ritter aus dem rechten Halbfeld war die einzige Torannäherung, die die Gastgeber aus dem Spiel heraus zustande brachten, wenn die gegnerische Hintermannschaft sie geordnet erwartete. Ansonsten waren da nur zwei Kopfballansätze Tomiaks und Boyds nach Freistoßflanke und Ecke Klements zu verzeichnen. Szenen, nach denen die treuesten Fans zu sagen pflegen: An guten Tagen kann so einer auch mal reingehen. Aber so ein Tag war dieser Sonntag nicht.

Die Ketten-Diskussion hilft da nicht weiter

Lag es daran, dass das FCK-Team nicht mit der "Favoritenrolle" klarkam, die ihr sogar Dirk Schuster vor dem Spiel zugestanden hatte? Unsinn. Ebenso wenig ist es hilfreich, an dieser Niederlage die Diskussion "Vierer- oder Dreierkette?" festzumachen.

Ja, Schuster hatte nach dem respektablen 1:1 in Hamburg seine Startformation nicht ändern wollen und darum wieder mit einer Dreierkette begonnen. Und ja, der Trainer hatte vor dem Spiel selbst gesagt, dass dieses Spiel ja ein vollkommen anderes werden würde. Und ja, eine Viererkette mit zwei Außenverteidigern, die die vorderen Flügelspieler absichern und mit Läufen die Linie entlang unterstützen, ist grundsätzlich besser geeignet, um ein Spiel breit zu machen, wie es gegen diesen Gegner nötig gewesen wäre.

Aber es ist durchaus auch möglich, in einem 3-4-1-2, wie es der FCK in der ersten Hälfte praktizierte, über die Außenbahnen zu kommen. Wenn etwa ein Redondo, als zweiter Stürmer aufgeboten, immer wieder auf die Flügel ausweicht, wenn ein Klement und ein Ritter das Zusammenspiel mit den Schienenspielern Hendrick Zuck und Erik Durm suchen. So, wie sie es gerade auch in Hamburg taten. An diesem Sonntag aber agierte die Mittelfeldzentrale zu pomadig, sodass der Defensivverbund der Regensburger kaum in Bewegung kam und auch stabil blieb, wenn die Schuster-Jungen dann irgendwann mal den absehbaren langen Ball schlugen.

Der Jahn dominierte auch bei ruhenden Bällen

Hauptsächlich mussten die Gäste sich darauf konzentrieren, die Lufthoheit bei ruhenden Bällen zu bewahren. Das gelang ihnen auch - bei nahezu allen elf Ecken der Lautrer sowie diversen Freistoßflanken, für die sich meist Klement verantwortlich zeichnete. Und von ihren fünf eigenen Eckbällen vermochten sie eine zu verwandeln. Diese zirkelte Makridis in der 57. Minute aufs kurze Eck, und Albers vollstreckte abermals. Tomiak stand unmittelbar bei dem Dänen, Boyd nah hinter ihm. Zwei von den stärksten Kopfballspielern also. Was für ein gebrauchter Tag.

Schuster hatte seine Abwehr bereits in der Pause auf Viererkette umgestellt. Innenverteidiger Kraus war hinausgegangen, Aaron Opoku gekommen, und der übernahm die offensive Flügelposition rechts. Auf das 0:2 reagierte der Trainer dann mit einem Dreifach-Wechsel: Jean Zimmer für Durm, Tyger Lobinger für Ritter, Mike Wunderlich für Klement.

Vier Mann vorne - und trotzdem keine Angriffswucht

Lobinger und Boyd nun als Doppelspitze, außen Opoku und Redondo, auf der Zehn Wunderlich - das sah zeitweise wie ein 4-1-1-4 aus. Angriffswucht entstand daraus allerdings nicht. Die vier Stürmer schienen sich eher gegenseitig die Räume eng zu machen. Die Zahl der Tor-Annäherungen nahm eher ab als zu. Stojanovic musste sich bei einem Boyd-Kopfball mal ordentlich strecken, aber sonst?

Auch die Flügelverteidigung der Roten Teufel funktionierte mit Viererkette nicht unbedingt besser. Vor dem 0:3 verzauberte Makridis erst mal ein wenig Zimmer, bevor er auf Kompagnon Günther zurücklegte und der erneut in die Mitte flankte. Diesmal war der eingewechselte Prince Osei Owusu zur Stelle. Er musste allerdings erst ein paar Momente aufs VAR-Urteil warten, ehe er jubeln durfte.

Owusu? Wir erinnern uns an unseren Gegner-Check: Das ist der Stürmer, mit dem die Regensburger bislang gar nicht zufrieden waren. Gegen Lautern durfte er sich nun ein wenig Selbstsicherheit zurückholen. Überhaupt hat sich der FCK in diesem Spiel zum Aufbaugegner für ein schwächelndes Team gemacht. Ganze neun Treffer hatte der Jahn vor dieser Partie zustande gebracht. Jetzt sind es zwölf, und es hätten gut und gerne noch ein, zwei mehr sein können.

Zu wenig Passspiel an den wichtigen Punkten

Bundesliga.de meldet 2.48 expected Goals für den SSV. "11tegen11" dagegen verzeichnet nur 2.02 xGoals für die Oberpfälzer, für den FCK dagegen nur einen Wert von 1.00 (bundesliga.de: 1.01). Schön zu sehen ist in Sander Ijtsmas Timeline, wie wenig Durchschlagskraft der Quasi-Vier-Mann-Sturm in der Schlussviertelstunde hatte. Die Timeline der Regensburger hat der Computer wieder mal "weiß auf weiß" eingezeichnet. Blöder Fehler, können wir aber nicht ändern. Sorry.

xG-Plot FCK-Regensburg

Die Positions- und Passgrafik offenbart spätestens auf den zweiten Blick, woran es beim FCK in dieser Partie haperte: Von Durm führt keine Linie auf die Offensivspieler Klement, Redondo und Boyd, auch das Mittelfeldtrio Julian Niehues, Klement und Ritter passte sich untereinander nicht viel zu.

Passmap FCK

Interessant die Positions- und Passgrafik der Regenburger. Die hinteren Reihen passen sich untereinander kaum den Ball zu, dafür sind die vor quicklebendig. Und wenn man dann noch 3:0 gewinnt, wer will da meckern.

Passmap Regensburg

Unterm Strich ein Spiel, nach dem der Schuster-Truppe vor allem eins zu raten ist, wenn sie in die Spur zurückfinden will: Vergesst es einfach. Ganz schnell.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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