Taktik-Nachlese zum Testspiel FCK-1860

Die DBB-Analyse: Was zum Jubeln, was zum Grübeln

Die DBB-Analyse: Was zum Jubeln, was zum Grübeln

Foto: Imago Images

Mit einem 2:0 über 1860 München gestaltet der 1. FC Kaiserslautern auch seine General­probe erfolgreich - und hat nun alle acht Vorbereitungs­spiele gewonnen. Dennoch bleibt die Erkenntnis: Aller Anfang ist schwer.

Wenn bei einer Generalprobe die Startelf 70 Minuten lang auf dem Platz steht, ehe der erste Wechsel erfolgt, müsste doch davon ausgegangen werden können: Das ist auch die Besetzung, die fürs erste Pflichtspiel vorgesehen ist. Erfahrene Fußball-Berichterstatter wissen aber: Der zuständige Cheftrainer wird das so niemals bestätigen.

So war es auch nach dem Saisoneröffnungsspiel des 1. FC Kaiserslautern gegen den TSV 1860 München. Welche Qualitäten welcher Spieler er am kommenden Sonntag bei Aufsteiger SSV Ulm nutzen werde, sei längst noch nicht entschieden, erklärte Markus Anfang nach dem 2:0-Sieg über die Löwen. Dies ergebe sich erst aus der noch anstehenden Analyse: Wie spielt der Gegner? Mit Vierer- oder Dreierkette? Mit Doppelspitze oder drei Angreifern? Und dann gelte es natürlich, noch eine Woche Trainingseindrücke zu sammeln.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt: Viel geändert worden ist zwischen Generalprobe und Premiere noch nie. Drum gehen wir mal davon aus, dass die elf Spieler, die zum Anpfiff gegen die Sechzger auf dem Platz standen, nach nunmehr fünf Wochen Vorbereitung die Nase vor ihren Mitbewerbern haben. Und da haben sich einige Überraschungen ergeben.

Sieh an: Ronstadt statt Zimmer, Wekesser statt Kleinhansl

Auf der rechten Abwehrseite etwa begann Frank Ronstadt. Der 27-Jährige, bereits vergangenen Winter aus Darmstadt geholt, wird im Umfeld meist kritisch gesehen. Die Trainer aber schätzen womöglich seine Passsicherheit, die ihn gegenüber Konkurrent Jean Zimmer auszeichnet. Allerdings sitzt ihm bereits der nächste Kandidat für diese Position im Nacken: Der am Freitag verpflichtete Jan Gyamerah habe bereits am ersten Tag voll mit der Mannschaft trainiert. Er müsse zwar noch ein wenig aufgebaut werden, grundsätzlich aber sei er fit, urteilte Markus Anfang über den 29-Jährigen, der bei seinem Ex-Klub Nürnberg wegen Rückenproblemen keine volle Vorbereitung bestreiten konnte.

Als Linksverteidiger hat Erik Wekesser den Vorzug vor Florian Kleinshansl bekommen. Sieht man mal von der Verletzungspause ab, die Wekesser im vergangenen Jahr zurückwarf, sind beide gestandene Zweitligaspieler. Bei Lichte besehen stand das Rennen zwischen beiden während der gesamten Testspielphase Fifty-Fifty. Insofern keine wirklich große Überraschung, ebenso wenig wie die Besetzung der Innenverteidigung mit Jan Elvedi und Neuzugang Jannis Heuer. Almamy Touré wird aufgrund einer Rot-Sperre die ersten drei Saisonspielen fehlen, Boris Tomiak auf der Sechser-Position benötigt, wenn keiner Neuer mehr kommt. Dass Julian Krahl weiter im Tor steht, war ebenfalls klar.

Kaloc als zweiter Achter, Opoku kommt von der Bank

Im Kampf um die beiden Plätze auf den Achter-Positionen, die Anfangs 4-1-2-3-Formation vorsieht, hat sich der Trainer mit Filip Kaloc für die physisch stärkste Lösung entschieden - statt für die spiel- (Philipp Klement) oder laufstärkste (Tobias Raschl). Dass der zweite Achter-Platz an den neuen Kapitän Marlon Ritter vergeben ist, bedarf keiner weiteren Erklärung.

Als Flügelstürmer starteten gegen Sechzig Richmond Tachie und Kenny Redondo. Obwohl Aaron Opoku nach seiner Einwechslung in Minute 70 erneut ein paar ganz starke Szenen hatte - wie schon vor Wochenfrist beim Blitzturnier in Offenbach. Da ist dem Coach die Wahl bestimmt schwergefallen. Im Sturmzentrum begann Daniel Hanslik, der mit einer klugen Aktion Ritters 1:0 vorbereitete. Für ihn kam später Jannik Mause, der auf Ritter-Vorlage das 2:0 erzielte. Auf Ragnar Ache, die mutmaßliche Nummer Eins im Zentrum, muss weiter gewartet werden - er macht Fortschritte und steigt langsam wieder ins Mannschaftstraining ein, wird für den ersten Spieltag aber noch nicht fit sein.

Wir behaupten mal: Auf mehr als maximal zwei Positionen wird sich zum Saisonauftakt an der Besetzung aus dem 1860-Spiel nichts mehr ändern. Damit stünden mit Heuer und Wekesser gerade mal zwei Neuzugänge in der Startelf. Die Wintertransfers mitgerechnet, bei denen ja teilweise schon auf den Sommer vorgegriffen wurde, wären inklusive Kaloc und Ronstadt maximal vier Neue zu erwarten. Wurde in den vergangenen Monaten nicht endlos über einen "Umbruch" schwadroniert, der beim FCK ins Haus stehe?

Der "Umbruch" ist sichtbar - in der Spielanlage

Nun, der hat sich durchaus vollzogen, beziehungsweise: Ist sich noch am Vollziehen. Betrifft aber - bislang - weniger das Personal, sondern die Spielanlage, die der neue Trainer mit diesem Team anstrebt.

Die deutet sich bereits an, kurz bevor Krahl einen Ball vom Tor abschlägt. Nicht nur Vierer-Abwehrreihe und das Sturmtrio ziehen sich so breit wie möglich auseinander, auch die beiden Achter positionieren sich an den Seitenlinien. Um weite Zwischenräume entstehen zu lassen, in denen man sich anschließend für flache Zuspiele anbieten kann. Lange Bälle aus der Abwehr sollen auf ein Minimum zurückgefahren, selbst enge Situationen bei gegnerischem Angriffspressing spielerisch gelöst werden.

Das stellt einen riesigen Anspruch ans spielerische Leistungsvermögen dar. Und bedeutet eine abrupte Abkehr von dem, was Anfangs Vorgänger am Betzenberg spielen ließen. Jedoch, Achtung, Wortspiel: Aller Anfang ist schwer.

Der kontrollierte Spielaufbau läuft noch nicht rund

Denn auch wenn alle acht Testspiele gewonnen worden sind: Es klappt noch lange nicht mit dem jederzeit kontrollierten Spielaufbau. Auf durchaus gelungene Aktionen folgen immer noch haarsträubende Aussetzer. Gegen die Sechzger leistete sich Tomiak bereits nach fünf Minuten einen Ballverlust am eigenen Strafraum, als ein Krahl-Zuspiel missglückte.

Ebenso ist der Defensivverband in den Testspielen noch keiner wirklich harten Belastungsprobe ausgesetzt worden. Wie harmonieren Außenverteidiger und Flügelstürmer in der Rückwärtsbewegung? Entstehen zwischen Abwehr- und Mittelfeldlinie nicht zu große Lücken, in die der Gegner hineinstoßen kann?

Gegen die Löwen, aber auch schon im Turnierkick gegen Offenbach vor acht Tagen deutete sich mehrmals an, dass da noch einiges an Verbesserungsbedarf besteht.. Vor allem in der zweiten Hälfte des Saisoneröffnungsspiels hatte Krahl zeitweise alle Hände voll zu tun.

Auch der Trainer warnt - und Tachies Spezialaufgabe

Dem Trainer sind die Schwächen nicht verborgen geblieben. "Du kannst nicht sagen, wir haben alle Vorbereitungsspiele gewonnen, es ist alles gut gelaufen. Wir müssen auch inhaltlich gucken, was können wir besser machen. In den ersten 15 Minuten waren wir heute zu zögerlich im Spielaufbau, nach hinten raus wurde es besser." Im letzten Drittel müsse seine Mannschaft "noch mehr Effektivität an den Tag legen." Hinzu komme, "dass wir in der Restverteidigung die ein oder andere Konteraktion noch besser verteidigen können."

Im großen DBB-Interview kürzlich hatte Anfang erklärt, dass man im Spiel gegen den Ball "auch mal was an unserer Positionierung ändern" müsse, "damit das Zahlenverhältnis stimmig bleibt." Das war im Testkick gegen die Löwen ebenfalls zu sehen: Bei Münchner Ballbesitz mutierte Rechtaußen Tachie gegen den im 4-4-2 auftretenden Gegner zum vierten Mittelfeldspieler seines Teams, heftete sich zunächst an Sechser Tim Kloss, später an Thore Jacobsen.

Heuer war nicht teuer, kann aber wertvoll werden

Schön anzusehen war auch der Auftritt des linken Innenverteidigers Jannis Heuer: Gutes Stellungsspiel, saubere Technik, Umsicht, gewillt, zu dirigieren: Wenn die kolportierte Ablöse von 200.000 Euro für den 24-Jährigen korrekt wiedergegeben ist, hat Paderborn diesen potenziellen Abwehrchef weit unter Wert verscherbelt.

Und dann sind da natürlich die beiden Treffer, die die Vorfreude der 16.139 zahlenden Betzenberg-Besucher auf die anstehende Saison gewaltig schürten: Der Pass, mit dem Wekesser von der linke Seite Redondo im Zehnerraum sucht und findet, ist nicht nur nach den Maßstäben des Datenanbieters Wyscout "smart". Ebenso die Aktion, mit der Redondo den halblinks einlaufenden Hanslik einsetzt, worauf dieser seinen Gegenspieler ins Leere laufen lässt, überlegt auf Ritter zurücklegt, der nicht hart, aber präzise vollstreckt. Ebenso sehenswert steckt Opoku vor dem 2:0 auf Ritter, der auf Mause querlegt, so dass sie seinen Einstandstreffer in seiner neuen Heimat markieren darf.

Drum darf trotz aller noch bestehenden Fragezeichen konstatiert werden: Die neue Saison kann kommen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- 2:0 gegen 1860: Ritter und Mause treffen bei Generalprobe (Der Betze brennt)

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