Rezension: Buch "Turbo: Mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft"

Buck, Buck, Buck: Im "Turbo" durch drei Fußball-Dekaden

Buck, Buck, Buck: Im "Turbo" durch drei Fußball-Dekaden


Er war schon auf dem Rasen einer der Schnellsten, doch auch als Autor seiner Biographie "Turbo - Mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft" setzt Andreas Buck auf Tempo. Eric Scherer hat die bewegte, nachdenkliche, aber auch humorvolle Biographie des Meisters von 1998 gelesen.

"Sie erinnern sich nicht mehr an mich?" fragt Andy Buck mit seinem Co-Autor Johannes Ehrmann schon im Vorwort. Lautern-Fans, die älter als 30 Jahre sind, könnten da irritiert aufschauen. Nicht erinnern - an Andy Buck? Der ist am Betze doch Kult. Wenn die West zwischen 1997 und 2002 wie ein Traktormotor zu stottern begann - "Buck, Buck, Buck, Buck" - wusste jeder im Fritz-Walter-Stadion, wer gerade mit dem Ball am Fuß die rechte Außenlinie entlangraste. Vor allem der bedauernswerte Wicht, der beim Gegner linker Verteidiger spielte.

Im gesamtdeutschen Fußballgedächtnis aber dürfte Andy Buck längst vergessen sein. Insofern ist fraglich, dass eine Biographie wie "Turbo" ein breites Leserpublikum findet. Was freilich schade wäre. Bestsellerautor Ronald Reng machte schließlich schon 2013 deutlich, dass es nicht die Topstars sind, die die wirklich guten Geschichten aus dem Innenleben des Ballsports liefern. Indem er keinen Beckenbauer oder Rummenigge in den Mittelpunkt seines Buchs "Spieltage - Die etwas andere Geschichte der Bundesliga" stellte, sondern den Spieler und Trainer Heinz Höher, der in beiden Karrieren mehr Tiefen als Höhen durchlebte.

"Ich bin ein Held gewesen und ein Trottel"

Ähnlich ist auch "Turbos" Ansatz. "Ich bin ein Held gewesen und ein Trottel", bereitet Andy Buck seine Leser schon früh auf das Auf und Ab vor, das sie auf den kommenden 224 Seiten erwartet. Sicher, er durfte als Aktiver gleich mit zwei Klubs Deutsche Meisterschaften feiern, mit dem VfB Stuttgart zusätzlich auch noch einen DFB-Pokalsieg. Aber er hat auch intensiv die Schattenseiten des Sports kennengelernt, die er dank der Unterstützung seines in FCK-Kreisen gleichfalls gut bekannten Co-Autors Johannes Ehrmann (u.a. "Wenn der Betze bebt") ebenso intensiv zu beschreiben vermag.

Etwa, wie es ist, als Jungspund von etablierten Teamkollegen erstmal ordentlich getreten zu werden - seinen ersten Bänderriss verpasst ihm ein gewisser Michael Frontzeck. Oder, wie es ist, gemobbt zu werden, etwa von einem gewissen Mario Basler. Oder, wie es ist, von einem Trainer, einem gewissen Jürgen Klopp, gesagt zu bekommen, dass sein Vertrag nicht mehr verlängert wird, was für einen 33-Jährigen gleichbedeutend ist mit dem Karriereaus.

Was die Jahre im Fußballgeschäft ihn lehrten, fasst Buck bereits im Vorwort zusammen:

"Demut und Freundlichkeit? Hätte ich mich daran gehalten, ich hätte nicht ein einziges Bundesligaspiel gemacht. Das Fußballgeschäft schert sich nicht um die Regeln der Gesellschaft. Es hat seine eigene Moral. Sie widerspricht fast allem, was wir unseren Kindern fürs Leben mitzugeben versuchen. Im Fußball gewinnt der, der am wenigsten zweifelt. Der, der auch mal zutritt, wenn es nötig ist. Hier regieren die mit den wenigsten Skrupeln. Wer zweifelt, spielt nicht. Wer zu viel nachdenkt, verliert. Mitleid ist Gift, und die ärmsten Schweine kriegen die meiste Häme ab."

Die Champions League macht Reiche reicher, Arme ärmer

Dennoch ist "Turbo" keine Abrechnung. Dazu analysieren Buck und Ehrmann zu nüchtern, dazu geht der Protagonist auch mit sich selbst zu kritisch um. Wie er nach seiner Karriere von einem falschen Freund mit einer Beteiligung an einer dubiosen Projektgesellschaft um sein beinahe gesamtes Vermögen gebracht wird, dürfte so ehrlich noch kaum ein Ex-Profi geschildert haben.

