Spielbericht: SC Verl - 1. FC Kaiserslautern 0:2

Ihr könnt es doch!

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Foto: Eibner/Neis

Der 1. FC Kaiserslautern schenkt seinen Fans mit dem 2:0-Erfolg über den SC Verl nach Ewigkeiten mal wieder einen Auswärtssieg. Der Chancenwucher, den die Roten Teufel betreiben, bleibt am Ende ungesühnt.

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Düstere Szenarien hatte sich so mancher FCK-Fan vor der Partie schon ausgemalt. Zu oft war die Fanseele in den letzten Monaten - nein, Jahren - nach leidenschaftlichen Auftritten wie dem beim 0:0 im Derby gegen Mannheim schon enttäuscht worden. Am Vortag siegten zudem noch die Tabellennachbarn und drückten Lautern vorläufig auf einen Abstiegsplatz. Bei einer neuerlichen Niederlage, so viel war klar, würde es am Betzenberg aber mal so richtig ungemütlich. Trotzdem kamen - auch so kennt man eben die FCK-Fans - rund 800 Schlachtenbummler mit ins fast 450 Kilometer entfernte Lotte, wo Verl seine Heimspiele austragen muss. Insgesamt gerade mal 1.424 Zuschauer hatten sich im Stadion am Lotter Kreuz eingefunden, darunter auch die Lautrer Ultras, die nach ihrem Comeback in Magdeburg zum zweiten Mal in dieser Saison wieder organisiert bei einem Spiel dabei waren. Eine eigene Busbesatzung steuerte auch der Internet-Fanclub "Wir sind Betze" bei, der mittlerweile über 1.000 Mitglieder zählt und gegen Verl seine Vier-Jahres-Fahrt startete. Zumindest auf den Rängen war also schon vor dem Anpfiff klar: Der FCK behält die Oberhand. Über 90 Minuten waren einzig und allein die FCK-Fans zu hören, mal etwas monoton, mal richtig schön laut, die die Kurve zudem mit einigen Schwenkfahnen und Zaunfahnen auch optisch schmückten. Vor dem Anpfiff wurden zudem die Stadionverbotler gegrüßt, die trotz Zuschauer-Rückkehr nicht mit rein durften: "Sektion SV - Immer bei uns". Die direkt nebendran auf der Gegentribüne postierte kleine Fanszene aus dem 70 Kilometer entfernten Verl konnte sich dagegen nur selten bemerkbar machen.

Lautern bricht den Tore-Fluch: So einfach kann Fußball sein

Fußballerisch setzte Marco Antwerpen wieder auf ein 3-4-3-System bei eigenem Ballbesitz, so wie er es schon gegen Mannheim praktizieren wollte, nach den zwei Platzverweisen aber schnell über den Haufen werfen musste. Gegen den Ball formierte sich defensiv eine Fünferkette, die nahezu über die kompletten 90 Minuten eine hervorragende Arbeit machte. So viel gescholten die FCK-Offensive ist, so stabil ist insgesamt die Abwehr: Nur acht Gegentore in neun Ligaspielen, vier davon beim Debakel in Berlin - nur Osnabrück kassierte noch weniger Treffer. Matheo Raab sollte heute in Lotte gar das vierte Mal zu null spielen.

Und zur Abwechslung galt dies einmal nicht auch für die Offensive. Zugegebenermaßen: Bis zur 33. Minute war wieder viel Ballgeschiebe zu sehen, selten landete ein Zuspiel einmal im Strafraum oder in Tornähe. Doch in jener 33. Minute verlagerte Mike Wunderlich das Spiel schön auf die linke Seite, wo Hendrick Zuck eine passgenaue Flanke schlug und auf der anderen Seite Philipp Hercher fand, der zum 1:0 einköpfte. Endlich! Das erste Auswärtstor der Saison, für Mannschaft und für Fans. Was für ein ungewohnter Segen.

