Neues vom Betzenberg

Gegner-Check: Hamburger wollen keine Cheeseburger sein

Gegner-Check: Hamburger wollen keine Cheeseburger sein

Foto: Imago Images

Die einen haben in den jüngsten beiden Partien neun Tore erzielt, die anderen sieben kas­siert. Mehr muss man eigentlich nicht wissen, um zu erkennen, worauf sich die Roten Teufel gegen die Rothosen konzentrieren müssen.

Anspruch und Wirklichkeit: Ring frei für Runde 7. So viele Saisons nämlich spielt der einstige "Bundesliga-Dino" nun schon im Unterhaus - und ist damit seit diesem Jahr der dienstälteste aller Zweitligisten. Das schmerzt, erst recht weil der Hamburger SV mit diesem neuen Status den Lokalrivalen St. Pauli nach dessen Aufstieg in die Erste Liga abgelöst hat. Bereits im Februar trennten sich die Hanseaten von Trainer Tim Walter, nach einem 3:4 gegen Hannover, nach dem die Hamburger allerdings immer noch auf einem aussichtsreichen dritten Platz standen. Walter hatte in der Hafenstadt über zweieinhalb Jahre ankern dürfen, das hatte vor ihm zuletzt Thomas Doll zwischen 2004 und 2007 geschafft. Für Walter kam Steffen Baumgart, einer, der Aufstieg und attraktiven Fußball kann. Auch wenn der nicht so gepflegt aussieht wie der seines Vorgängers, sondern eine härtere Gangart propagiert: scharfes Pressing, schnelle Umschaltmomente, Vollgasfußball - die Hamburger sollten keine Cheeseburger mehr sein. Baumgart gewann in der Restsaison von zwölf ausstehenden Partien sechs und schloss auf Platz 4 ab. Wieder nicht das, was man sich an der Waterkant erhofft hatte. Im Sommer schien sich daher bereits der nächste Trainerwechsel anzubahnen - bis ein neuer Sportvorstand kam: der in Lautern bestens bekannte Stefan Kuntz. Der hielt nach intensiven Gesprächen mit Baumgart an ihm fest - und geht nun mit ihm gemeinsam die siebte Episode der Mission Aufstieg an. Bislang lässt sich dies vielversprechend an: Drei Siege nach fünf Spielen, von denen die jüngsten beiden richtig fett ausfielen: 4:1 gegen Preußen Münster, 5:0 gegen Jahn Regensburg - okay, zwei Aufsteiger, die auch sonst noch nicht viel gerissen haben. Verloren haben die Hanseaten bislang nur in Hannover (0:1), wo zuletzt auch der FCK mit 1:3 als Unterlegener vom Platz ging.

Die Neuen: Einen echten Verlust stellt lediglich der Abgang von László Bénes dar. Der zentrale Mittelfeldspieler wechselte für kolportierte drei Millionen Euro zu Bundesligist Union Berlin. Namhaftester Neuzugang dürfte Davie Selke (29) sein, den Kuntz ablösefrei vom 1. FC Köln holte. Und damit Baumgart den Wunsch nach einem zweiten Mittelstürmer neben Dauerscorer Robert Glatzel erfüllte. Der Trainer kann sich die 1,95 Meter-Kante nicht nur als Ersatz, sondern auch neben dem Ex-Lautrer vorstellen. Bislang aber kam es noch zu keinem gemeinsamen Startelf-Einsatz. Für 800.000 Euro kam Daniel Elfadli (27) aus Magdeburg, der sich bereits als variabel einsetzbare Defensivkraft etablierte. Zweimal machte der HSV eine Ablöse von rund 1,2 Millionen locker. Einmal für den Schweizer Silvan Hefti (26), zuletzt in Genua aktiv. Der rechte Außenbahnspieler zählt bereits zur Stammbesetzung. Der kosovarische Flügelstürmer Emir Sahiti (25) dagegen verzeichnet erst einen Acht-Minuten-Einsatz gegen Regensburg, kam aber auch erst kurz vor Transferschluss von Hajduk Split. Ebenso wie der ablösefreie französische Innenverteidiger Lucas Perrin (25) von Racing Straßburg, der noch gar keine Rolle spielte. Auf nur zwei Kurzeinsätze kommt bislang der polnische Mittelfeldspieler Lukasz Poreba (24), für den der RC Lens 750.000 Euro aufrief. Dazu lieh sich der HSV aus Mainz Marco Richter (26), der gegen Regensburg erstmals von Beginn an ran durfte, als Mann hinter den Spitzen in einer 3-4-1-2-Formation. Ebenfalls auf Pump kam der tschechische Linksfuß Adam Karabec (21) aus Prag, der nach vier Startelf-Einsätzen gegen Regensburg nicht mehr im Kader stand. Beim 5:0 gegen den Aufsteiger ließ zudem ein Youngster aufhorchen: Eigengewächs Fabio Baldé (19), erstmals von Beginn an auf Linksaußen eingesetzt, bereitete zwei Treffer vor. Die mangelnde Nachwuchsförderung war im Sommer ein großes Streitthema beim HSV gewesen.

Die Formation: Baumgart bevorzugt hinten eine Dreierkette, vorne einen Zwei-Mann-Sturm. Und in diesem hat sich in den ersten Spielen neben Glatzel nicht Selke, sondern Ransford Königsdörffer (23) festgebissen. Viermal schon hat der Deutsch-Ghanaer, der fast schon als ewiges Talent abgestempelt war, getroffen. Der neue Konkurrenzdruck im Kader tut ihm offenbar gut. Gleiches gilt womöglich für Jean-Luc Dompé (29), dem ebenfalls zu viele Durchhänger nachgesagt werden. Gegen Regensburg durfte der Franzose 28 Minuten ran, netzte direkt zweimal, legte einen Treffer auf - mehr Startelf-Empfehlung für den Aufritt am Betzenberg geht nicht. Sein zentrales Mittelfeldtrio variiert Baumgart ständig. Feste Größe ist nach wie vor Jonas Meffert (30) auf der Sechs. Ansonsten kann ihm Elfadli als zweiter Sechser zur Seite stehen, der aber ebenso gut in der Dreier-Abwehrkette denkbar ist. Auf der Achter- oder der Zehner-Position ist Richter genauso Kandidat wie Karabec oder Feintechniker Immanuel Pherai (23), Richter könnte aber auch am rechten Flügel auftauchen. Ludovit Reis (24), in den Vorjahren fast durchweg Stammkraft, ist ebenfalls noch da, kam in den jüngsten beiden Partien aber nur von der Bank. Als zentraler Abwehrmann ist Dennis Hadzikadunic (26) gesetzt. Ihm zur Seite steht links der Schweizer Miro Muheim (26). Nach Gelb-Rot-Sperre zurückgemeldet hat sich gegen Regensburg Sebastian Schonlau (30). Das Tor hütet seit Saisonbeginn wieder Daniel Heuer Fernandes (31). Nach dem Trainerwechsel im Februar hatte ihn Matheo Raab (25) als Nummer 1 abgelöst, doch wurde der Ex-Lautrer im Sommer durch eine Lungenentzündung zurückgeworfen.

Zahlenspiele: Die einen haben in den jüngsten beiden Partien neun Tore erzielt, die anderen sieben kassiert. Braucht's mehr Zahlen, um darauf aufmerksam zu machen, wo die FCK-Elf am kommenden Samstagabend ansetzen sollte? Hier sind noch ein paar. Nach xGoals hätte der Tabellenvierte nur neun Buden erzielen dürfen, damit stellt er die effizienteste Mannschaft der Liga. Mit einer Passquote von 87,7 Prozent stellen die Hamburger nach wie vor die passsicherste Mannschaft der Liga, obwohl sie längst nicht mehr so ballbesitzorientiert spielen wie unter Walter. Mit 51 Prozent nehmen sie in diesem Ranking nur noch Platz 6 im Ligavergleich ein (FCK: 80,3 Prozent Passquote, Platz 14, 48 Prozent Ballbesitz, Platz 11). Sechser Jonas Meffert ist mit 94,8 Prozent Passpräzision derzeit der passsicherste Spieler der Zweiten Klasse. In den Lauf-Rankings "zurückgelegte Gesamtkilometer", "intensive Läufe" und "Sprints" bewegen sich der Samstagabend-Gast bislang in mittleren Dritteln, Lautern nach wie vor in den unteren. Youngster Balde führt mit nunmehr drei Assists das Tableau der besten Vorlagengeber an, und unter den schnellsten Spielern rangiert er mit einem gemessenen Top-Speed von 35,62 km/h auf Platz 5.

Fazit: Nach fünf Spieltagen in den Panikmodus zu verfallen, wäre blöd. Man muss aber auch nicht drumherumreden: Verliert der FCK auch das dritte Spiel in Folge, kassiert womöglich erneut drei oder mehr Gegentreffer, wird's wieder ungemütlich am Betze. Und so sehr sich ein ausverkauftes Fritz-Walter-Stadion auf Rote Teufel mit Offensivgeist freut - Markus Anfang muss sich in erster Linie Gedanken machen, wie er den Laden hinten dicht bekommt. Aaron Opoku hatte als Linksaußen bislang immer wieder starke Aktionen nach vorne, sein neues Pendant auf dem rechten Flügel, Daisuke Yokota, hat in Hannover gute Ansätze gezeigt. In der Rückwärtsbewegung aber ist konzentrierte Unterstützung des jeweiligen Außenverteidigers gefragt. Können die beiden diese leisten? Der Trainer muss außerdem die richtige Besetzung für die Dreierkette und die beiden defensiven Mittelfeld-Positionen finden, die bei Ballbesitz die Absicherung gegen schnelle Konter und lange Bälle gewährleisten sollen. Kehrt Jan Gyamerah nach seinem krankheitsbedingten Ausfall wieder zurück? Dann könnte er vielleicht mal als rechter Verteidiger ran, der bei Ballbesitz neben Sechser Boris Tomiak rückt. Und hinten links? Wie wär's mal mit Florian Kleinhansl oder Mika Haas für Erik Wekesser?

Quelle: Der Betze brennt

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- Samstag, 20:30 Uhr: Traditionsduell auf dem Betzenberg (Der Betze brennt)

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