Neues vom Betzenberg

Gegner-Check Köln: Der FC zwischen Derbysieg und 0:6

Gegner-Check Köln: Der FC zwischen Derbysieg und 0:6

Foto: Imago Images

Waren die vergangenen Wochen für den 1. FC Köln nicht gruselig genug? Offenbar nicht: Zu Halloween geht’s auf den Betzenberg. Drauf verlassen, dass der Geißbock sich vor ihm einköttelt, sollte sich der 1. FC Kaiserslautern aber nicht.

Anspruch und Wirklichkeit: Sportlich lief es bestens, seit Steffen Baumgart den 1. FC Köln coacht. Mit Saisonabschlüssen auf den Plätzen 7 und 11 hat sich der FC souverän in der Bundesliga behauptet. Und nicht nur das: Es hagelte auch reichlich Lob für die attraktive Spielweise, die der Mann mit der Mütze seinem Team verordnete. Ist schließlich nicht selbstverständlich für ein Team, das notorisch als Kellerkind angesehen wird. Aber: In den zurückliegenden Spielzeiten verlor sein Kader immer wieder Leistungsträger. Jhon Cordoba, Sebastiaan Bornauw, Anthony Modeste und Salih Özcan sind nur einige Beispiele. Reinvestiert wurde stets bescheiden, auch, weil viele ablösefrei gingen. Im Sommer verabschiedeten sich Leader Jonas Hector und Läufer Ellyes Skhiri, ohne dass was in die Kasse floß. In dieser Spielzeit nun könnte sich der Absturz anbahnen, den die selbsternannten Mahner schon länger kommen sehen. Nach sieben Spieltagen hatten die Kölner grade mal einen lausigen Punkt auf dem Konto. Aber: Trainer und Team genießen nach wie vor ein gutes Standing im Umfeld, eher wird Sport-Geschäftsführer Christian Keller vorgeworfen, er spare den Verein kaputt. Nach der Länderspielpause ließen die Geißböcke mit einem 3:1 im Derby gegen Borussia Mönchengladbach aufhorchen - und den Anhang wieder hoffen. Zuletzt aber brachte ein 0:6 in Leipzig den Emotionsvulkan Baumgart zum Ausbruch. In der Pressekonferenz vor dem DFB-Pokal-Auftritt in Kaiserslautern outete er sich als ernsthaft "angepisst" und kündigte an: "Bis dahin und nicht weiter! Irgendwann ist auch mal Feierabend!"

Die Neuen: Im Sommer steckte der FC das meiste Geld in die Verpflichtung des Innenverteidigers Jeff Chabot von Sampdoria Genua. Und der ist nicht wirklich neu, sondern war bereits in der Vorsaison ausgeliehen. Ablösefrei kam der Zweitliga-Guckern bestens bekannte Leat Paqarada von St. Pauli, der sich als linker Verteidiger ebenso schnell einen Stammplatz sicherte wie auf der anderen Seite der aus dem belgischen Genk geliehene Däne Rasmus Carstensen. Den plagt aktuell aber eine Erkältung und er hat die Reise nach Lautern nicht mit angetreten. Regelmäßig zum Einsatz kam bislang auch die Wolfsburger Leihgabe Luca Waldschmidt, richtig stark trumpfte sie aber nur beim 3:1 gegen Gladbach auf. Andere Neue spielten bislang entweder gar keine Rolle oder lediglich als Einwechselspieler, wie der aus Frankfurt geleaste Faride Alidou. Der Ex-Lautrer Dominique Heintz, den so viele schon in diesem Sommer gerne wieder auf dem Betzenberg gesehen hätten, kommt bislang nur auf 14 Einsatzminuten.

Die Formation: Steffen Baumgart bevorzugt normalerweise ein 4-2-3-1 und ließ bislang selbst gegen haushoch favorisierte Gegner forsch nach vorne verteidigen. Ein gewisser Peter Neururer hat seinem einstigen Kollegen am Sonntag am TV-Stammtisch "Doppelpass" empfohlen, künftig weniger Risiko zu gehen. Doch ob der den Rat des vorlauten Fußballweisen beherzigt? Wir wären uns da nicht so sicher und sind es auch nicht, was die Besetzung der Kölner Startelf geht. "Es könnte schon Wechsel geben. Ich war mit einigen Leistungen nicht zufrieden", kündigte Baumgart auf besagter PK an." Doch wen hat auf der Bank, der neue Impulse setzen könnte? Der zuletzt verletzte Offensivallrounder Jan Thielmann hat gerade in der Zweiten Mannschaft wieder Spielpraxis gesammelt, der Trainer bezeichnet ihn als "Option". Ebenfalls nach langer Pause zurückgemeldet hat sich Routinier Mark Uth, doch auch bei dem 32-Jährigen dürfte es noch nicht für die Startelf reichen. Und was sollte es bringen, die eingespielte Innenverteidigung Jeff Chabot/Timo Hübers zu sprengen, um etwa einen Dominique Heintz zu bringen, der kaum Spielpraxis hat? Gegen Gladbach stand der FC schließlich gut, und an der Formation wird Baumgart sich wohl orientieren. Da bot Kapitän Florian Kainz offensiv links eine gute Partie, nachdem er zuletzt zentral eingesetzt war und weniger überzeugte. Und hinter Waldschmidt auf der Zehn fand Dejan Ljubicic auf der Sechs zu gewohnter Souveränität zurück. An seiner Seite gilt der erst 21-Jährige Eric Martel als Top-Talent. Und Marvin Schwäbe im Tor gilt nach wie vor als unumstritten.

Zahlenspiele: Die für uns aufschlussreichste Zahl vor diesem Vergleich Zweite gegen Erste Liga betrifft den FC nicht direkt. Im Oberhaus vermochte bislang kein Team auf den Tabellenplätzen 10 bis 18 einen Gegner besiegen, der auf den Rängen 1 bis 8 steht, hat der "Kicker" in der Länderspielpause entdeckt. Das dokumentiert, wie das Leistungsgefälle in der so genannten Beletage immer weiter auseinanderdriftet - und wie geil es im Grunde ist, "nur" Zweite Liga verfolgen zu dürfen. Diese Erkenntnis relativiert auch den vorletzten Tabellenplatz des 1. FC Köln. Denn mit Gladbach und Bremen begegnete er bislang erst zweimal Mannschaften auf der so gerne zitierten "Augenhöhe". Unter den kommenden fünf Gegnern des FC befinden sich Augsburg, Bochum, Darmstadt und Mainz. Erst danach wird sich sagen lassen, wie schlimm es um die Geißböcke wirklich bestellt ist. Nichtsdestotrotz haben sie in der Liga erst siebenmal getroffen, sogar Schlusslicht Mainz hat öfter genetzt. Mittelstürmer Davie Selke verzeichnet erst zwei Buden, und das, obwohl der FC nach wie vor die meisten Flanken aus dem Spiel heraus schlägt. Die fleißigsten Flankengeber heißen Kainz, Rasmussen und, na klar, Paqarada. Sturm-Alternative Steffen Tigges kommt ebenfalls erst langsam aus einer Verletzungspause zurück.

Fazit: Wir wollen jetzt nicht die Phrase vom angeschlagenen Boxer bemühen, der besonders gefährlich ist. Sondern fragen: Wer will bei einem Typ wie Steffen Baumgart ernsthaft und dauerhaft in Verschiss geraten? Genau das droht FC-Profis, wenn sie heute Abend noch einmal so auftreten wie in Leipzig. Drum ist davon auszugehen, dass die Kölner Elf im Fritz-Walter-Stadion engagierter zur Sache geht - wie immer die Startelf auch aussehen mag. Für Dirk Schuster und sein Team sollte dies ohnehin zweitrangig sein. Nach sieben Gegentreffern in den beiden jüngsten Zweitliga-Partien heißt es für die Roten Teufel erstmal: Die eigene Abwehr stabilisieren, konkret, die Flügelverteidigung. Die konsequenteste Lösung wäre, wieder zur Viererkette der Vorsaison zurückzukehren und die Außenbahnen doppelt zu besetzen. Mit Hendrick Zuck und Tymo Puchacz befinden sich zwei potenzielle Linksverteidiger, die zuletzt fehlten, ja zumindest auf dem Weg zum Comeback. Andererseits: Dadurch könnte was von dem mitreißendem Vertikalspiel verloren gehen, das die Lautrer zuletzt im 3-4-1-2 mit und 3-4-3 ohne Ball zeigten. Und auch wenn die drei Gegentreffer gegen den Hamburger SV nicht unbedingt dafür sprechen - über weite Strecken funktionierte die Formation mit Kevin Kraus zentral in der Dreierkette und Boris Tomiak auf der Sechs gar nicht so schlecht. Drum halten wir es für die bessere Idee, sie weiter einzuspielen. Über allem aber sollte der Gedanke stehen: Fritz Walter wäre heute 103 Jahre alt geworden. Ein Tag, an dem der "Betze" eigentlich nicht verlieren darf.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Vorbericht FCK-Köln | Den Geißböcken einen Fight liefern (Der Betze brennt)

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