Siege, die auf dem Papier leicht zu erringen sind, stellen sich auf dem Rasen oft als die schwersten dar. Das könnte der 1. FC Kaiserslautern am Sonntag auch gegen Jahn Regensburg erleben. Aber nur, wenn er den Gegner selbst aufbaut.
Absturz nach Traumstart: Wohl niemand sagte dem SSV Jahn eine große Zukunft in der 2. Bundesliga voraus, als er vor der Spielzeit 2017/18 aufstieg. Jetzt kickt der bescheiden wirtschaftende Klub bereits im sechsten Jahr im Unterhaus. Die ersten beiden Jahre platzierte er sich sogar einstellig. Zu den Abstiegskandidaten gerechnet wird Regensburg vor jeder Saison, vor dieser fielen die Prognosen sogar besonders düster aus. Wieder mal hatten Leistungsträger den Jahn verlassen, ohne dass viel Geld floss, etwa Keeper Alexander Meyer oder das ehemalige Lautrer Eigengewächs Erik Wekesser. Wieder mal war fraglich, ob die Nachverpflichtungen sie ersetzen können. Mit zwei Siegen in der Liga und einem DFB-Pokal-Triumph über Bundesligist 1. FC Köln zum Start schienen die Regensburger jedoch wieder mal allen Skeptikern eins auszuwischen. Es folgten noch ein Unentschieden gegen den 1. FC Nürnberg und ein knappes 0:1 bei Hannover 96, bei denen ihnen ein starkes Auftreten bescheinigt worden war. Dann kam der Bruch: Ein peinliches 0:6 zuhause gegen den Karlsruher SC, anschließend ein krasses 0:4 bei Fortuna Düsseldorf. Seither glückte dem SSV nur noch ein 2:0-Sieg gegen den FC St. Pauli.
Vorne hakt's: Wo die dringendsten Probleme liegen, macht ein simpler Blick auf die Tabelle klar. Nur neun Treffer haben die Regensburger erzielt, damit bewegen sie sich als einziger Zweitligist noch im einstelligen Bereich. Der ehemalige Paderborner Prince Osei Owusu, als Sturmtank vorgesehen, enttäuschte bislang. Der dänische Mittelstürmer Andreas Albers, vergangene Saison immerhin neun Mal erfolgreich, traf nur zum Saisonauftakt, zu dem der SSV immerhin Darmstadt 98 schlug, dann noch zwei Mal gegen St. Pauli, ansonsten herrschte Funkstille. Eigentlich sollte auch der technische beschlagene Sarpreet Singh auch im zweiten Jahr als Leihgabe von Bayern München die Offensive beleben. Bei dieser Personalie jedoch unterlief dem Management der Oberpfälzer ein blöder Anmeldefehler, so dass Singh aktuell nicht spielberechtigt ist. Nein, es läuft wirklich nicht rund in der Heimat der berühmten Domspatzen.
Der Hoffnungsträger: Beim 2:2 gegen die SpVgg Fürth zuletzt traf Kaan Caliskaner zwei Mal. Ein 22-Jähriger, am Niederrhein ausgebildet, der nach zwei rauen Jahren am Regen den Durchbruch nicht geschafft hatte und im Sommer schon als Abschiebekandidat galt. Ein bereits Totgesagter, der seinem Klub am Ende doch noch den Allerwertesten rettet? Das wäre wieder einmal eine von den Geschichten, wie sie nur der Fußball schreibt. Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic hat nach diesen Treffern auch sofort versichert, dass er ja eigentlich schon immer viel von Caliskaner gehalten hat - so etwas hören gerade auch Spätentwickler gerne. Des einen Freud könnte das Leid eines anderen Ex-Lautrers bedeuten: Nicklas Shipnoski, seit Januar von Fortuna Düsseldorf ausgeliehen und seither überwiegend Stammkraft, musste gegen Fürth zuletzt 83 Minuten die Bank drücken - weil Caliskaner ihm vorgezogen wurde. Beide sind offensiv aber variabel einsetzbar, sodass auf dem Betze auch beide in der Startelf stehen könnten.
Defensiv besser, aber nicht gut: Um Ersatz für Keeper Meyer zu beschaffen, investierte der Jahn für seine Verhältnisse sogar mal Geld: 300.000 Euro hat er angeblich für Dejan Stojanovic an den FC Middlesbrough (England) überwiesen. Der Ösi machte seine Sache bislang ordentlich, leistete sich aber beim Gegentreffer zum 0:1 gegen den 1. FC Magdeburg eine Slapstick-Einlage, als er einen Aufsetzer nach einem Abschlag von FCM-Keeper Dominik Reimann unterlief und so Luca Schuler das Siegtor ermöglichte. Als stabilisierendes Element der Defensive hat sich Sechser Maximilian Thalhammer etabliert, der vom FC Ingolstadt zurückgeholt wurde. Insgesamt hat Regensburg 17 Gegentreffer kassiert, also ebenso viele wie der FCK. Ein Mittelklasse-Wert. Auch nach "xGoals against" liegen beide Teams fast gleichauf. Auffallend viele Treffer kassiert der Jahn allerdings über die linke Seite, sowohl aus dem Spiel heraus als auch über ruhende Bälle.
Kurzer Brückenschlag zum FCK: Sprachen wir gerade von xGoals? Das müssen wir mal kurz zum Anlass nehmen, auf die andere Seite zu blicken. Nach dem 1:1 beim HSV am Samstag fanden manche FCK-Fans, dass Terrence Boyd einfach zu viel liegen lässt, auch wenn er mit fünf Treffern nach wie vor die teaminterne Torschützenliste anführt und damit sogar ligaweit zu den Besten gehört. Nüchtern statistisch betrachtet, hätte in der Tat ein bisschen mehr von ihm erwartet werden dürfen: 6.22 xGoals weist "Wyscout" für Boyd aus. Gegenüber fünf tatsächlich erzielten Buden klingt das immer noch "close by", aber es fällt auf: Von Boyds Nachbarn in der Torjägerliste - Felix Platte, Marvin Pieringer, Philipp Tietz - hat der Computer ausnahmslos weniger Tore erwartet, als diese Stürmer in echt erzielt haben. Drum nennt man solche Leute ja auch Torjäger oder Knipser: Weil sie treffen, wo andere nicht treffen. Ausnahme: Der Hamburger Robert Glatzel, der die Torjägerliste mit sieben Treffern anführt, steht bei 7,3 xGoals. Die wiederum hat er wohl FCK-Keeper Andreas Luthe zu verdanken, der am Samstag zwei Topchancen Glatzels mit Glanzparaden zunichtemachte. Die coolsten xGoals-Werte beim FCK verzeichnen übrigens Kenny Redondo und Mike Wunderlich. Beide haben vier Treffer erzielt, laut Analyse-Software hätten es aber nur 2,62 beziehungsweise 2,54 sein dürfen.
Fazit: Hannover 96 und den FC St. Pauli geschlagen, gegen Darmstadt 98 beinahe gewonnen und bei Tabellenführer Hamburger SV höchst ehrenwert 1:1 gespielt - da muss ein Sieg am Sonntag doch selbstverständlich sein. So ähnlich hat der FCK-Anhang auch schon vor dem Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig gedacht, und dann wurde auch da nur ein Remis draus. Aber: Braunschweig kam als Kellerkind, das nach schwachem Saisonbeginn gerade wieder erstarkt war. Die Regensburger dagegen sind nach Traumstart auf dem absteigenden Ast. Da kann der FCK eigentlich nur einen Fehler machen: nach längerer Zeit mal wieder zum Aufbaugegner für schwächelnde Teams werden. Trotz des mauen 1:1 am Ende haben die Roten Teufel gegen Braunschweig gezeigt, dass sie sich auch gegen tief stehende Gegner in Schusspositionen bringen können, indem sie sich diesen mit langen Pass-Stafetten zurechtlegen und im richtigen Moment den diagonalen Ball auf den Flügel suchen. Daran gilt es am Sonntag weiterzuarbeiten. Und wenn Boyd im Lauf der Woche mal sein Visier nachjustiert - ein Treffer nach den jüngst vergebenen Chancen wäre geradezu typisch für den 31-Jährigen -, sollte eigentlich nichts anbrennen.
Quelle: Der Betze brennt
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- Sonntag, 13:30 Uhr: Nächster Anlauf gegen den Jahn (Der Betze brennt)