Chancenwucher bleibt ohne Folgen: Kiprit beendet das Zittern

Zur Freude der rund 800 FCK-Fans hörte die Mannschaft auch im zweiten Durchgang nicht auf, Fußball zu spielen. Im Gegenteil. Jetzt wurde auch die Offensive so richtig wach, zeigte aber zunächst einmal mehr, dass sie nach wie vor unter Ladehemmung leidet. In der 57. Minute umkurvte Wunderlich kunstvoll die Verler Defensive und ließ sie wie Schulbuben aussehen, steckte den Ball durch zu René Klingenburg, der sich die Ecke eigentlich aussuchen konnte. Eigentlich ein wirklich genialer Offensiv-Spielzug. Doch der Abschluss des 27-Jährigen glich mehr einem Rückpass denn einem Torschuss. Obendrein musste er danach verletzt ausgewechselt werden, der Muskel hatte zugemacht. Für Klingenburg kam Muhammed Kiprit, der noch wichtig werden sollte. Es war der Anfang eines Fehlschuss-Festivals: In der 68. Minute traf Daniel Hansliks Schuss nur den Pfosten, drei Minuten später vergab auch Nicolas Sessa nach Hanslik-Vorlage freistehend vor Verl-Torhüter Niclas Thiede. Sessa, auf dem weiterhin viele Hoffnungen ruhen, enttäuschte heute insgesamt, hatte viele Ungenauigkeiten und Fehlpässe in seinem Spiel.

Eine Viertelstunde vor dem Ende kam dann die Minute des eingewechselten Kiprit: Erneut war es Hercher, der einen Ball von rechts in den Strafraum brachte, Kiprit stand dort, wo ein Stürmer zu stehen hat und aus wenigen Metern ins Tor einnetzen konnte. Die Mannschaft jubelte ausgelassen vor dem Gästeblock mit den Fans, das hatte es seit dem 1:1 im Auswärtsderby am 29. Februar 2020 in Mannheim nicht mehr gegeben! Gefühle, die man schon fast zu vergessen drohte.

Wunderlich für den Jahresrückblick - Verdienter Jubel am Gästeblock

In der 82. Minute kam es dann aber noch zu einer Szene für den Jahresrückblick: Verls Keeper Thiede kam weit aus seinem Kasten gelaufen, wo er den Zweikampf gegen Dominik Schad verlor. Der lupfte den Ball zu Wunderlich, der alleine aufs leere Tor zulief, jedoch zu lange zögerte und sich schließlich vom Torhüter den Ball noch abgrätschen ließ. Eine unglaubliche Szene! Nach Ansicht der Fernsehbilder stellte sich zwar heraus, es wäre Abseits gewesen, aber der Schiedsrichter sah dies nicht und das Tor hätte somit gezählt. Es wäre typisch gewesen, wenn diese vergebene Chance dem FCK am Ende noch zum Verhängnis geworden wäre. Heit awwer ned, wie man in der Pfalz zu sagen pflegt. Also Kopf hoch Mike, wenn du weiter so spielst wie in der zweiten Halbzeit, dann werden auch bald die Tore wieder fallen!

Den Roten Teufeln gelingt am Ende dann tatsächlich der erste Auswärtssieg seit über sieben Monaten, der mit einer verdienten Laola vor dem Gästeblock gefeiert wurde. Erleichterung ist angesagt, auch Freude über ein gutes Spiel. Doch die Vergangenheit lehrt: Nur ein Millimeter Selbstzufriedenheit, und es kann am Samstag gegen Osnabrück schon wieder ganz anders aussehen. Heute sei Marco Antwerpen, Philipp Hercher und natürlich den treuen Fans aber eine angenehme Heimfahrt gegönnt - auch mit dem ein oder anderen Kaltgetränk.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

Weitere Links zum Thema:

- Stimmen zum Spiel | Hercher: "So muss man auswärts auftreten" (Der Betze brennt)

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