Der 1. FC Kaiserslautern hat einige für einen Aufsteiger bemerkenswerte Transfers zustande gebracht. Die eine oder andere Kader-Baustelle besteht nach dem "Deadline Day" aber noch, findet DBB-Autor Gerrit.
Rien ne va plus. Nichts geht mehr auf dem Transfermarkt. Zumindest nichts, was derzeit fest unter Vertrag steht. Neun externe Neuzugänge stehen beim FCK zu Buche, allein drei davon innerhalb der letzten neun Tage. Mit Dirk Schusters "Boeing 747"-Ankündigung waren hohe Erwartungen geweckt worden, weitere namhafte Kaliber in die Pfalz zu locken. Mit Innenverteidiger Robin Bormuth, aber vor allem den Offensivkräften Philipp Klement und Aaron Opoku dürften diese erfüllt worden sein. Namen wie der von Ex-FCK-Stürmer Sebastian Andersson, der beim 1. FC Köln rund zwei Millionen Euro im Jahr verdient, waren für die Roten Teufel niemals realistisch. Stattdessen sollte Sturm-Neuzugang Tyger Lobinger nicht schon wieder zum Teufel gejagt werden. Fünf Kurzeinsätze über gerade einmal 64 Spielminuten können niemals ausreichen, um Qualitäten oder Liga-Tauglichkeit abschließend zu bewerten. Gebt dem Jungen eine Chance!
Erfahrung, Robustheit, Schnelligkeit: Gesucht und teilweise gefunden
Sportchef Thomas Hengen hatte nach der erfolgreichen Relegation vor allem zwei Dinge ausgemacht, die dem Kader fehlten: Erfahrung in höheren Ligen und Schnelligkeit im Offensivspiel. Mit Andreas Luthe hat man Bundesliga-, gar Europacup-Erfahrung auf den Betzenberg gelotst. Ebenso durch Erik Durm, der sich nicht weniger als "Fußball-Weltmeister 2014" nennen darf. Vor allem Torwart Luthe gab der Zweitliga-unerfahrenen Defensive direkt Halt und Stabilität, sodass der Abgang von Aufstiegsheld Matheo Raab schnell kein Thema mehr zu sein schien. Auch Klement und Mittelfeld-Allrounder Ben Zolinski heben mit ihren 30 und 29 Jahren nicht nur den Altersschnitt, sondern bringen zugleich jede Menge Zweitliga-Erfahrung, aber auch spielerische Qualität in den Kader der Roten Teufel. Und auch in puncto Schnelligkeit hat der FCK noch nachgelegt: Mit Aaron Opoku kommt nach mehrwöchigen Verhandlungen ein quirliger und technisch beschlagener Außenspieler an den Betze, der das Offensivspiel unberechenbarer und gefährlicher machen dürfte.
Nur teilweise erfüllt wurde dagegen der Wunsch nach "einem robusten Spieler für die Defensivzentrale, der auf der "Sechs" und bei Bedarf auch in der Innenverteidigung eingesetzt werden kann". Die verpflichteten Spieler sind entweder offensiver orientiert (Klement) oder nur in der (Innen-)Verteidigung beheimatet (Bormuth). Hier könnte es über die Saison Probleme geben. Fällt Stürmer Terrence Boyd aus, wird es zudem schwer, das Lautrer Spielsystem eins zu eins so aufrecht zu erhalten. Allerdings bestehen mit Hanslik, Lobinger, Hercher oder auch Zolinski nominell genügend Alternativen. Und: In der Hinrunde sind sechs Spieltage schon vorbei, das heißt, es sind "nur" noch elf zu absolvieren, und dann beginnt - für den Fall der Fälle - schon wieder die Winter-Transferperiode.
Faktor Fans: Der FCK begeistert wieder - auch die Neuzugänge
Auffällig ist: Der Faktor FCK-Fans hat offensichtlich bei vielen Verpflichtungen eine entscheidende Rolle gespielt. Das wird freilich jedes Jahr und bei fast jedem Neuzugang behauptet, aber dieses Jahr scheint es irgendwie ehrlicher als sonst, wie auch Trainer Schuster im DBB-Interview bestätigte. Ben Zolinski beispielsweise war ob der Atmosphäre der FCK-Fans in der Relegation "sprachlos". Sie habe ihm "Bock gemacht", nach Lautern zu wechseln. Oder Andreas Luthe, der mit Freunden aus der Vorderpfalz die Spiele verfolgte und komplett begeistert war. Hinzu kommen mit Klement ("Als ich beim Relegationsspiel gegen Dynamo Dresden als Zuschauer auf dem Betze war, kam bei mir der Gedanke auf, wieder das FCK-Trikot anzuziehen") und Durm Spieler, die einen Bezug zur Region haben. Selbst Bormuth erzählt im DBB-Gespräch von seinem FCK-verrückten Onkel, durch den das Betze-Virus ihm schon früh nicht fremd gewesen sei.
Das alles dürfte auch ein Stück Antwort darauf sein, wie sich der FCK solche Transfers wieder leisten kann: Die Marke FCK zieht einfach wieder. Läuft man durch die Stadt, sieht man so viele Kinder in roten Trikots wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine wahre "FCK-Mania" ist zu spüren, die sich auch Woche für Woche auf den Stadion-Tribünen widerspiegelt. Abgesehen davon, dass durch die deutlich höheren Einnahmen in der 2. Bundesliga und die Zahlungen der Investoren aus dem Frühjahr die wirtschaftliche Basis wieder eine ganz andere ist als in der 3. Liga.
Relativ wenige Abgänge: Der Kader ist breit, nicht aber die Qualität
Alles paletti also? Nicht ganz. Der FCK hat seine Mannschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten sehr gut verstärkt. Allerdings hat er aktuell 31 Spieler im Profikader. Das sind eigentlich zu viele für die 2. Bundesliga, wo deutlich weniger Spiele zu absolvieren sind als eine Klasse tiefer. Zumal Akteure wie Max Hippe, Anas Bakhat, René Klingenburg oder Muhammed Kiprit schon in der 3. Liga kaum oder wenig zum Einsatz kamen. Ihre Chancen, der Mannschaft zu helfen, dürften eine Liga höher nicht gerade gestiegen sein. Damit wird nicht nur Budget beansprucht, das für "Qualitätsspieler", wie Schuster sie nennt, fehlt, es birgt auch über den Zeitraum einer langen Saison Gefahren: Wenn beispielsweise jede Woche mehr als zehn Spieler nicht einmal den Sprung in den Spieltagskader schaffen, dann wird das sicherlich nicht jeden zufriedenstellen.
Keine Frage: Ein breiter Kader ist gerade im Hinblick auf Verletzungen oder Sperren wichtig. Aber die genannten Streichkandidaten können qualitativ mit ihren Mannschaftskollegen nicht mithalten. Hier wird Dirk Schuster also auch als Moderator gefordert sein, damit der viel gelobte Teamgeist keine Risse bekommt. Die Voraussetzungen für den Klassenerhalt wurden gelegt und es sieht nach den ersten sechs Spieltagen sowie dem Abschluss der Transferperiode erstmal sehr gut aus. Das Saisonziel bleibt, schnellstmöglich die 40 Punkte zu erreichen.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel
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