Nach drei Siegen in Folge trifft der 1. FC Kaiserslautern auf einen zuletzt stark gebeutelten Gegner. Er sollte sich jedoch nicht blenden lassen. Weder von den jüngsten Nicht-Leistungen von Hertha BSC, noch von seinen eigenen Erfolgen.
So lief's seit dem Hinspiel: Das Hinspiel war eine Achterbahnfahrt. Erst führte die Hertha, dann die Lautrer, dann wieder die Hertha, dann glich der FCK aus, und am Ende hatten doch die Berliner mit 4:3 die Nase vorn. Für die Alte Dame war im Grunde der gesamte Saisonverlauf bisher eine solche Berg- und Talfahrt. Mit dem Unterschied, dass es derzeit nicht nach einem glücklichen Ende aussieht. Nach dem Sieg uffem Betze wähnte sie sich mit sieben Punkten aus vier Spielen schon ordentlich in die Saison gestartet, unterlag direkt im Heimspiel danach aber Düsseldorf mit 0:2. In diesem Stil ging es weiter. Mal zwei Siege in Folge, darauf wieder zwei Niederlagen. Unterm Strich war das natürlich nicht zufriedenstellend für den laut "Transfermarkt.de" nach wie vor zweitwertvollsten Kader der Liga. Überwintert wurde auf Platz 12, aber mit nur sechs Punkten Abstand auf einen Aufstiegsrang. Die Hoffnung, vielleicht doch noch in einen der berühmten "Flows" zu kommen und oben anzudocken, war daher noch irgendwo im Hinterkopf. Mit einem Auswärtssieg in Paderborn startete man auch vielversprechend ins neue Jahr, prompt aber setzte es eine 2:3-Heimniederlage gegen den Hamburger SV und zuletzt ein 0:2 bei Aufsteiger Regensburg. Um der erwartungsgemäß aufflammenden Trainerdiskussion entgegenzutreten, hat Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber unter der Woche Coach Christian Fiél den Rücken gestärkt. Daran soll sich angeblich auch nichts ändern, wenn das Samstagabendspiel gegen den FCK ebenfalls in die Binsen geht. Stattdessen erwartet Weber, was auch sonst, "eine Reaktion der Mannschaft".
Das hat sich geändert: Im Hinspiel glänzte der einstige Lautrer U17-Junior Luca Schuler (25) mit zwei Treffern für die Hertha. Prompt keimte an der Spree die Hoffnung, dass Schuler den im Sommer abgewanderten Torjäger Haris Tabakovic auch dauerhaft ersetzen könnte. Die aber erfüllte sich nicht. Seither hat der Vorderpfälzer nur noch einmal getroffen. Und statt seiner mühen sich jetzt Smail Prevljak (29) oder Florian Niederlechner (34) vorne ab, meist mehr schlecht als recht, obwohl: Niederlechner hat immerhin schon fünfmal getroffen. Flügelstürmer Fabian Reese (27) ist nach seiner langwierigen Sprunggelenkverletzung zwar zurückgekehrt, für einen Startelf-Einsatz aber hat es bislang nicht gereicht - das könnte sich dem Vernehmen nach just gegen den FCK ändern. Diego Demme (33), der die ordnende Hand im hinteren Mittelfeld werden sollte, verletzte sich Mitte der Hinrunde und vor dem Paderborn-Spiel erneut, so dass er weiter ausfällt. Freiwillig verzichtet Fiél seit Jahresbeginn auf Torhüter-Talent Tjark Ernst (21), den Sohn von Ex-FCK-Keeper Thomas Ernst, und zieht den erfahrenen Ur-Herthaner Marius Gersbeck (29) vor. Verstärkungen gewünscht wurden im Wintertransferfenster viele, geholt wurde keiner.
Gewinner und Verlierer: Als beste Torschützen profilierten sich bislang Derry Scherhant (21) und Michaël Cuisance (25) mit jeweils sechs Treffern. Die beiden können mit ihrer persönlichen Entwicklung in dieser insgesamt enttäuschend verlaufenden Saison auch sonst zufrieden sein. Ebenso Top-Talent Ibrahim Maza (19), dessen Marktwert mittlerweile auf zwölf Millionen Euro taxiert wird, und der gleichaltrige Pascal Klemens (19), der die schwierige Aufgabe übernommen hat, Demme zu ersetzen. Weiterhin gut auf spielt Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny (27), der in der Winterpause gerne gewechselt wäre. Kapitän Toni Leistner (34) gibt hinten einen einigermaßen ruhenden Pol. Mehr erhofft hatten sich die Hertha-Bosse etwa von Jón Dagur Thorsteinsson (26), der Reese ersetzen sollte, zuletzt aber nur noch die Bank drückte. Auch Mihal Karbownik (23) spielt nicht die Rolle, die ihm angesichts seines Talents zuzutrauen wäre, allerdings plagte er sich wiederholt mit Verletzungen herum.
Zahlenspiele: 60 Prozent Ballbesitz, 55 Prozent aller Zweikämpfe gewonnen, nach xGoals mit 2,3 : 0,88 vorne, aber gewonnen hat der Gegner. Allein diese Daten aus dem 2:3 gegen den HSV sagen schon viel aus - oder auch nichts. Denn was dieser Hertha fehlt, lässt sich mit objektiven Messungen offenbar nicht feststellen. Selbst die Spieler sprechen von "Wankelmut", "fehlender Widerstandskraft" und "mangelnder Gier". Fakt ist, vorne drückt der Schuh und hinten unterlaufen zu viele Fehler. Als Heimmannschaft sind die Berliner gegenwärtig sogar nicht einmal Mittelmaß, sondern die schlechteste der Liga. Erst sieben Punkte haben sie vor eigenem Publikum geholt. Nur Magdeburg ist genauso schlecht. Doch der FCM ist kurioserweise Tabellendritter. Davon kann man der Spree nur noch träumen. Der originellste bissige Kommentar stammt von "Kicker"-Reporter Steffen Rohr: "Wenn es um die Wurst geht, ist bei Hertha regelmäßig Veggie-Day."
Fazit: Wieder mal spricht das berühmte "Momentum" klar für Lautern, oder? Na ja. Ohne das Klischee vom angeschlagenen Boxer wiederholen zu wollen, der besonders gefährlich ist: Der FCK darf sich vor diesem Gastspiel von den jüngsten Nicht-Leistungen seines Gegners genauso wenig blenden lassen wie von seinen drei Siegen in Folge. Alle drei hatten auch ihre Schwächephasen, und alle drei resultierten am Ende aus reinen Kraftakten. Insbesondere die Heimsiege gegen die Aufsteiger aus Münster und Ulm wurden bei Platzverhältnissen zustande gebracht, wie sie im Berliner Olympiastadion wohl nicht zu erwarten sind. Da dürfen die Roten Teufel also mal wieder den Ball laufen lassen - und zeigen, dass sie das nicht verlernt haben. Wegen seiner Rot-Sperre wird Markus Anfang im Stadion zwar von Florian Junge und Niklas Martin vertreten, die Startelf aber, davon kann man ausgehen, wird er zuvor noch gemeinsam mit seinen Co-Trainern bestimmen. Und da haben sie einige knifflige Entscheidungen zu treffen. Jan Gyamerah steht nach abgesessener Gelb-Rot-Sperre wieder zur Verfügung - aber passte Jean Zimmer mit seiner klassischen Interpretation des rechten Außenbahnspielers nicht besser zu Vordermann Daisuke Yokota, da dieser permanent in die Mitte zieht und so den Flügel freimacht? Auf der gegenüberliegenden hatten Kenny Redondos Aktionen nach seiner Einwechslung gegen Münster Hand und Fuß - wäre er nicht eine Alternative von Beginn an, anstelle von Erik Wekesser oder Florian Kleinhansl? Und mit Tim Breithaupt haben die Pfälzer nun den Typ "Sechser" geholt, der bislang gefehlt hat - aber macht es Sinn, ihn direkt zu bringen, nachdem er in Augsburg monatelang nicht zum Einsatz kam? Von den Winter-Neuzugängen dürfte lediglich Maxi Bauer einigermaßen sicher wieder in der Startelf stehen, nachdem sich bei seinem Debüt gegen Münster keinerlei Anpassungsschwierigkeiten offenbarten.
Quelle: Der Betze brennt
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