Taktik-Nachlese zum Spiel MSV-FCK

Die DBB-Analyse: "Schlag den Raab" endet mit Eigentor

Die DBB-Analyse: "Schlag den Raab" endet mit Eigentor

Foto: Imago Images

Nach vier Siegen in Folge muss der 1. FC Kaiserslautern wieder ein Remis hinnehmen, bei dem am Ende der Aufwand in einem schlechten Verhältnis zum Ertrag steht. Anlass, darüber allzu lange nachzugrübeln, bietet dieses 1:1 beim MSV Duisburg dennoch nicht.

Dass Marco Antwerpen hinterher die erste Halbzeit seiner Mannschaft als "überragend" bezeichnete - da mag der ein oder andere, der ein Spiel nach seinem "Unterhaltungswert" beurteilt, sprich, der Zahl aufregender Torszenen, eine Grimasse gezogen haben. Tatsächlich aber bewegte sich die FCK-Elf in den ersten 45 Minuten sogar besser übers Feld als in den siegreichen Partien zuvor. Sie kontrollierte die Phase, in der es 0:0 stand, souveräner als zuletzt. Und das, obwohl sie länger auf den Führungstreffer warten musste, der die Weichen jüngst stets zu ihren Gunsten stellte. Diesmal dauerte es 44 Minuten, bis Innenverteidiger Boris Tomiak traf.

Vor rund sechs Wochen noch, nach dem 0:1 in Magdeburg, hatten wir bitterlich beklagt, dass im FCK-Team keiner so recht einen Plan zu haben scheint, wie seine Mitspieler sich bei Ballbesitz bewegen. Davon kann nun keine Rede mehr sein. Sowohl ballnah als auch ballfern werden dem Ballführenden ständig Angebote geschaffen. Und der trifft meistens die richtige Entscheidung, ob das Leder kurz oder lang - mal vertikal, mal diagonal - zu spielen ist.

Balleroberungen noch vor der 40-Meter-Linie: So soll das sein

Ebenso wirkt das Pressing-Spiel von Woche zu Woche besser strukturiert. Stürmer Daniel Hanslik attackiert vorne, erzwingt Abspiele auf die Außenverteidiger. Die hängende Spitze René Klingenburg versucht, Zuspiele in den Sechser-Raum zu unterbinden. Der Spieler auf der Halbposition - Mike Wunderlich oder Felix Götze - und der jeweilige Schienenspieler - Hendrick Zuck oder Philipp Hercher - bejagen den ballführenden Gegner an der Außenlinie. In Duisburg gelangen etliche Balleroberungen auf diese Weise noch vor der 40-Meter-Linie. So soll das sein.

Für Hochgefühle im Fan-Lager der Zebras sorgten eigentlich nur ein 20-Meter-Geschoss des Ex-Lautrers Marlon Frey - da hatten die Roten Teufel den Ball über zu viele Stationen um ihren Strafraum herum laufen lassen. Und eine kurze Einschussmöglichkeit für Orhan Ademi - bei der Kevin Kraus einen langen Ball, der eigentlich leicht abzufangen gewesen wäre, falsch einschätzte.

Trotz Spielkontrolle nur wenig Strafraumszenen

Doch obwohl der FCK die Partie ansonsten kontrollierte - für so richtig Gefahr im Duisburger Strafraum sorgte er nur zwei Mal. Einmal nach einem fraglos genialen Pass Marlon Ritters aus dem Zehnerraum auf den halblinks einlaufenden Zuck. Der nahm das Leder zwar schulmäßig an, verzockte allerdings den anschließenden Torschuss. Und ein weiteres Mal nach einem eher uninspirierten Fernschussversuch Alex Winklers, der abgefälscht wurde und ums Haar vor den Füßen Hansliks landete. Aber eben nur ums Haar.

Dass es in dieser ersten Hälfte nicht zu mehr Herzschlagmomenten aus dem Spiel heraus kam, lag an einigen unsauberen Zuspielen in das Zentrum. Insbesondere Herchers Flanken erreichten nicht die Präzision, die sie zuletzt hatten. Einmal hätte der halbrechts einlaufende Götze gefährlich werden können, hätte Hercher ihn nur genauer angespielt. Und in Hälfte zwei agierte der zuletzt so zuverlässige Schienenspieler auch defensiv nicht immer fehlerfrei. Sein Laufpensum erfüllte er dennoch.

Wie schön: Trefferquote bei Standards bleibt bei 30 Prozent

Aber: "Wenn aus dem Spiel heraus nichts geht, muss es eben eine Standardsituation richten." Darf der Satz eigentlich noch als Weisheit gelten - oder ist er längst Plattitüde? Ist eigentlich egal - solange das eigene Team ihn auf dem Platz umsetzt. Jahrelang haben sich FCK-Freunde danach gesehnt, dass ihr Team Standards könnte. Nun endlich haben sie es gelernt. Schon nach 29 Minute setzte Winkler einen Freistoß von Wunderlich aus dem linken Halbfeld nur knapp über die Torlatte, und nach 44 Minuten war es dann soweit:

Nach erneuter Wunderlich-Flanke aus fast gleicher Position vollstrecke Tomiak, allerdings nicht direkt: Klingenburg hatte sich den Ball zunächst aus dem Gedränge gewühlt, dann behauptet und anschließend auf den 23-Jährigen weitergeleitet. Und der vollendete mit einem für einen Abwehrspieler erstaunlichen Feingefühl. Damit pendelt sich die Trefferquote der Roten Teufel nach ruhenden Bällen in dieser Saison weiterhin bei rund 30 Prozent ein. Das soll, das muss so sein in funktionierenden Teams, das wissen die Statistiker schon lange.

Hälfte zwei: Die Zebras pressen wie aus dem Lehrbuch

Und in Hälfte zwei? Da verloren die Pfälzer zumindest in der ersten Viertelstunde ziemlich den Faden. Frey aus kurzer Distanz und Kolja Pusch mit zwei Distanzschüssen hätten durchaus den Ausgleich markieren können. Den Lautrern aber einfach "Schludrigkeit" vorzuwerfen, wie es in Nachbetrachtungen bei "Magenta Sport" geschah, wird der Leistung der Duisburger nicht gerecht, die in den zweiten 45 Minuten über längere Phasen Angriffspressing wie aus dem Lehrbuch praktizierten. Da blieb den Abwehrspielern oft nur, den langen Ball nach vorne zu versuchen. Und wenn der an der Mittellinie gleich wieder abgefangen wird, gibt’s eben keine Entlastung.

Blöd halt, dass der Ausgleichstreffer in einer Phase fiel, als die Gäste das Spiel wieder einigermaßen in den Griff bekommen hatten. Und wer weiß, wenn Frey Ritters langen Marsch durch Mittelfeld mit einem taktischen Foul gestoppt hätte - vielleicht müsste sich dann jetzt kein Fan über die Art und Weise ärgern, wie dieses 1:1 zustande kam.

Nicht übers Eigentor sprechen, sondern über den Zweikampf am Sechzehner

Der einmal mehr bockstarke Matheo Raab hatte gegen Frey eigentlich schon aus kürzester Distanz glänzend pariert, doch drückte Wunderlich den Abpraller ungewollt über die Linie. Einfach nur Pech, dass Raabs 615 Minuten ohne Gegentor ausgerechnet so enden mussten. Die gesamte 3. Liga hatte zuletzt bei dieser Variante von "Schlag den Raab" mitgefiebert. Das Eigentor an sich sollte in der Aufarbeitung mit dem Team jedoch schnell abgehakt werden. Zu besprechen ist vielmehr, wie die Situation heraufbeschworen wurde: Pusch setzte sich nach einem Zuspiel des eingewechselten Aziz Bouhaddouz am Sechzehner gegen Ritter einfach zu leicht durch.

Wohlwollend zu notieren ist dagegen: Im Gegenzug ging der FCK fast erneut in Führung. Zuck bediente mit einer Flanke den eingewechselten Kenny Redondo, der an MSV-Keeper Leo Weinkauf scheiterte. Dieses "Direkt-Zurückschlagen-Wollen" kann man, wenn man will, ebenfalls als Zeichen des neuen Spirits deuten, der dieses Team seit einigen Wochen beseelt.

Sonntag gegen Würzburg: Neben Götze fehlt auch Hanslik

Götzes erneute schwere Kopfverletzung nahm dann aber jede Freude am Spiel, auch wenn es mittlerweile Entwarnung gab und der 23-Jährige "nur" mit einer Gehirnerschütterung davon kam. Mehr als den Schlusspfiff wollte anschließend im Lautrer Lager niemand mehr erleben. Bleibt nur zu hoffen, dass für den Jungen auch diesmal wieder alles möglichst schnell ins Lot kommt. Für die Elf von Marco Antwerpen heißt es jetzt erst einmal, kommenden Sonntag gegen Zweitliga-Absteiger Würzburg auf dem Kurs zu bleiben, den sie auch in dieser Partie nicht verlassen hat - auch wenn es nur mit einem Remis belohnt wurde.

Ersetzt werden muss neben Götze auch Stürmer Hanslik, der sich in der Schlussminute noch Gelb-Rot einfing, was sicher nicht hätte sein müssen. Und man darf jetzt schon gespannt sein, wen der Coach als seinen Stellvertreter ausguckt. Hanslik war zuletzt zwar nicht als Goalgetter in Erscheinung getreten, hatte aber mit seinen Rochaden auf die Flügel Platz für die torgefährlichen Mittelfeldspieler geschaffen und auch im Spiel gegen Ball des Trainers Matchplan vorbildlich umgesetzt. Ob die mutmaßlichen Nachrücker Muhammed Kiprit und Elias Huth dies auch so gut hinbekommen?

Ergänzung, 27.10.2021: Die xG-Plots: Von wegen "gerechtes Unentschieden"

Die Timeline der qualitativ bewerteten Torchancen drückt es drastischer aus, als man es nach den eigenen, subjektiven Eindrücken vielleicht wahrgenommen hat: Dass es am Ende ein "verdientes" Unentschieden gewesen sein soll, das vor allem die Gastgeber gesehen haben wollten, haut nicht so ganz hin. Bei allem Respekt vor Puschs kernigen Distanzschüssen: So einer kann natürlich auch mal einschlagen, nach der Bewertungsmethode Sander Ijtsmas und seiner "expected Goals"-Software ist die Wahrscheinlichkeit jedoch nicht sonderlich hoch. Quasi keine MSV-Chance in den ersten 45 Minuten, am Ende ein xG-Ergebnis von 1.62 : 0.59 und eine Siegeswahrscheinlichkeit von 64 Prozent zugunsten des FCK - so sieht’s aus.

xG-Plot MSV-FCK

Die Positions- und Passgrafik zeigt einmal mehr das asymmetrische Flügelspiel der Lautrer und wie es zu erklären ist: Hercher geht lieber die Linie lang als Zuck, der sich in der Regel schon früh vom Ball trennt, diesmal aber nicht so ins Passspiel einbezogen war wie in den jüngsten Partien.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Duisburger: Da sind die Spots einen Tick gleichmäßiger über die Breite des Spielfelds verteilt.

Passmap MSV

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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