JAAAAA! Dem 1. FC Kaiserslautern gelingt bei Waldhof Mannheim dank einer Top-Leistung ein 2:0-Derbysieg. Dabei machen die Roten Teufel ihr wohl bestes Saisonspiel. Das Debüt von Trainer Antwerpen hätte man sich nicht schöner malen können.
- Fotogalerie: Waldhof Mannheim - 1. FC Kaiserslautern 0:2
Bei der Anfahrt zum Carl-Benz-Stadion war es schwer, nicht in Wehmut zu verfallen. Schon Kilometer vor dem eigentlichen Ziel machte sich dichter Nebel breit, in Mannheim angekommen waren weit und breit außer ein paar Vereinsoffiziellen und Medienvertretern keine Fans oder sonstigen Zuschauer zu sehen. Wie viele tausend rot-weiß-rote Fahnen und Trikots würden unter normalen Umständen ihre Roten Teufel jetzt zu diesem Derby begleiten - der Gedanke daran tat schon verdammt weh. Dafür wurde die Mannschaft vor der Abfahrt in Kaiserslautern von ein paar dutzend FCK-Fans stimmgewaltig mit Bengalos verabschiedet. Auch das neue Trainerteam war davon merklich begeistert. Das ist eben Fußball in Kaiserslautern.
Im Stadion selbst waren wie gesagt leider keine Fans zugelassen. Leer waren die Tribünen trotzdem nicht. Vom FCK waren unter anderem Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt sowie die Aufsichtsräte Markus Merk und Rainer Keßler anwesend. Außerdem saßen von der Heimseite jede Menge Ordner und Vereinsmitarbeiter auf den Plätzen - auffällig viele. An der Haupttribüne war während des Spiels ein großes Banner der berüchtigten Mannheimer "City Boys" angebracht, die einem verstorbenen Mitstreiter mit "Angelo, Ruhe in Frieden" gedachten. Ansonsten gab es keine Zaunfahnen oder sonstige Transparente beim Derby. Was für ein Unterschied zum Duell vor fast genau einem Jahr!
Erst überrascht Antwerpen, dann die Mannschaft: FCK wie ausgewechselt
Dass die Aufstellung nach dem Trainerwechsel von Jeff Saibene auf Marco Antwerpen eine gewisse Wundertüte werden würde, war von Beginn an klar. Doch Antwerpen setzte gleich mehrere Akzente: Statt Kevin Kraus spielte neben Alexander Winkler Tim Rieder in der Innenverteidigung. Die etatmäßigen Außenverteidiger Philipp Hercher und Adam Hlousek (Oberschenkelprobleme) standen noch nicht einmal im Kader. Links verteidigte stattdessen der zuletzt gar nicht mehr eingesetzte Hendrick Zuck, der noch eine ganz entscheidende Rolle in diesem Derby spielen sollte. Der neue FCK-Kapitän Jean Zimmer, der gestern in einem Interview noch einmal an die nötige "Geilheit" vor dem Derby appelierte und damit einige Emotionen geweckt hatte, rückte rechts in die Abwehrreihe, seine Position im Mittelfeld nahm der zuletzt ebenfalls aussortierte Marius Kleinsorge ein, allerdings auf der linken Seite. Rechts startete der etatmäßige Linksaußen Kenny Prince Redondo. Vor allem Kleinsorge sollte seinem neuen Trainer diese Entscheidung besonders danken. Doch eins nach dem anderen.
Vom Anpfiff weg zeigten die Roten Teufel ein völlig anderes Gesicht als bei der blutleeren und desolaten 0:1-Heimniederlage gegen Wehen, nach der Saibene gehen musste. Die Mannschaft legte eine ganz andere Präsenz an den Tag, presste hoch, man hatte das Gefühl, sie suchte regelrecht die Zweikämpfe, wovor sie sich die vergangenen Wochen noch versteckt hatte. Auffallend auch: Die gesamte Lautrer Ersatzbank war über die vollen 90 Minuten im Derby-Fieber. So bekam etwa Antwerpen in der 32. Minute wegen Meckerns von Schiedsrichter Thorben Siewer eine Gelbe Karte. Aber auch sein Co-Trainer Frank Döpper schrie immer wieder lauthals Anweisungen auf den Platz: "17, aufpassen! Zucki nachrücken!", um nur einige davon zu nennen. Und Geschäftsführer Voigt hielt es erst gar nicht auf seinem Tribünenplatz, er schritt auf und ab, beklatschte jeden Zweikampf, schimpfte über unnötige Fehlpässe oder schrie lauthals "Ey, Schiri!", sodass es wohl von der Kurpfalz bis in die Pfalz zu hören gewesen sein müsste.
Zuck und Kleinsorge fast wie Neuzugänge, Ouahim zeigt seine Klasse
Was heute ebenfalls anders sein sollte: Schon nach einer Viertelstunde belohnte sich der FCK für seinen couragierten Start ins Derby gegen den verhassten Nachbarn. In der 15. Minute schlug Zimmer von links eine Ecke in den Strafraum, Mannheim konnte den Ball nicht richtig klären und im Gemenge zog Zuck einfach mal ab - das 1:0! Apropos Zuck: Nicht wenige Fans und Experten dürften mit der Stirn gerunzelt haben, als sie sahen, dass der 30-Jährige heute als Linksverteidiger agieren sollte. Doch Zuck machte das parademäßig. In der Vorwärtsbewegung nahezu ohne Fehlpass und defensiv bockstark - wie etwa in der 45. Minute, als er sich mit den Füßen voraus in einen Zweikampf warf und das Leder zurückeroberte. Wie gesagt: Der Teufel suchte heute die Zweikämpfe, er scheute sie nicht.