Und in so wenigen präzisen Worten war noch kaum irgendwo nachzulesen, wann und wie die totale Kommerzialisierung des Fußballs begann. Dass es nicht nur die explodierenden Fernsehgelder waren, die die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb weniger Jahre immer brutaler auseinander klaffen ließen. Sondern vor allem die Erweiterung der Champions League Mitte der 1990er Jahre, die nicht von ungefähr eine Erfindung der damals schon reichsten Klubs war: Wer sich von nun an drei, vier Jahre hintereinander für das Euro-Spektakel qualifizierte, vergrößerte seinen finanziellen Vorsprung gegenüber der nationalen Konkurrenz derart immens, dass diese fortan nur noch hinterherhinken konnte.

Der FCK hätte dabei durchaus ebenfalls mitkassieren können. War er doch 1998 Deutscher Meister geworden und damit erstmals für die Champions League qualifiziert - also exakt in der Zeit, in der sich die Einnahmespirale mit Vehemenz nach oben zu schrauben begann. Leider aber verzockte der Klub seine Pole Position in den Folgejahren - und die hat Andy Buck aus nächster Nähe miterlebt.

O-Ton Ratinho: "Wir musse mache Duell auf rechte Seite"

Aber keine Angst: Er hat nicht nur Negatives zu berichten, es gibt auch einiges zu schmunzeln. Etwa, wenn Buck schildert, wie er sich mit Ratinho zusammenrauft, mit dem er im Meisterjahr ein absolutes Dream Team auf der rechten Seite bildet:

"'Bucke', sagt der kleine Mann mit dem Kindergesicht. Er spricht in einem seltsamen Kauderwelsch. 'Trainer sagt, wir musse mache Duell auf rechte Seite. Gehe wir raus, haue ich dich um!' Eine Pause entsteht. Dann fängt Ratinho schallend an zu lachen, schlägt mir mit der flachen Hand auf den Rücken und watschelt mit seinen Kickschuhen in der Hand aus der Kabine."

Auch die Helden von damals würdigt "Bucke" gebührend:

"Große Egos gibt es auch in Kaiserslautern ausreichend. Sforza, Brehme, Wagner. Der Unterschied ist: Jedes Ich hat hier seinen Platz. Andreas Brehme ist der Standby-Kapitän, der spielt, wenn er gebraucht wird und ansonsten im Hintergrund wirkt. Ciriaco Sforza ist der klare Anführer auf dem Platz, der nach dem Abpfiff komplett sein eigenes Ding macht. Olaf Marschall schießt in den ersten sechs Spielen sieben Tore und ist als Stürmer Nummer eins gesetzt. Ratinho und ich spielen nicht gegeneinander, sondern zusammen. Libero Miro Kadlec ist nicht mehr der Schnellste, aber er hält mit seinem grandiosen Stellungsspiel die Abwehr zusammen. Und niemand hat einen größeren Siegeswillen als unser Däne im Team, Michael Schjönberg."

Der Leser erfährt aber auch: Der FCK macht bereits in der Meistersaison 1997/98 Verlust, wie auch immer. Und dann geht es gar nicht mal so langsam, aber sicher bergab.

"Wir kommen nicht wieder. Rutschen Jahr für Jahr weiter ab. Die Vereinsführung geht ins Minus, haut Millionen raus, um irgendwie den Anschluss zu kriegen. Größenwahn hält Einzug. Am Ende ist der FCK pleite, das schöne Stadion verkauft. (...) Weder ich noch der 1. FC Kaiserslautern werden je wieder in der Champions League spielen."

Friedrich über Ballack: "Aus dir wird nie ein Großer"

Vorstandschef "Atze" Friedrich und Trainer Otto Rehhagel "vertrauen weiter auf alte Seilschaften. Holen ältere Spieler, vergraulen Talente." Insbesondere der junge Michael Ballack, mit dem Buck sich anfreundet, wird von den Verantwortlichen mit ungeheuerlicher Ignoranz behandelt.

",Aus dir wird nie ein Großer!’, hat Vorstand Friedrich ihm im Herbst bei einem Abendempfang an den Kopf geworfen. Einfach so. Ich weiß noch, wie wir danach auf der Eingangstreppe gesessen haben, Balle mit Tränen in den Augen."

"Balle" wechselt danach nach Leverkusen, später nach München - und wird der deutsche Ausnahmespieler der Nuller Jahre. Noch schlimmer wird’s, als Rehhagel Mario Basler auf den Betzenberg zurückholt. Prompt gewinnt dessen Schwager, der Spielerberater Roger Wittmann mit seiner Agentur Rogon, rasend schnell an Einfluss im Verein. Auf einmal sind 14 Spieler im FCK-Kader Wittmann-Schützlinge - und Andy Buck, der nicht dazu gehört, ist außen vor. Die Seilschaft scheint auch auf die Mannschaftsaufstellung einzuwirken. "Ich kann nicht so, wie ich will", soll Andreas Brehme, der als Rehhagel-Nachfolger Teamchef geworden ist, Buck im Vertrauen mitgeteilt haben. Davon abgesehen, reicht auch Brehmes Trainertalent nicht aus, um den FCK in der Spur zu halten: "Es wird ein Desaster." Der größte Witz: Nachdem Brehme gescheitert ist, tritt Atze Friedrich zurück. Und heuert kurz darauf in Wittmanns Agentur an...

"Das Powerplay der Mächtigen ist nichts für mich"

Natürlich geht Buck auch auf sein kurzes Intermezzo als Vorstandsvorsitzender des 1. FC Kaiserslautern e.V. ein. Dieses Amt übte er ein dreiviertel Jahr nach der Ausgliederung von Februar bis Mai 2019 aus. Dass er nicht aus "zeitlichen Gründen" zurücktrat, wie es zunächst offiziell verlautbart wurde, dürfte bereits hinreichend bekannt sein. Im Buch werden die Hintergründe nun genauer erläutert. Es ist die Posse um den Beinahe-Investor Flavio Becca, die Buck anwidert. Den Rest gibt ihm eine geplante Finanzjonglage, mit der die monetäre Situation der ausgegliederten Kapitalgesellschaft aufgebessert werden soll.

"Gleichzeitig legt der Finanzvorstand der Profiabteilung uns Vereinsvorständen einen weiteren Darlehensvertrag vor. 1,9 Millionen Euro sollen kurzfristig vom eingetragenen Verein zur KG übertragen werden. Ohne Sicherheiten und auf Abruf. Unterschrift so schnell wie möglich. Es fehlt immer noch Geld für die Lizenz. Ich lasse die Sache bei einer Anwaltskanzlei mit Spezialgebiet Insolvenzrecht prüfen. Dort wird mir dringend abgeraten. Ich müsste notfalls persönlich haften. Könnte alles verlieren."

Stattdessen tritt er zurück: "Erleichtert hake ich das Kapitel ab. Das Powerplay der Mächtigen ist nichts für mich." Den Fußball während und nach Corona thematisiert "Turbo" ebenfalls schon. Wie so viele wünscht sich auch Andy Buck, dass das Virus im Fußballgeschäft vielleicht zu einer Zäsur führen könnte. Zu einem neuen Denken, etwa, was die Verteilung der Fernsehgelder angeht.

"Die kleinen Vereine sollten mehr aus dem Topf bekommen. Wie jetzt schon in England. Sonst passiert weiterhin das, was wir seit 20 Jahren sehen. Die Schere geht weiter auseinander. Einen Dauermeister Bayern kann keiner auf Jahrzehnte hinaus wollen. Nicht mal der FC Bayern selbst."

"Keine Geschichte ist wie die nächste"

Mit einer persönlichen Betrachtung der Entwicklungen im Jugendfußball schließt Buck ab. Plädiert für weniger Erfolgs- und Taktikdenken im Nachwuchsbereich, sondern dafür, den Jungen einfach wieder den Spaß am Spiel zurückzugeben. "Wer selbst Kinder hat, weiß, keins ist wie das andere. Es klingt banal, aber wir vergessen es oft. Unsere Eigenheiten sind es, die uns besonders machen."

Fazit: "Turbo" ist ein lesenswertes Buch, nicht nur, aber vor allem für FCK-Fans. "Keine Geschichte ist wie die nächste", erklärt der Held am Ende. "Vielleicht kann meine helfen, die Mechanismen im Fußball ein bisschen besser zu verstehen." Das tut sie.

"Turbo - Mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft" von Andreas Buck und Johannes Ehrmann ist im Klett-Cotta-Verlag erschienen, hat 224 Seiten und kostet als gedrucktes Buch 20 Euro, als E-Book 15,99 Euro. Erhältlich ist es bei Amazon und überall im Buchhandel. ISBN: 978-3-608-50469-9.

Gewinnspiel: Wir verlosen drei Exemplare von "Turbo"

In Zusammenarbeit mit dem herausgebenden Klett-Cotta-Verlag verlosen wir drei Exemplare von "Turbo". Zur Teilnahme muss folgende Frage beantwortet werden: Mit welchem Publikumsliebling bildete Andreas Buck im Meisterjahr 1997/98 ein kongeniales Duo auf der rechten Seite?

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Kohlmeyer

Weitere Links zum Thema:

- Daum und Otto, Champions League und Betze-Drama (Der Betze brennt, 17.08.2020)

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