Das erste seiner "Playoffs" um den Aufstieg hat der FCK gewonnen. 2:1 gegen Schalke. Das knappe Ergebnis, die Dramaturgie und erneutes VAR-Gedöns machen jedoch deutlich: Es bleibt ein Nervenkrieg. Bis zum Schluss.
Asche auf unser Haupt. Hatten wir in unserem Gegner-Check am Samstag doch tatsächlich gemutmaßt, der neue Lautern-Trainer Torsten Lieberknecht würde nach nur vier Tagen mit der Mannschaft zu seinem Debüt nicht allzu viel ändern. Weit gefehlt. Gleich auf fünf Positionen stellte der Coach seine Startelf gegenüber dem vorangegangen Auftritt in Braunschweig um.
Okay, nicht alle Umbesetzungen überraschten. Etwa, dass für den gelbgesperrten Maxi Bauer Jan Elvedi in die Dreier-/Fünfer-Abwehrreihe zurückkehrte. Ebenso, dass der allzeit zuverlässige Daniel Hanslik wieder startete, nachdem er zuletzt mal nur von der Bank gekommen war - das gab's auch unter Markus Anfang schon.
Aber Filipp Kaloc allein auf der Sechs? Als einen solchen hat ihn Lieberknechts Vorgänger nie gesehen. Am meisten jedoch verblüfften die Entscheidungen auf den Außenbahnen. Kenny Redondo, normalerweise weiter vorne unterwegs, begann auf der linken Außenbahn. Das hatte auch Anfang schon mal ausprobiert, vor zwei Wochen im Heimspiel gegen Nürnberg (1:2). Ansonsten waren auf dieser Position stets Erik Wekesser und Florian Kleinhansl unterwegs. Die aber saßen diesmal über 90 Minuten auf der Bank.
Kein Zimmer, kein Gyamerah, aber Ronstadt - und Haas
Und auf der rechten Außenbahn? Da erhielt Frank Ronstadt den Vorzug vor Jean Zimmer und Jan Gyamerah. Ronstadt hatte zuletzt im Dezember, bei der 1:5-Niederlage in Darmstadt, von Beginn an gespielt. In der Rückrunde war er nur einziges Mal im Einsatz, für drei Minuten in der Partie gegen Regensburg (3:0). Ansonsten musste er stets sich hinter den beiden Konkurrenten anstellen. Nun saß Gyamerah nicht einmal auf der Bank.
Auch die Wechsel während des Spiels erstaunten. Als Ronstadt nach 64 Minuten ging, kam Mika Haas. Der 19-Jährige hatte diese Saison erst fünf Minuten im Profiteam bestritten, am 5. Spieltag gegen Hannover. Haas übernahm seine "gelernte" linke Seite, und Linksfuß Redondo musste nun sogar auf der rechten Seite verteidigen - echt jetzt? Bis zur 87. Minute, da durfte Zimmer dann doch noch für ein paar Minuten ran.
Der Rest der bisherigen Stammkräfte auf den Außenbahnen guckte in die Röhre. Die mäßige Flügelverteidigung war in dieser Saison immer wieder mal Thema unserer Analysen - ob diese Premiere als Fingerzeig gewertet darf, dass sich die Hierarchie auf diesen Positionen nun nachhaltig verschiebt? Wir vermuten mal: ja.
Raschl feiert Wiederauferstehung
Auch wenn das Torsten Lieberknecht hinterher so natürlich nicht bestätigte: "Für mich war es wichtig, vor allem auch den Jungs, die zuletzt nicht im Kader waren, das Gefühl zu geben, dass sie auf jeden Fall dranbleiben sollen, dass sie von mir berücksichtigt werden." Das gelte auch für die Jungs, die später reinkamen. Darüberhinaus hätten, na klar, die Trainingseindrücke entschieden, die er in den ersten Tagen gesammelt habe.
Von den Eingewechselten ist neben Haas noch ein weiterer herauszuheben: Tobias Raschl. Der hatte in dieser Saison bislang nur einen Startelf-Einsatz erlebt, am 3. Spieltag gegen Münster (1:0), und da musste er zur Pause raus. In der Rückrunde durfte er nur zum Jahresauftakt gegen Ulm ran, für eine einzige Minute.
Diesmal aber kam er nach 71 Minuten für Daisuke Yokota - und belebte direkt das FCK-Spiel. Nur eine Minute später servierte er Ragnar Ache einen Ball in den Strafraum, nach elegantem Kreisel und energischem Antritt in den Zehnerraum. Ache machte daraus prompt ein Traumtor. Das der VAR allerdings wieder zurücknahm. Weil's ganz knapp Abseits gewesen sein soll.
Das mag ja stimmen, aber wieso brauchen diese Kölner Kellergeister fast drei Minuten, bis sie zu einer solchen Entscheidung kommen? Die Mannschaft und die 49.327 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion hatten da schon ausführlich gejubelt und sich minutenlang geknuddelt. Um dann so enttäuscht zu werden. Was ist nur aus dem "Live"-Erlebnis geworden, das ein Stadionbesuch eigentlich doch bieten soll. Das ist einfach nur grausam.
Die Jungs mit dem gewissen Etwas
Zurück zum Sport. Auch wenn das Tor nicht zählte, habe die Aktion doch dafür gesorgt, dass Raschl in die Partie sofort gut reinkam und so einen wichtigen Beitrag zum Sieg leistete, lobte Lieberknecht nach dem Spiel. Auch Raschl habe sich Trainingsleistungen qualifiziert, in denen "die Jungs" mit ihrer Ballsicherheit zeigten, dass sie einem Spiel "das gewisse Etwas" geben können.
Warum Lieberknecht den Plural gebrauchte? Weil er neben Raschl auch Philipp Klement erwähnte, der seit einem 20-Minuten-Einsatz am 7. Spieltag gegen Regensburg (0:0) in keinem Wettkampf mehr gesehen ward - was zwischenzeitlich, aber nicht nur mit einer Knie- und Wadenverletzung zusammenhing. Ob dieser feine Techniker in den finalen drei Runden nun ebenfalls noch Wiederauferstehung feiert?
Mehr hohe Bälle, klare Struktur
Neben dieser Fülle von Personalien veränderte der neue Trainer auch die Spielanlage seiner Elf. Das Mittelfeld wurde schneller mit hohen Bällen überbrückt, wobei Ache mit Hanslik einen Nebenmann hatte, der sich ebenso aufs Abnehmen dieser Zuspiele verstand. Überhaupt präsentierte sich die Mannschaftsformation weniger fluid als unter Anfang. Es war ein recht klar strukturiertes 3-3-2-2, in dem Marlon Ritter und Daisuke Yokota die Positionen hinter den Spitzen übernahmen.
Wobei sich zeigte, dass hier noch einiges an Feintuning notwendig ist, sofern diese Grundordnung beibehalten werden soll. In dieser Partie waren die beiden noch zu sehr Zehner und weniger Achter. Es haperte ab und an in der Rückwärtsbewegung. Dadurch kamen die Schalker ab der Mitte zweiten Hälfte durch die Halbräume einige Male gefährlich nach vorne. Kaloc war da als einsamer Sechser überfordert. Nachdem die Lautrer in der ersten Viertelstunde so konzentriert früh attackiert hatten, dass beim Gast erstmal gar nichts ging.
Ein paar Zahlen zum Beleg
Die veränderte Spielanlage sei kurz an ein paar Vergleichszahlen aus dem Datenkosmos von "Wyscout" dokumentiert. Bei der 1:2-Niederlage gegen Nürnberg dauerte ein Ballbesitz des 1. FC Kaiserslautern im Schnitt 16 Sekunden. Ballbesitze zwischen 20 und 45 Sekunden Länge verzeichnete die Anfang-Elf 27, sechs hielten noch länger an. Die Länge eines Passes, der das gegnerische Drittel erreichte, betrug im Mittel 22,7 Meter.
Und in dieser Partie? Durchschnittliche Länge eines FCK-Ballbesitzes: elf Sekunden. Ballbesitze zwischen 20 und 45 Sekunden Länge: zehn. Über 45 Sekunden: zwei. Ein Pass ins Angriffsdrittel flog im Schnitt 32,4 Meter weit.
Wobei nochmal klargestellt werden soll: Der FCK spielte gegen den FCN keinesfalls schlecht, sondern vor allem in der zweiten Halbzeit sogar richtig gut. Nur eben anders. Lediglich das Ergebnis stimmte am Ende nicht.
Nach der Pause: Hanslik scheitert, Höjlund auch
Zu erkennen war auch, dass der beste Kopfballstürmer der Liga nun auch aus dem Spiel heraus wieder mehr Flanken von der Seite bekommen soll. Das lässt sich quantitativ zwar nicht mit Zahlen belegen, aber qualitativ: Das 1:0 in der 35. Minute erfolgte im Anschluss an eine starke Redondo-Flanke, die Ache in seiner unnachahmlichen Art aufs Tor köpfte. Schalke-Keeper Justin Hekeeren konnte nur abklatschen, Yokota staubte ab.
Weniger erfreulich: Nach der Pause baute der FCK wieder mal ab, bis der Gegner zum Ausgleich kam. Wobei es vielleicht anders gekommen wäre, wäre Hanslik nicht unmittelbar nach Wiederanpfiff freistehend aus halblinker Position an Hekeeren gescheitert. Ache hatte ihm den Ball per Kopfballverlängerung serviert. Aber ob der VAR nicht vielleicht auch diesen Treffer kassiert hätte? Wir möchten nicht hoch drauf wetten.
Danach jedenfalls war Schalke 04 am Drücker. Was jetzt nicht nur an fahrig werden Pfälzern lag. Mit Emil Höjlund hatte Noch-Schalke-Trainer Kees van Wonderen eine Offensivkraft eingewechselt, die das Spiel ihrer Elf deutlich belebte. Um ein Haar hätte es schon nach 50 Minuten eingeschlagen, als sich FCK-Keeper Julian Krahl nach einem langen Ball auf Höjlund beim Herauslaufen verrechnete und der Stürmer sich das Leder am Keeper vorbeilegte, es anschließend aber nicht mehr unter Kontrolle brachte.
Erst wackelt's, dann raschelt's
Ache bot sich dann ein weiteres Mal die Möglichkeit, auf 2:0 zu stellen und so sein nachlassendes Team wieder zu stabilisieren. Er jagte den Ball freistehend vor Hekeeren übers Tor. Vorlagengeber war diesmal ein Schalker: Innenverteidiger Marcin Kaminski, dem eine Kopfball-Rückgabe missglückte.
In der 61. Minute war es dann soweit. Und der Fehler lag nicht bei Elvedi oder Krahl, die bei ihren Abwehrversuchen unglücklich aussehen, bevor Mussa Sylla das Leder über die Linie drückt. Das Problem ist, dass Schalkes Innenverteidiger Ron Schallenberg in aller Ruhe mit dem Ball am Fuß durch den rechten Halbraum nach vorne traben und sich nach einem simplen Doppelpass halbrechts im Strafraum anbieten darf, um den Ball scharf in die Mitte zu passen. Dass so eine kaum kontrollierbare Situation entsteht, an deren Ende der finale Ballkontakt dem Gegner überlassen bleibt, ist den dort handelnden Personen kaum vorzuwerfen.
Ache. Wer sonst?
Dass die Roten Teufel das bessere Ende doch noch für sich hatten, lag, wie schon gesagt, an den Einwechslungen von Haas und Raschl, die das FCK-Spiel belebten. Faride Alidou kam ebenfalls, ersetzte Hanslik, war aber weniger effektiv. Und dann war da natürlich Ache, wer sonst. Sechs Minuten nach seinem aberkannten Treffer versuchte er es nochmal - und traf. Ritter hatte ihn in Szene gesetzt, mit einem einfachen langen Ball. Das eben war die "Einfachheit", die Lieberknecht dem FCK-Spiel wiedergeben wollte.
"Durch" war die Partie damit noch lange nicht. Es gab noch einige enge Szenen zu überstehen, die einmal mehr zeigten, dass sich in dieser ausgeglichenen Liga auch ein Tabellen-13. nicht leichter bezwingen lässt als ein sogenannter Aufstiegskandidat. Noch tief in der Nachspielzeit kam es zu einem Herzinfarkt-Moment, als Höjlund und der eingewechselte Pape Meissa Ba eine scharfe Flanke in den Fünfmeterraum verpassten. Da aber wäre wohl auf Abseits entschieden worden. Oder auch nicht. Wer weiß das schon im Zeitalter des VAR.
Viel Luft im Mittelfeldzentrum
Zu den Grafiken. Auch die xG-Timeline sieht den FCK vorne. Wobei der Schalker Wert in erster Linie durch Syllas Ausgleichstreffer nach oben getrieben wird, der aus kürzester Distanz einschieben durfte.
Die Positions- und Passgrafik des 1. FC Kaiserslautern: Offenbar ein recht "luftiges" Mittelzentrum. Eben, weil selbiges mit langen Bällen überbrückt worden ist.
Die Passmap von Schalke 04: Da hängen die Stürmer ziemlich in der Luft. Allerdings: Sylla und später Höjlund machten ihre Sache gut. Wenn sie den Ball mal hatten, wurde es direkt gefährlich.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage