Der FCK siegt im Mini-Turnier am Bieberer Berg. Das ist kein Grund, für die anstehende Saison Gipfelstürme zu prophezeien. Aber so ein paar interessante Fingerzeige hielt der zweistündige Kadercheck schon bereit.
Warum eigentlich werden in der Vorbereitungszeit nicht mehr "Blitzturniere" dieser Art ausgetragen? Hintereinander gegen zwei Teams über jeweils zwei mal 30 Minuten anzutreten, bietet eine ideale Möglichkeit, fast alle Kaderspieler mal über eine Stunde Spielzeit zu testen. Und wenn ein Team wie das des 1. FC Kaiserslautern gerade nach einem fußballerischen Neuanfang strebt, lohnt es sich erst recht, da mal genauer hinzuschauen. Auch wenn so ein Turniersieg in der Vorbereitung, herausgespielt gegen den gerade auf der Trainingslager-Rückreise befindlichen Zweitliga-Konkurrenten Fortuna Düsseldorf (1:0) sowie gegen den in der Regionalliga aktiven Gastgeber Kickers Offenbach (3:1), natürlich nicht überbewertet werden darf. Wir fassen mal zusammen, was uns aufgefallen ist.
1. Grundordnung:
In beiden Partien agierte der FCK in einem 4-1-2-3. Das entspricht dem, was der neue Trainer Markus Anfang auch auf seinen früheren Stationen bereits bevorzugt hat. Offenbar aber soll sich sein Team situativ auch mal umordnen können. Zu Beginn der zweiten 30 Minuten gegen Düsseldorf probierten es die Betze-Buben mal in einem 3-4-3, und das, ohne personell zu wechseln. Boris Tomiak schob sich auf die linke Innenverteidiger-Position neben Almamy Touré und Jannis Heuer. Der Versuch wurde aber schnell wieder aufgegeben - womöglich, weil Düsseldorf just in dieser Phase stärker aufkam.
2. Spielanlage:
Auch das war bei Anfang zu erwarten: Der lange Ball ist out, der FCK versucht jetzt, enge Situationen spielerisch zu lösen - selbst, wenn der Gegner aggressives Angriffspressing praktiziert. Verzichtet sogar weitgehend auf weite Abschläge vom Tor. Ein ehrgeiziger Anspruch, ohne Frage, aber: Das sah noch keinesfalls durchweg gut aus. Was zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung kein Ärgernis sein muss. Jedoch: Die blödesten Patzer passierten, als der Gegnerdruck gar nicht mal so hoch war. Beim 3:1 gegen Kickers Offenbach leitete Avdo Spahic mit einem haarsträubenden Flachpass vor den eigenen Strafraum die 1:0-Führung der Gastgeber ein. In der zweiten Hälfte erlaubte sich Afeez Aremu einen Ballverlust an der Mittellinie, nach dem es Torschütze Dimitrij Nazarov ums Haar geglückt wäre, Spahic zu überloppen. Und beim 1:0 gegen Fortuna Düsseldorf leistete sich ausgerechnet Touré, der als passsicherster Lautrer Abwehrspieler gilt, einen Fehlpass am Sechzehner.
3. Außenverteidiger:
Gegen Düsseldorf begannen Frank Ronstadt rechts und Erik Wekesser links, gegen Offenbach verteidigten Jean Zimmer rechts und Florian Kleinhansl links. Zum Ende der ersten Halbzeit hin tauschten Zimmer und Kleinhansl sogar mal für kurze Zeit die Seiten. Ob auch dieser Move künftig zum Repertoire gehören soll - Außenverteidiger mit dem starken Fuß innen? Macht gegebenenfalls Sinn, wenn Flankenwechsel oder Aufbauspiel durch die Mitte forciert werden sollen. Und Anfang setzte auch auf seinen früheren Stationen bereits auf Außenverteidiger, die nicht nur die Seitenlinie rauf und runter fegen, sondern sich beim Aufbauspiel aus der Abwehr als zusätzliche kurze Anspielstation neben dem Sechser anbieten. Das war auch am Bieberer Berg zu erkennen. Kleinhansl hat es nach unserem Eindruck am besten gemacht.
4. Innenverteidiger:
Gegen Düsseldorf liefen Touré und Heuer auf, gegen Offenbach durften Jan Elvedi und Luca Sirch ran. Der in den ersten drei Ligaspielen ohnehin gesperrte Touré machte mit seinem Patzer nicht gerade Reklame für sich. Heuer scheint, obwohl Rechtsfuß, auch mit der linken Innenverteidiger-Position ganz gut zurechtzukommen. Ist somit vielleicht nicht die erhoffte ideale Lösung für die seit Ewigkeiten bestehende Schwachstelle, aber eine durchaus passable, solange auf dem Transfermarkt kein größeres Kaliber erschwinglich ist.
5. Der Sechser:
Boris Tomiak gegen Düsseldorf, Afeez Aremu gegen Offenbach. Wir lehnen uns mal aus dem Fenster und prophezeien: Das wird auch Tomiaks Position zum Saisonstart sein. Sofern kein Neuer mehr kommt, der eine Ad hoc-Verstärkung darstellt - der derzeit gehandelte Andrian Kraev dürfte das kaum sein, so er denn kommt, da ihm über ein halbes Jahr Wettkampfpraxis fehlt. Aremu erledigte seinen Sechser-Job eher unauffällig. Was Ausstrahlung, Präsenz, Zweikampfführung und Zentralität angeht, bringt Tomiak von allen denkbaren Optionen im aktuellen Kader die besten Voraussetzungen für die wichtigste Position im modernen Fußball mit. Aber er fehlt dann halt in der Innenverteidigung.
6. Die Achter:
Gegen Düsseldorf durften sich Philipp Klement und Filip Kaloc zeigen, gegen Offenbach Marlon Ritter und Tobias Raschl. Klement demonstrierte eindrucksvoll, dass er sich auch weiterhin nicht abschreiben lassen will. Erzielte gegen die Fortuna den Siegtreffer, hätte ums Haar ein zweites Mal zugeschlagen, half stets mit, spielerische Lösungen zu suchen und agierte auch insgesamt längst nicht so pomadig, wie seine notorischen Kritiker ihm gerne vorwerfen, dass er's täte. Ebenso bot Kaloc eine gewohnt solide Vorstellung, brachte sich in der zweiten Halbzeit um eine gute Einschussposition an der 16-Meter-Linie, als er ein Zuspiel von links überhastet abschloss, statt den Ball anzunehmen. Aber: Ritter und Raschl waren im zweiten Spiel nochmal einen Tick stärker. Ritter glänzte als zweifacher Torvorbereiter und Hinterhaltsschütze mit perfekter Schusstechnik, Raschl war überall auf den Platz zu finden, auch auf den Seiten, auch in der Spitze. An den beiden vorbeizukommen, wird schwer.
7. Die Flügelspieler:
Gegen Düsseldorf wirbelten Richmond Tachie rechts und Kenny Redondo links, gegen Offenbach Aaron Opoku links und Dickson Abiama rechts. Tachie war gegen Fortuna der größte Unruheherd im FCK-Spiel, bereitete auch Klements 1:0 vor, nahezu alle Angriffe liefen über ihn. Gegen Offenbach brillierte Opoku mit zwei Treffern, viel Tempo und geschmeidigen Dribblings. Redondo wiederum wieder einmal Lauterns aggressivster Pressingspieler, bereitete gegen Düsseldorf mit einer starken Umschaltaktion eine Einschusschance für Mittelstürmer Jannik Mause vor. Wer von diesen dreien zum Saisonstart auf der Bank Platz nehmen sollte? Wir würden es nach diesem Turnier nicht entscheiden wollen. Aber es stehen ja auch noch zwei Trainingswochen inklusive der Generalprobe gegen 1860 München (27. Juli, Fritz-Walter-Stadion) an.
8. Mittelstürmer:
Gegen Düsseldorf mühte sich Drittliga-Torschützenkönig Mause, ohne große Wirkung zu erzielen. Gegen Offenbach war Daniel Hanslik zum 2:1 erfolgreich, per Kopf nach Ritter-Flanke. Nicht nur wegen dieses Treffers dürfte Hanslik Stand jetzt die Nase knapp vorne haben, wenn es gilt, auch zum Saisonstart den schmerzlich vermissten Ragnar Ache zu ersetzen. Und danach sieht es zurzeit aus. Ache ist nach wie vor noch nicht ins Mannschaftstraining zurückgekehrt, soll seine Entzündung an der Achillessehne vollständig auskurieren, um dann hundertprozentig fit wieder anzugreifen.
9. Leon Robinson:
Die Überraschung des Tages. In der Schlussviertelstunde gegen Düsseldorf durfte der Youngster, eigentlich gelernte Defensivkraft, als Mittelstürmer für Mause ran. Und hatte eine starke Szene nach der anderen, setzte unter anderem Rechtsaußen Tachie ein, dessen Schuss aus spitzem Winkel nur haarscharf am langen Eck vorbeistrich. Gegen Offenbach kam Robinson gegen Ende für Innenverteidiger Sirch - und fiel mit mindestens einer energischen Balleroberung auf. Hoffentlich gibt Anfang dem Jungen auch im Wettkampfalltag immer mal Gelegenheit zu solchen Auftritten. Wäre doch schön, wenn sich wieder mal ein Talent aus dem NLZ ans Profi-Team rantastet.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer