Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Erzgebirge Aue 2:1

K-Town? Mo-Town!

K-Town? Mo-Town!


Dass der 1. FC Kaiserslautern gegen Erzgebirge Aue gewann, ist vor allem Mo Idrissou zu verdanken. Er war nicht nur Kapitän, sondern auch Motor der Mannschaft. Marky über die wundersame Wandlung des einstigen Einzelgängers.

- Fotogalerie: Spielszenen 1. FC Kaiserslautern - Erzgebirge Aue
- Fotogalerie: Fanfotos 1. FC Kaiserslautern - Erzgebirge Aue

1959 wurde in Detroit die Plattenfirma Motown gegründet. Der Name setzt sich aus den Wörtern Motor und Town zusammen. Was Wolfsburg für Deutschland ist, ist Detroit für die USA. Die Motown-Künstler waren gepflegt, gut gekleidet und sollten mit ihrem Denken, Sprechen und Handeln das schlechte Image und die Vorbehalte gegenüber schwarzen Musikern bei der weißen Bevölkerung entkräften. Dazu sollten sie anderen afroamerikanischen Musikern als Vorbild dienen.

Mohamadou Idrissou eilte ein schlechter Ruf voraus, als er nach Kaiserslautern kam. Dabei ging es nie um seine Torjägerqualitäten, sondern seine Egozentrik. In Freiburg sagte der temperamentvolle und stolze Kameruner mal zu seinen Kollegen: „Ich habe eh keine Lust mehr, mit euch Absteigern zu spielen. Ich spiele nächstes Jahr in der Champions League.“ Die Fans des FCK beruhigte er kurz nach seiner Ankunft, dass mit ihm noch jeder Verein aufgestiegen sei. Als sein Team in eine Krise schlitterte, flüchtete sich auch Idrissou wieder in seine eigene Welt, legte sich mit dem Publikum an, zwischen ihm und seinem Sturmpartner Albert Bunjaku herrschte Eiszeit. Doch dann geschah etwas Außergewöhnliches: Nach der Auswärtsniederlage in Cottbus Ende April übernahm Idrissou Verantwortung, seine Wutrede gründete nicht auf Eigensinn, er verwendete auffallend oft das Wort „wir“.

An diesem August-Samstag führte Idrissou - dank des Fodaschen Rotationsprinzips - die FCK-Mannschaft gegen Erzgebirge Aue als Kapitän aufs Feld. Schon im Pokalspiel in Heilbronn trug er die Binde. Und wieder verwandelte er den Elfmeter, der das so wichtige 1:0 bedeutete. Idrissou lief und rackerte für zwei, provozierte weder gelbe Karten noch Abseitspfiffe. Mit den Fans hat sich der Antreiber längst versöhnt, sein strahlendes Lachen richtet er direkt in die Westkurve. Die meisten Sprechchöre galten ihm. Der oft getrieben wirkende, bekennende Fußball-Söldner scheint in Kaiserslautern eine innere Ruhe gefunden zu haben. Eine Art sportliche Heimat. Wer hätte das gedacht, dass es so passt. Aus K-Town ist Mo-Town geworden.

Sein Trainer Franco Foda, der unter der Woche viel Kritik einstecken musste, zog aus der Niederlage in Fürth personelle Konsequenzen. Die am Ronhof schwachen Marcel Gaus und Jan Simunek blieben auf der Bank, wurden durch Andrew Wooten und Dominique Heintz ersetzt. Simon Zoller kam für Olivier Occean und Markus Karl, der im Training mit Tobias Sippel zusammengeprallt war (Gehirnerschütterung), wurde von Alexander Ring ersetzt. Das Signal Fodas hinter den Personalien ist unmissverständlich: Es gibt Alternativen, keiner hat einen Freifahrtschein, zudem werden Trainingsleistungen honoriert.

Das neue Innenverteidiger-Pärchen Willi Orban / Heintz - beides gebürtige Pfälzer - kämpfte zunächst mit Abstimmungsproblemen. Glück, dass die Auer (Miatke-Flanke, freistehender Janjic) das nicht mit dem 1:0 bestraften. Trainer Falko Götz hatte die Veilchen gut geordnet, zwei Viererketten bildeten einen mächtigen Abwehrwall, in dem sich Kapitän Rene Klingbeil wegen Angina nicht eingliedern konnte. Die FCK-Abwehrkette schob sich derweil die Bälle zu. Auf den Rängen wurde gerätselt, welche Rolle Wooten interpretierte. Die Position „Linksaußen“ blieb fast über die kompletten ersten 45 Minuten verwaist. Dazu haperte es an der Abstimmung und Unterstützung zwischen Außenverteidiger und Flügelspieler. Auf beiden FCK-Seiten. Florian Dick hatte riesiges Glück, dass er in einer Situation mit dem Schrecken und ohne gelbe Karte davonkam.

So spielte sich eben alles in der Mitte ab, die Breite des Feldes wurde nicht genutzt, auf Läufe zur Grundlinie wurde verzichtet. In der Westkurve ging der zynische Spruch herum, dass bei dieser Spielweise die wegen des Länderspiels noch nicht entfernten Sitzschalen auch einfach drin bleiben könnten. Dem vielleicht vom Reisestress beeinträchtigten Ring gelang lediglich ein toller Pass in die Schnittstelle. Aber Zoller bewies, dass auch er nicht jede Großchance eiskalt verwertet.

In der 28. Minute dann eine Blaupause, wie das Auer Abwehrbollwerk zu knacken ist/war. Löwe mit schönem Diagonalpass auf Dick, der die Kugel sauber verarbeitet und vertikal zu Mo spielt, der auf den durchstartenden Karim Matmour ablegt. Foul Okoronkwo - Elfmeter! Warum sah man solche einstudierten, offensive Laufwege so selten?

Weil Sippel den tollen Sylvestr-Kopfball aus dem Winkel fischte, Wooten den einzigen krassen Auer Abwehrfehler nicht bestrafte und Kirschstein Idrissou (nach schöner Zoller Flanke) verzweifeln ließ, blieb es bei dem einen Tor. Beim Pausenpfiff gab es dann vereinzelte Pfiffe für einen über weite Strecken unkreativen, leidenschafts- und brotlosen Vortrag. Der berühmte und berüchtigte Funke kann so unmöglich überspringen.

Foda muss in der Kabine die Fehler angesprochen haben, denn nun waren die offensiven Außenpositionem besetzt. Matmour, Idrissou, Zoller und Wooten tauschten dazu permanent. Und gleich gab es rausgespielte Torchancen: Flanke Wooten - Kopfball Idrissou... als Fan weiß man, wenn ein Mo so frei hoch steigen kann, dann klingelt’s... aber wieder Kirschstein mit einem erstklassigen Reflex. Danach, wieder über rechts, Hereingabe Matmour - Kopfball Idrissou - Pfosten. Zwei Minuten später der Ausgleich für Aue. Warum dieser Treffer so nie fallen darf, könnt ihr in unserem Taktik-Thread nachlesen (zum Forum: Die falsche 9 - der Taktik-Thread mit wkv & Ktown2Xberg). Im Übrigen übersahen Schiri und Linienrichter eine Abseitsposition des Torschützen Kocer.

Aber die Roten Teufel lieferten genau die Reaktion, die man am Betze sehen will. Löwe setze sich bissig auf links durch, Wooten gab die Bande, Löwes Flanke flog scharf vor das Tor, Zoller reagierte (nicht nur in dieser Szene) instinktiv und verlängerte die Kugel und Mo musste nur noch einnicken. Dieser Treffer war geil, er war erzwungen, und der Lärmpegel im Fritz-Walter-Stadion schoss zumindest einmal an diesem Nachmittag in den roten Bereich. Bezeichnend war zuvor der Anpfiff von Einpeitscher Sascha Kempf, dass man doch zumindest so laut rufen sollte, dass man die Parolen auch über den Fünfmeterraum hinaus vernehmen konnte. Auch nach dem Schlusspfiff - wie wir alle wissen, blieb es beim 2:1 - war die Freude doch eher verhalten. Als die Spieler vor die Westkurve traten, wies diese schon reichliche Lücken auf. Eine ehrliche Reaktion eben.

Bei der traditionellen Wahl zum „Spieler des Spiels“ auf „Der Betze brennt“ bekam neben den bereits erwähnten Idrissou und Sippel noch ein anderer massig Stimmen: Ariel Borysiuk. Der junge Pole zeigte besonders in der zweiten Halbzeit viel Ausstrahlung, Präsenz und Entschlossenheit. Schade, das Kirschstein, der immer wieder klasse Spiele auf dem Betze zeigt, seinen Kracher entschärfte. Ebenfalls hervorheben muss man Ruben Jenssen, der nach seiner Einwechslung sofort den Regisseur gab, klug die Bälle verteilte. Mit einem Startelfdebüt sollte es nicht mehr allzu lange dauern. Nicht verschwiegen werden soll am Ende auch, dass unser Florian Dick einen gebrauchten Tag erwischte, Lautern Schwächster war, schon in Fürth gelang ihm wenig. Auch er darf sich seines Stammplatzes nicht allzu sicher sein.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

Kommentare 223 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken