Hand aufs Herz: Wer hat vor fünf Wochen geglaubt, wir hätten in dieser Länderspielpause eine positive Bilanz zu ziehen? Vier Spiele, acht Punkte, keine Niederlage - Hut ab. Einiges muss aber auch relativiert werden.
In unserem letzten Zwischenzeugnis blickten wir äußerst besorgt auf die anstehenden Zweitliga-Partien gegen Paderborn, Düsseldorf, Magdeburg und Nürnberg. Lauter spielstarke Gegner, und das nach zuvor fünf sieglosen Auftritten mit drei Niederlagen. Der Trend zeigte klar nach unten, der Abstiegskampf schien eröffnet, und so mancher sah schon Markus Anfangs Ende nahen.
Doch was geschah? Vier Spiele, acht Punkte, 9:5 Tore, keine Niederlage, zweimal sogar "zu null", dazu ein höchst respektabler Auftritt im DFB-Pokal beim 1:2 in Stuttgart. Also zeigt der Trend jetzt klar nach oben, ist gar der Aufstiegskampf eröffnet? Immer mit der Ruhe.
Arbeiten wir erst einmal ab, was nach wie vor skeptisch stimmen sollte. Alle diese Spiele hätten für den 1. FC Kaiserslautern auch unerfreulich enden können. In allen brauchte es Matchglück. Gegen Paderborn brachte ein kapitaler Bock von Keeper Pelle Boevink die Roten Teufel auf die Siegerstraße, in Düsseldorf ging Daisuke Yokotas Treffer zum 2:2, das die Wende brachte, ein Innenpfostenschuss der Gastgeber voraus, gegen Magdeburg half ein Platzverweis nach einem 0:2-Rückstand, in Nürnberg rettete ein überragender Julian Krahl das 0:0 über die Zeit.
Andererseits: In dieser Liga gewinnt kaum ein Team ein Spiel ohne ein bisschen Dusel. Auch wenn niemand mehr die Phrase von der "besten Zweiten Liga aller Zeiten" hören mag - als die engste könnte sie schon Geschichte machen.
Und noch einmal: Ballbesitz allein entscheidet gar nichts
Der Pfälzer sagt aber auch nicht umsonst: Vunn nix kummt nix. Etwas müssen die Betze-Buben schon besser gemacht haben als in den Spielen zuvor. Beherrscht die Mannschaft jetzt etwa das "Ballbesitzspiel", das ihr ihr Trainer ihr angeblich auf Roter-Teufel-Komm-Raus vermitteln will?
Dass es Blödsinn ist, die Anfang'sche Spielidee darauf zu reduzieren, haben wir schon öfter dargelegt. Hier sei es nochmal an Zahlen veranschaulicht. Bei den Siegen gegen Paderborn und in Düsseldorf verzeichneten die Lautrer Ballbesitzanteile von 37 (!) und 42 Prozent, bei den Remis gegen Magdeburg und in Nürnberg 62 und 57 Prozent. Sie allein können also kaum über Punkt oder Sieg entschieden haben.
Größtenteils lassen sich diese Werte anhand der Spielverläufe erklären. Gegen Paderborn lag der FCK über eine Stunde lang in Front. Dem Gegner unter diesen Umständen die Initiative zu überlassen, ist nichts Ehrenrühriges. Auch der damalige Tabellenführer Düsseldorf lag kumuliert über die Hälfte der gesamten Spielzeit in Rückstand, musste also ebenfalls kommen. Gegen Magdeburg wiederum lag der FCK rund 60 Minuten hinten, spielte über 50 Minuten in Überzahl - da hat man Ballbesitz, ob man will oder nicht.
Aus dem Ballbesitz heraus zu treffen, bleibt ein Problem
Auf den ersten Blick überraschend ist allenfalls der hohe Ballbesitzanteil im Nürnberg-Spiel. Der wiederum war, zum Teil wenigstens, der Nürnberger Taktik geschuldet. Die "Glubberer" warteten bewusst den Druckpass des Gegners in ihre Hälfte ab, um dann erst dazwischen zu gehen und ihre schnellen Konterspieler einzusetzen. Zum Teil hielten die Pfälzer auch den Ball, um sich vor eben solchen Umschaltaktionen zu schützen. "Ballbesitzfußball" zum Zwecke der Torerzielung spielten sie nur phasenweise.
Diesen zwar ungleich bewegter und inspirierter als im September beim 0:0 in Regensburg mit 69 Prozent Ballbesitz, unterm Strich aber erfolglos. Gleiches gilt für ihre Bemühungen, im Überzahlspiel gegen Magdeburg zum Erfolg zu kommen. Das 2:2, das zumindest noch einen Punkt bescherte, erzielte Ragnar Ache nach einer Ecke von Luca Sirch.
Das Ballbesitzspiel des Anfang-Teams bleibt also weiter verbesserungswürdig, trotz der guten Ergebnisse zuletzt. Was stattdessen die Punkte bescherte?
Das kompaktere Auftreten war der Schlüssel zum Erfolg
Die Mannschaft präsentierte sich kompakter als in den ersten Saisonspielen. Was, neben Krahl und Glück, zum einen die beiden Zu-Null-Spiele erklärt, aber auch einige der neun erzielten Treffer. Weil ein kompaktes Aufrücken auch frühe Balleroberungen ermöglicht. Etwa die späten Treffer gegen Paderborn. Vor dem 2:0 sichert das Kollektiv einen zweiten Ball nach einer Ecke, ehe Marlon Ritter eine überragende Vorarbeit für Sirch leistet. Vor dem 3:0 werden Paderborns Abwehrspieler auf ihrer linken Abwehrseite gemeinschaftlich bejagt, nach erfolgreicher Balleroberung passt Yokota in die Mitte zu Torschütze Ritter.
Und auch der Torhüterfehler vor dem 1:0 ist durch gut organisiertes Pressing provoziert worden. Dadurch blieb Boevinks Vorderleuten keine andere Wahl, als ihren Schlussmann anzuspielen. Aches Vollstreckungsakt sieht simpel aus, aber auch er kann Boevink den Ball nur abspitzeln, weil er weit vorne im Feld positioniert ist. In Düsseldorf gingen Hansliks Treffer zum 1:0 und Aches Torschuss zum 3:2 Spiel frühe Ballgewinne voraus.
Unfreiwillige Personalwechsel werden zum Glücksfall
Die bessere Kompaktheit geht zudem mit personellen Änderungen einher, die Markus Anfang gar nicht mal freiwillig vornahm. In der vergangenen Länderspielpause hatten sich Boris Tomiak und Jan Gyamerah verletzt, Marlon Ritter war angeschlagen und konnte in den Wochen danach beim DFB-Pokalspiel in Stuttgart von Beginn an ran. Später fiel auch Jannis Heuer aus, die Flügelspieler Aaron Opoku und Kenny Redondo fehlten schon länger. Das rief frische Kräfte auf den Plan, die bislang noch keine Gelegenheit hatten, sich auszuzeichnen, und die diese nun nutzten.
Afeez Aremu darf seither regelmäßig als Sechser ran. Er erledigt den Part diszipliniert und ordentlich, hat somit seinen Anteil am Aufschwung. Auch wenn er nicht die große Lösung für diese Schlüsselposition sein dürfte. Und Luca Sirch erwies sich als absolute Bereicherung. Dank seiner Spielstärke hat er das Zeug, als Pendler zwischen Abwehrzentrum und hinterem Mittelfeld der Taktgeber aus dem Zentrum werden, der dem FCK-Spiel noch fehlt.
Spannend wird nun zu beobachten sein, ob und wie diese Kompaktheit erhalten bleibt, wenn die Offensivkräfte Redondo, Opoku und Ritter wieder bei hundert Prozent sind und in die Startelf drängen. Droht Markus Anfang da ein sogenanntes "Luxusproblem"? Wir erinnern nochmal an den Leitsatz der nicht unbedingt sympathischen, aber fachlich hochkompetenten Trainerlegende Louis van Gaal: "Ich stelle nicht die elf Besten, sondern die beste Elf."
