Interview des Monats: FCK-Beiratsvorsitzender Rainer Keßler (Teil 2/2)

"Natürlich sind auch wir nicht glücklich mit der Situation"

"Natürlich sind auch wir nicht glücklich mit der Situation"


Teil 2 unseres Exklusiv-Interviews mit Rainer Keßler: Der Beirats­vor­sitz­en­de beurteilt die sport­li­che Ent­wick­lung des 1. FC Kaisers­lautern und spricht über die schwie­ri­ge Auf­ga­be, am Betze kühlen Kopf zu bewahren.

Der Betze brennt: Rainer Keßler, lassen Sie uns auf die sportliche Entwicklung des FCK blicken. Nach Ihrem Amtsantritt anno 2019 warben Sie mit einer Art doppeltem Dreijahresplan um Investoren. Dieser besagte: Konsolidierung in der 3. Liga - dann oben angreifen - und im dritten Jahr aufsteigen. Dies alles mit Unterstützung durch Investorengelder. Danach in der 2. Bundesliga lautete der genannte Plan aus dem Winter 2019/20: Aus eigener finanzieller Kraft in der Saison 2022/23 im Mittelfeld landen - dann im oberen Drittel - und im dritten Jahr, also 2024/25 aufsteigen. Bis zur Entlassung von Dirk Schuster im November 2023 war dieser doppelte Dreijahresplan geradezu märchenhaft aufgegangen. Seitdem scheint der FCK aber eher wieder einen Schritt zurück gemacht zu haben.

Rainer Keßler (62): Wir haben aber auch von Anfang an kommuniziert, dass wir Geduld brauchen und es auf diesem Weg vielleicht auch Rückschläge zu verkraften gibt. Im Jahr nach dem Aufstieg wirst du von Euphorie getragen, bist nach der Winterpause sogar Vierter, wirst dann zwar noch durchgereicht auf Platz 9, hast unterm Strich aber immer noch eine gute Saison gespielt. Fachleute haben eine schwierige zweite Saison prognostiziert. Die Euphorie des Aufstiegs nivelliert sich, einige Spieler werden im Hinblick auf ihr Leistungsvermögen geerdet und Kaderergänzungen können auch nicht immer greifen. Wir hatten schwierige Entscheidungen zu treffen, etwa bei den Trainerwechseln. Ebenso hat die eine oder andere Spielerverpflichtung sicherlich die Erwartungen nicht erfüllt. Trotz des Erfolgs im DFB-Pokal haben wir am Ende in der Saison 2023/24 gerade so die Klasse gehalten, da darf man die Augen nicht verschließen …

"Im Sommer wurden die personellen Strukturen hinterfragt und bewertet"

Der Betze brennt: ... die letzte Saison war trotz Klassenerhalt und Pokalfinale extrem turbulent, was alleine schon an den drei Trainern Dirk Schuster, Dimitrios Grammozis und Friedhelm Funkel ablesbar ist. Über deren Nachfolger Markus Anfang wird nach den zuletzt mauen Ergebnissen auch schon wieder diskutiert ...

Keßler: Die vergangene Saison haben wir als Beirat im Sommer im Dialog mit dem Geschäftsführer im Hinblick auf die sportliche und wirtschaftliche Entwicklung aufgearbeitet. Auch die personellen Strukturen wurden hinterfragt und bewertet. Thomas Hengen hat uns deutlich gemacht, wie er sich die sportliche Weiterentwicklung vorstellt. Wir haben unserem Geschäftsführer daraufhin den Rücken gestärkt. Wir haben uns auf einen neuen Trainer verständigt, der eine andere Spielphilosophie als seine Vorgänger verfolgt. Um diese umzusetzen, brauchst du eben wieder Geduld. Denn wenn du ständig 180-Grad-Drehungen machst, verlierst du an Glaubwürdigkeit in allen Bereichen.

Der Betze brennt: Stichwort Geduld: Obwohl es eigentlich nicht verwunderlich ist, dass so eine geänderte Spielphilosophie nach acht, neun Spieltagen noch nicht perfekt funktioniert, spürt man in den letzten Wochen schon ein Grummeln rund um den Berg. Wie ist das bei Ihnen?

Keßler: Natürlich sind auch wir zurzeit nicht glücklich mit der Situation. Dazu kommen Dinge, die wir nicht beeinflussen können, etwa die vielen Verletzten. Schwer zu akzeptieren ist der Sachverhalt, dass wir seit einiger Zeit die Spiele im sogenannten "Pflichtprogramm" nicht überzeugend gestalten und lediglich in der "Kür" unser wahres Gesicht zeigen. Trotzdem haben wir ein gutes Gefühl, dass es auf der Linie "Mannschaft - Trainer - Geschäftsführer" stimmt, dass da ein konstruktiver Prozess im Gange ist. Natürlich ist es aber auch keine Phrase, dass Fußball Ergebnissport ist. Wenn wir die nächsten Spiele nicht gewinnen, wird es nicht lustiger, das ist klar. Aber auch dann dürfen wir nicht alles wieder über Bord werfen, was wir gerade aufgebaut haben. Wir sind gut beraten, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Der Betze brennt: Wie einfach ist es, bei diesem Verein einen kühlen Kopf zu bewahren?

Keßler: Schwierig! (lacht) Wir sind ja auch Fans und leiden auch mit, haben auch unsere Erwartungshaltung. Jeder von uns ist einer von 40.000 Trainern und würde gerne so oder so agieren. Aber wenn du in der Verantwortung stehst, musst du auch mal eine Nacht drüber schlafen, Gespräche führen, den Bauch ausschalten und den Kopf walten lassen. Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren und dürfen nicht in Aktionismus verfallen. Genau das sagen mir übrigens auch viele Fans, die ich etwa auf Auswärtsspielen treffe: Bitte kein Aktionismus!

"Perspektivisch wird der FCK zwei oder drei Geschäftsführer haben"

Der Betze brennt: Kaderplaner Enis Hajri ist einer von mittlerweile drei Direktoren, die im Organigramm des FCK unter dem alleinigen Geschäftsführer Hengen angeordnet sind. Dabei gab es als Hengen kam noch zwei Geschäftsführer, mit dem später krankheitsbedingt ausgeschiedenen Soeren Oliver Voigt, der den Klub als kaufmännischer Chef durch die Insolvenz gebracht hatte. Zwei Geschäftsführer sind eigentlich auch im Gesellschaftervertrag der FCK-Kapitalgesellschaft vorgesehen. Warum sind Sie als Beirat nun von dieser Struktur mit Doppelführung abgewichen? Besteht dadurch nicht die Gefahr, dass Thomas Hengen in einer hypothetischen, zukünftigen Krisensituation unersetzbar ist?

Keßler: Ich glaube nicht, dass wir eine Konstellation geschaffen haben, wo uns etwas komplett wegbrechen könnte. Wir haben einen stabilen Unterbau, den Menschen ausfüllen, die schon sehr lange im Verein sind (neben Hajri sind die weiteren Direktoren die langjährigen FCK-Mitarbeiter Saskia Bugera und Marcus Böse; Anm. d. Red.). Derzeit steht an erster Stelle, den FCK sportlich und wirtschaftlich weiterzuentwickeln, denn beides muss nebeneinander einhergehen. Da sehen wir uns im Moment gut aufgestellt. Perspektivisch aber, da haben Sie Recht, soll der FCK wieder zwei Geschäftsführer haben, vielleicht sogar drei. Und man muss kein Hellseher sein, um zu prophezeien, dass das auch so kommen wird. Es ist eben immer die Frage des Zeitpunkts, wann man so eine Veränderung umsetzt.

Der Betze brennt: Der FCK ist sowohl in der Kapitalgesellschaft als auch im eingetragenen Verein viel mehr als die wöchentlichen 90 Minuten des Zweitliga-Teams. Wie sehen Sie im Fußball-Bereich die Entwicklungen im Nachwuchsleistungszentrum, bei den Jugendmannschaften oder auch beim neuen Frauen-Team?

Keßler: Im Moment sind wir extrem glücklich mit der Performance, von der U21, aber auch von der U19 und der U17. Weil sie mit Vereinen wie Bayer Leverkusen, 1. FC Köln, TSG Hoffenheim oder Mainz 05 mithalten können, obwohl da wesentlich mehr Investment im Spiel ist. Das zeigt, dass im NLZ gut gearbeitet wird. Auch die Nachwuchsprofis Mika Haas, Fabian Heck und Leon Robinson haben keine Alibi-Verträge bekommen, sondern können zeitnah den Sprung schaffen. Mit Markus Anfang haben sie den richtigen Trainer, der ein gutes Auge für die richtige Dosierung, der ja auch schon im Jugendbereich von Bayer Leverkusen erfolgreich war. Die Zukunft des FCK liegt darin, Talente aus der Region in den bezahlten Fußball zu entwickeln. Dazu müssen wir auch weiter ins NLZ investieren. Nicht nur in Beine, auch in Steine. Und in qualifizierte Trainer und in Physiotherapeuten.

Den von Ihnen erwähnten Frauen- und Mädchenfußball würde ich da zunächst mal losgelöst betrachten, da sind wir ein Jahr nach dem Projektbeginn im FCK e.V. noch weit davon entfernt, von Professionalisierung zu sprechen. Aber wir haben auch da eine klare Konzeption - und sind beeindruckt, wie schnell es dem Vorstand und den Verantwortlichen gelungen ist, da leistungsfähige Mannschaften auf die Beine zu stellen. Auch sie tragen zu einer positiven Außenwirkung unseres Vereins bei.

Der Betze brennt: Die U21 spielt diese Saison, wie es aussieht, um den Aufstieg in die Regionalliga Südwest. Auch für deren Spielstätte gäbe es dann gewisse Auflagen zu erfüllen. Wo könnte die Mannschaft denn spielen, wenn sie es wirklich schafft?

Keßler: Also, ein neues Stadion am NLZ könnten wir ihr auf die Schnelle wohl kaum bauen, diese Idee wäre eine längerfristige Geschichte. Nach Pirmasens oder Homburg auszuweichen, ist eher unrealistisch. Das Naheliegendste wäre auf den ersten Blick, auch die Heimspiele der U21 im Fritz-Walter-Stadion auszutragen. Das hätte auch den Vorteil, dass wir unser Stadion besser auslasten, wie es ja von uns immer mal gefordert wird. Wir bräuchten dann allerdings zusätzliche Spielerkabinen, denn es gibt im Stadion nur zwei Stück. Auch die stärkere Belastung des Rasens wäre zu berücksichtigen. Diese Probleme müssten wir noch lösen.

"Der Stadionpachtvertrag hat für uns erste Priorität"

Der Betze brennt: Voraussichtlich am 18. November soll der umfassend neugestaltete Stadionpachtvertrag im Kaiserslauterer Stadtrat beschlossen werden. Wenn wir auch hier mal knapp fünf Jahre zurückblicken: Der Pachtvertrag war damals eines Ihrer ersten großen Projekte mit der neuen FCK-Klubführung. Und eines mit großen Nebengeräuschen: Mehrere Sitzungen im Stadtrat waren nötig, über die Medien wurde in verschiedene Richtungen Stimmung gemacht, vor dem Rathaus liefen FCK-Fans zur Demonstration auf. Heute läuft das alles viel geräuschloser und die Beteiligten betonen das mittlerweile gute Verhältnis zwischen Verein und Stadt ...

Keßler: Ja, das waren zuletzt wirklich konstruktive Gespräche. Ich glaube, alle Parteien haben da dazugelernt. Besonders lobend muss ich Valentin Helou hervorheben, den der Beirat in diese Gesprächsrunden entsandt hatte. Als Projektentwickler hat er sich wirklich prädestiniert gezeigt für diese Aufgabe. In der Tat hat dieser Stadionpachtvertrag für uns erste Priorität. Es ist einfach so, dass wir gegenwärtig im Vergleich zu den meisten Zweitligisten einen überproportionalen großen finanziellen Aufwand für unsere Spielstätte betreiben müssen. Das stellt für uns einen echten Wettbewerbsnachteil dar. Uns liegen Berechnungen vor, was uns ein Platz kostet. Da sind wir mit Abstand in der Spitzengruppe. Unsere Mehrbelastung gegenüber anderen Klubs liegt da im zweistelligen Prozentbereich. Auch unabhängig davon, dass andere Vereine ihr Stadion vielleicht nur für die 90 Minuten am Wochenende nutzen und wir die ganze Woche mit Geschäftsstelle, Fanshop, Trainingsplätzen hier aktiv sind.

Der Betze brennt: Können Sie uns schon einen kleinen Einblick geben, was die wichtigsten Eckdaten des neuen Stadionvertrags angeht?

Keßler: Vor allem brauchen wir ein ligaabhängiges Pachtmodell. Dieses haben wir zwar momentan auch, aber es ist nicht vertraglich festgeschrieben, sondern muss alle zwei Jahre neu verhandelt werden. Das war immer schwer für beide Seiten. Und die Lasten und Pflichten - etwa was Instandhaltung, Ersatz und Wartung angeht - müssen transparent geklärt und angemessen aufgeteilt sein. Das sind die Kernthemen. Über noch genauere Details des Vertrags möchte ich erst sprechen, wenn er unterzeichnet ist. Wir hoffen, dass uns eine Novellierung des Pachtvertrages nun zeitnah gelingt.

Der Betze brennt: Wie steht es um die längerfristigen Gedankenspiele, das Fritz-Walter-Stadion aus den Händen der Stadt zurück in den Besitz des FCK zu bringen?

Keßler: Dazu eine Prognose zu wagen, wäre vermessen. Für die Kapitalgesellschaft oder den FCK e.V. ist derzeit kein solches Szenario greifbar. Es ist natürlich denkbar, dass die Stadt oder die Stadiongesellschaft irgendwann mal entscheidet, das Fritz-Walter-Stadion zu veräußern. Ob an eine FCK-Gesellschaft oder eine dritte Partei, wird man dann sehen.

Der Betze brennt: Weil es gerade thematisch passt, nochmal ganz kurz ein Blick in die Vergangenheit, nämlich auf 2021 und den Fast-Abstieg in die Regionalliga: Wie knapp stand der FCK eigentlich damals wirklich davor, aus dem Fritz-Walter-Stadion auszuziehen und in Pirmasens oder anderswo seine Heimspiele austragen zu müssen?

Keßler: Wir mussten damals zum 15. März 2021 beim DFB unsere Lizenzunterlagen einreichen, auch für die Regionalliga, und darin auch eine bereits feststehende Spielstätte angeben. Fürs Fritz-Walter-Stadion hätten wir für diesen Fall aber keinen gültigen Pachtvertrag vorlegen können. Der Vertrag galt nur für die erste, zweite und dritte Liga. Da ich Pirmasenser bin und seit mehr als 25 Jahren auch FKP-Mitglied, habe ich mich dann um eine schriftliche Zusage bemüht, dass wir im Sportpark Husterhöhe spielen könnten. Ob es tatsächlich so gekommen wäre, weiß ich nicht. Vielleicht wäre es uns auch gelungen, uns das Fritz-Walter-Stadion zu erhalten. Aber wir brauchten diese Zusage für die Lizenzunterlagen im Falle eines Abstiegs.

"Zum Jubiläum wünsche ich mir einen optimistischen Blick in die Zukunft"

Der Betze brennt: Im kommenden Sommer feiert der FCK seinen 125. Geburtstag. Man hört, dass der Verein schon viele spannende Pläne und Ideen für dieses Jubiläum hat. Was können Sie uns dazu schon verraten?

Keßler: Da muss ich um Verständnis bitten, dass ich da die Erstinformation unseren Mitgliedern vorbehalten will. Ich kann nur sagen, wir haben Arbeitskreis gebildet, der einen großartigen Job macht. Und wir werden in einer angemessenen Weise feiern. Nicht überheblich, kein Gala-Format. Es wird keine zentrale Veranstaltung geben, sondern unterschiedliche Aktionen in mehreren Zeiträumen, für die Menschen, die uns in all den Jahren getragen haben: Für unsere Mitglieder und Fans.

Der Betze brennt: Am offiziellen Jubiläumstag, dem 2. Juni 2025, wird die Saison gerade zu Ende gegangen sein. Dieses Jahr waren da die heißen Themen an den Betze-Stammtischen das gerade absolvierte Pokalfinale sowie der Trainerwechsel von Friedhelm Funkel zu Markus Anfang. Was wünschen Sie sich für nächstes Jahr zu diesem Zeitpunkt als Gesprächsstoff bei den Fans?

Keßler: Erstmal hoffe ich, dass wir im Jubiläumsjahr nicht im Abstiegsstrudel stecken oder ähnliches. Vielleicht gelingt es uns, den Verlauf der vorangegangenen Saison umzudrehen: Eine eher maue Hinrunde spielen, dafür aber eine starke Rückrunde. Die alle Fans optimistisch in die Zukunft schauen lässt. Dann können wir am 2. Juni, dem offiziellen Jubiläumstag, schön feiern - auch wenn es ein Montag ist.

Der Betze brennt: Wir freuen uns drauf! Vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch und alles Gute für Ihre weitere Amtsführung.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "Der FCK hat sich seit 2019 sehr stark positiv entwickelt"

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