Und der Führungstreffer gab der Mannschaft sichtbar Auftrieb. Vor allem Marius Kleinsorge wirbelte auf der linken Seite heute als gäbe es kein morgen - oder sagen wir besser, als hätte es kein gestern gegeben. Und jener Kleinsorge war es auch, der in der 20. Minute den nächsten Lautrer Treffer erzielen konnte. Der 25-Jährige leitete den Angriff selbst ein, sah in der Mitte Anas Ouahim, der seine technische Klasse heute extrem aufblitzen ließ. Der zeigte keinen Eigensinn und gab den Ball zurück zu Kleinsorge, und der? Der hätte den Ball wohl vor einer Woche noch vertändelt, doch heute zog er einfach ab und schlenzte den Ball wunderschön zum 2:0 unhaltbar für den Waldhöfer Keeper in die Maschen.
Hupkonzert in Mannheim: Die Nummer Eins sind wir!
Vor allem in Anbetracht der zuletzt so blutleeren Auftritte war die erste Halbzeit in Mannheim Balsam für die geschundene FCK-Seele. Das merkte man auch den Spielern an, die sich auf dem Platz nicht nur mehr zutrauten, sondern ganz offensichtlich auch wieder Spaß am Fußball entwickelt hatten. Was wäre hier nur los gewesen, wenn Fans im Stadion dabei gewesen wären? Unvorstellbar! Auch das Quäntchen Glück schien heute ein Teufel zu sein: In der 23. Minute hatte Anas Ouahim Glück nach einem rüden, wenn auch unabsichtlichen Foul an Gerrit Gohlke mit der Gelben Karte davon zu kommen. Nennen wir es ausgleichende Gerechtigkeit. Denn insgesamt machte Schiedsrichter Thorben Siewer eine unglückliche Figur. Er verteilte insgesamt zehn Gelbe Karten und hätte später nach rund einer Stunde auch durchaus Elfmeter für den FCK pfeifen können - entschied aber auf ein angebliches Stürmerfoul von Kleinsorge. Dennoch kreisten bei vielen FCK-Fans in der Halbzeitpause sicher erst einmal die Gedanken: Kann die Mannschaft diese Führung nach hause bringen? Oder folgt auf einen engagierten ersten Durchgang wie so oft ein enttäuschender zweiter?
Nein, heute sollte die Antwerpen-Elf nicht mehr enttäuschen. Zwar drängte Waldhof in den zweiten 45 Minuten mehr auf das Tor von Avdo Spahic als zuvor, aber der FCK brach nicht ein. Er hielt die Körperspannung aufrecht, lebte dieses Derby, so wie man es leben muss. Auch die eingewechselten Spieler wie Simon Skarlatidis oder später Daniel Hanslik fügten sich nahtlos in die Partie und das Mannschaftsgefüge ein. Neuzugang Marvin Senger, der in der 71. Minute für Zuck gekommen war und seine Position als Linksverteidiger übernahm, unterband in der 79. Minute mit einer beherzten Grätsche einen Mannheimer Angriff. Teufel, was haben wir solche Aktionen vermisst!
Begeisterter Empfang der Derbysieger bei Heimkehr zum Betze
Je weiter das Spiel fortschritt, desto vermehrter hörte man außerhalb des Carl-Benz-Stadions ein zunächst leises, dann immer lauter werdendes Hupkonzert. Mannheim ist eben doch rot-weiß, so wie es sich gehört. Und das Hupen kam zur rechten Zeit, denn dann war Schluss. Der Derbysieger heißt 1. FC Kaiserslautern. Es gibt eben nur eine Nummer Eins im Südwesten!
Nach Schlusspfiff feierte die Mannschaft mit ihrem Trainer im Mittelkreis und der rief ihnen zu, was wohl auch tausende, gezwungenermaßen daheimgebliebene FCK-Fans dachten: "Das allergeilste, Jungs: Auswärts das Derby gewinnen! Mehr geht nicht!" Doch ganz allein mussten die Roten Teufel dann doch nicht feiern: Als der Mannschaftsbus wieder zuhause am Betze ankam, warteten auf ihn zahlreiche FCK-Fans, die die Mannschaft frenetisch feierten und den Derbysieg bejubelten. Oder um es mit den Worten zu formulieren, die Jean Zimmer auf Instagram gefunden hat: "Was ist der Südwesten? War! Ist! Wird für immer rot-weiß bleiben!" Heute darf sich die rot-weiß-rote Seele freuen. Morgen geht es weiter. Auf ihr Jungs aus Lautern, lasst es kein Strohfeuer gewesen sein.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993
Weitere Links zum Thema:
- Stimmen zum Spiel | "Geiles Gefühl": Rote Teufel im siebten Derby-Himmel (Der Betze brennt)