Der Erfolgsfaktor mit dem linken Fuß: Yokota
Ein weiterer Erfolgsfaktor hat einen konkreten Namen: Daisuke Yokota. Der Japaner, der Mitte September in Hannover (1:3) sein Debüt im FCK-Dress gab, ist in den vergangenen Wochen voll durchgestartet. Ein Assist gegen Paderborn, ein Assist und ein Treffer in Düsseldorf, ein Assist gegen Madgeburg - und in Nürnberg ein "tödlicher Pass" wie aus dem Bilderbuch, aus dem Zehnerraum auf Ache, der solche Vorlagen normalweise verwertet, nur diesmal halt nicht. Und das waren nur "Dais" augenfälligste Momente.
Yokota scheint fürs Anfang-Spiel wie geschaffen, ist kaum zum Ball zu trennen und bewegt sich dank seines tiefen Schwerpunkts bei nur 1,71 Meter Körpergröße zwischen gegnerischen Abwehrbeinen hindurch wie ein Slalomläufer. Und als Pendler zwischen Rechtsaußen und Zehnerposition hat der Linksfuß seine ideale Rolle gefunden.
Wie's nun weitergeht? Mit besserwisserischen Prognosen oder steilen Thesen hält man sich in dieser Liga, in der es kaum ein Oben oder Unten gibt, lieber zurück. Zuversichtlich sein darf man indes schon. Verbessern kann sich der FCK sicher noch, wie oben dargelegt, im Ballbesitzspiel Richtung Gegnertor. In dem will aber so ziemlich jedes deutsche Profiteam noch zulegen, außer Bayer, Bayern und vielleicht noch Stuttgart.
Ache braucht wieder mehr Flanken - oder?
Zuletzt etwas nachgelassen hat die Aktivität der Pfälzer bei Flanken. Was deren reine Produktion angeht, ist der FCK grade mal 13. im Wettbewerbsvergleich, in punkto Flanken-Qualität Neunter mit 34,3 Prozent Genauigkeit. Bisschen wenig, wenn man den besten Kopfballstürmer der Liga vorne drin hat. Von seinen bislang sieben erzielten Treffern hat Ache zwar drei mit Kopf gemacht, die aber allesamt nach Ecken. Schon klar: Die besten Flügelstürmer haben zuletzt gefehlt. Und mit Tymo Puchacz ist der Flankengott der Vorsaison gegangen.
Angemerkt werden muss in diesem Zusammenhang allerdings: Im Spitzenfußball ist schon länger ein Trend gegen die klassische hohe Flanke von den Außen aufs Kopfballmonster in der Mitte zu beobachten. Trainer wie Leverkusens Xabi Alonso oder Liverpools neuer Coach Arne Slot sehen es lieber, wenn der Flügelspieler im Strafraum bis zur Torauslinie sprintet oder dribbelt und dann flach in den Rückraum passt. Und Markus Anfang orientiert sich anscheinend gerne am fußballerischen State of the Art.
Jetzt gegen Braunschweig: Wir sind gespannt
Jetzt steht erst einmal das Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig an (24. November, 13:30 Uhr). Ein Kellerkind, das gerade mit einem Sieg über den HSV mächtig Selbstvertrauen getankt hat. Und das keinerlei Hemmungen haben wird, Lauterns Bemühen um Spielkultur mit gnadenlosem "Schusterball" zu kontern. Ohne schwarzmalen zu wollen: Das ist im Grunde genau der Gegner, der gerade aufkeimende Blütenträume brutal platzen lassen kann.
Es wird also interessant. Und spannend. Aber um genau das zu erleben, gehen wir doch auf den Betzenberg, oder?
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Das DBB-Zwischenzeugnis: Viel Schatten, wenig Licht (Der Betze brennt, 09.10.2024)
- Erkenntnisse aus der Anfangs-Phase (Der Betze brennt, 06.09.2024)