Interview des Monats: FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen, Teil 1/2

"Abwartender Fußball passt nicht zu uns"

"Abwartender Fußball passt nicht zu uns"


Thomas Hengen ist seit dem 01. März zurück beim 1. FC Kaiserslautern. Wir haben den neuen Geschäftsführer nach dem gerade so geschafften Klassenerhalt gefragt, wie er den Roten Teufeln den Weg in eine bessere Zukunft ebnen will.

Der Betze brennt: Thomas Hengen, es ist uns bewusst, die Saison ist gerade erst zu Ende gegangen, die heiße Phase der Transferperiode erst angelaufen - da ist klar, dass Sie sich konkret zu Personalfragen noch bedeckt halten möchten. Aber können Sie schon ein paar Eckdaten nennen, etwa zum Lizenzspieler-Etat, der Ihnen für die kommenden Spielzeit zur Verfügung steht?

Thomas Hengen (46): Dazu stehen in diesen Tage noch Gespräche innerhalb der Geschäftsführung an. Aber es dürfte darauf hinauslaufen, dass wir gegenüber der Vorsaison mit einem etwas geringeren Etat arbeiten müssen. Das ist bei anderen Klubs mit Blick auf die finanziellen Folgen der Pandemie aber auch nicht anders.

"Unser Etat wird geringer, aber das geht anderen Klubs auch so"

Der Betze brennt: Was die Profis mit auslaufenden Verträgen angeht, sind ja schon erste Entscheidungen gefallen. Simon Skarlatidis, Lukas Gottwalt und wohl auch Carlo Sickinger werden den Verein verlassen, im Falle von Hendrick Zuck haben beide Seite bereits verlauten lassen, dass eine Verlängerung gewünscht ist. Es gibt aber auch Spieler, die haben noch Vertrag, nehmen aber unter dem aktuellen Trainer offenbar nicht mehr Platz den Kaderhierarchie ein, den ihnen dessen Vorgänger zudachten, Marlon Ritter oder Alex Winkler beispielsweise. Wie sind da die weiteren Überlegungen?

Hengen: Grundsätzlich gilt, Vertrag ist Vertrag. Aber in dem einen oder anderen Fall wird es auch da noch Gespräche geben. Zunächst wird der Trainer mit den Spielern darüber reden, wie ihre Zukunftsaussichten bei uns sind. Dann wird man schauen, was für beide Seiten sinnvoll ist.

Der Betze brennt: Was ist mit den Spielern, die verliehen sind und nun zurückkommen, also Lucas Röser und Mohamed Morabet?

Hengen: Für sie gilt das gleiche. Da stehe ich mit den Beratern bereits in Kontakt.

Der Betze brennt: Kommen wir zu unseren Leihspielern. Nahezu alle haben bereits erklärt, dass sie gerne am Betzenberg bleiben würden. Aber ist das überhaupt realistisch?

Hengen: Sie werden jetzt alle erst einmal zu ihren Vereinen zurückkehren und mit den Verantwortlichen klären, ob und wie weiter mit ihnen geplant wird. Da wird man abwarten müssen. Bei Holstein Kiel ist ja etwa noch gar nicht geklärt, in welcher Liga sie künftig spielen.

"Einige Fristen für die Kaufoptionen laufen jetzt im Juni ab"

Der Betze brennt: Laut den offiziellen Pressemitteilungen des Vereins ist in den Verträgen von Adam Hlousek, Marvin Pourié, Anas Ouahim und Jean Zimmer eine Kaufoption vorgesehen. Diese sind ja in der Regel mit einer Frist versehen, in der sie gezogen werden müssen. Ist diese in dem einem oder anderen Fall bereits abgelaufen - oder steht kurz davor abzulaufen?

Hengen: Einige Fristen laufen jetzt im Juni ab. Ob wir diese ziehen oder verstreichen lassen - und gegebenenfalls neu verhandeln - muss man sehen.

Der Betze brennt: Einen Leihspieler weiter zu verpflichten, bedeutet, dass Ablöse fließen muss ...

Hengen: Nicht unbedingt. Wenn der Verein einen Spieler von der Gehaltsliste haben möchte, sich aber kein Abnehmer findet, kann er auch über eine Vertragsauflösung nachdenken. Dann wäre der Spieler ablösefrei.

Der Betze brennt: Wenn, wird so etwas meist kurz vor Schließung des Transferfensters am 31. August gemacht. Das würde also noch eine Weile dauern. Naheliegender ist doch die Frage: Könnte der FCK denn überhaupt Ablösen zahlen?

Hengen: Angesichts der Tatsache, dass wir wahrscheinlich mit einem reduzierten Etat arbeiten müssen und auch noch andere Personalfragen zu klären haben: eher nicht. Was aber nicht heißt, dass wir in dem einen oder anderen Fall nicht vielleicht doch in den sauren Apfel beißen. Das ist immer eine Frage des Gesamtpakets.

"Leihspieler sind Fluch und Segen zugleich"

Der Betze brennt: Anders sähe es aus, wenn der FCK selbst Einnahmen auf dem Transfermarkt erzielen könnte. Spieler wie zuletzt Lennart Grill, Florian Pick und Christian Kühlwetter, die sich dieses Jahr gut entwickelt haben und in einem Alter sind, dass sie einem Käufer weitere Marktwertsteigerungen versprechen, hat der FCK dieses Jahr jedoch nicht im Angebot, außer Philipp Hercher vielleicht. Was wiederum auch an den vielen Leihspielern liegt, die die Stammplätze besetzten.

Hengen: Leihspieler sind nun einmal Fluch und Segen zugleich. Natürlich sind uns eigene Spieler, die bei uns ihre Marktwerte steigern, lieber. Aber zuallererst musst du schauen, dass du Struktur in deine Mannschaft bekommst. Diese Saison hätten wir das ohne unsere Leihspieler nicht geschafft, da müssen wir ehrlich sein. Und anders wären die für uns nicht zu bezahlen gewesen.

Der Betze brennt: Das heißt, auch der Sport-Geschäftsführer Hengen wird künftig auf Leihspieler setzen?

Hengen: Wenn die Qualität so hoch ist, dass sie für uns in einer anderen Konstellation nicht zu haben ist, na klar.

Der Betze brennt: Bei einem Felix Götze etwa dürfte wohl auch gar nichts anderes denkbar sein.

Hengen: Das glaube ich auch. Bevor wir keine andere Chance mehr haben, ihn länger am Betzenberg zu halten, leihen wir ihnen gerne nochmal.

Der Betze brennt: Angesichts der vielen Personalfragen, die noch ungeklärt sind, sind gegenwärtig also noch rund zwölf Kaderplätze offen. Andererseits stehen auch noch einige unter Vertrag, der FCK hat in der abgelaufenen Saison immerhin 32 Spieler eingesetzt, so viele wie kein anderer Drittligist. Was wäre denn für Sie die ideale Kadergröße?

Hengen: Ich lass mich da ungern auf eine Zahl festnageln. Aber 26 bis 28 Spieler sollten es schon sein. In der 3. Liga mit ihren 20 Vereinen ist die Saison sehr lang, allerdings soll der Profi-Kader auch nicht so groß sein, damit Spieler aus unserem U21-Team die Perspektive sehen, unter Umständen sehr kurzfristig aufrücken zu können. So, wie es in der Schlussphase der Saison Luca Jensen gelungen ist.

"Der Trainer ist direkt und impulsiv, ich bin eher der ruhige, regulative Typ"

Der Betze brennt: Felix Götze, aber auch Marvin Senger dürfen als die ersten Verpflichtungen der Ära Hengen/Antwerpen gelten ...

Hengen: Die beiden wurden nach einer Kaderanalyse verpflichtet, die Marco Antwerpen in diesem Winter vorgenommen hat. Ich war damals noch Angestellter von Alemannia Aachen.

Der Betze brennt: Wie gut kannten Sie Marco Antwerpen denn, bevor es zu der Zusammenarbeit in Kaiserslautern gekommen ist. Sie waren ja auch vor ihrer Zeit als Sportdirektor in Aachen auch schon als Scout viel in der Regionalliga West unterwegs gewesen, wo sich auch Antwerpen seine ersten Lorbeeren verdiente.

Hengen: Man hat sich immer mal wieder im Stadion gesehen. Natürlich habe ich mir auch Meinungen von anderen angehört, mir aber auch einen eigenen Eindruck verschafft. Aber es ist etwas anderes, ob du täglich mit jemandem arbeitest oder nur mal einen Kaffee mit ihm trinken gehst.

Der Betze brennt: Und welchen Eindruck haben Sie mittlerweile von ihm?

Hengen: Er ist sehr offen, sehr direkt und sehr impulsiv, was der Mannschaft guttut. Ich bin eher der ruhige, der regulative Typ, von daher passt die Kombination ganz gut. Wir sind durchaus nicht immer einer Meinung, bewerten Spieler auch mal unterschiedlich. Da wird dann heiß diskutiert, aber anschließend ist wieder alles in Ordnung. So muss das sein.

"Die Philosophie am Betze heißt: aktiv, körperlich, laufintensiv, aggressiv"

Der Betze brennt: Sie haben ja auch selbst eine Fußballlehrer-Lizenz. Besteht da nicht die Gefahr, dass man da auch mal in den Verantwortungsbereich des Trainers eingreift - erst recht, wenn man sich auch noch zu ihm Bank setzt?

Hengen: Ich hab nicht nur die Lizenz, ich war auch selbst mal ein Jahr Trainer. Und ich hab auch ein paar Jährchen selber gekickt. Von daher darf ich mir schon eine eigene Meinung zu den Dingen erlauben, und der Trainer legt ja auch Wert darauf, dass ich diese offen ausspreche. Aber was Aufstellung und den Spieltagskader angeht, das ist allein seine Entscheidung, da gibt es gar keinen Zweifel. Der Trainer ist der Chef auf dem Platz.

Der Betze brennt: Sie haben sicher unser Interview mit Kalli Feldkamp gelesen, wurden von einigen ja auch direkt darauf angesprochen. Der hält gar nichts von Managern, die sich mit auf die Trainerbank setzen …

Hengen: Ich hätte auch kein Problem damit, auf der Tribüne zu sitzen. Aber wenn der Cheftrainer möchte, dass ich ihn auch auf der Bank unterstütze, dann mache ich das natürlich. Ansonsten gebe ich Kalli ja vollkommen recht: Auf der Bank ist der Trainer der Chef. Aber es hat sich auch einiges geändert, seit er Trainer war. Es gibt mittlerweile Vereine, da sitzen Sport-Vorstand und Sportdirektor beim Trainer mit auf der Bank.

Der Betze brennt: Ein Geschäftsführer Sport arbeitet im Normalfall immer länger im Verein als der Trainer. Der ehemalige Sportdirektor Boris Notzon hat beklagt, dass mit den Trainerwechseln in den vergangenen Jahren immer auch Brüche einhergingen, was die Art des Fußballs angeht, die auf dem Betzenberg gespielt werden soll. So sei auch auf dieser Ebene keine Weiterentwicklung möglich. Denken Sie, Sie bekommen das bei Trainerwechseln künftig besser hin?

Hengen: Zunächst mal hoffe ich, dass Marco Antwerpen hier noch lange Trainer bleibt. Der Trainer sollte immer zum Verein passen und nicht umgekehrt. Insofern ist Marco 100 Prozent FCK. Er ist emotional, er lebt den Verein. Kaderplanung sollte natürlich nicht unabhängig vom Trainer stattfinden, aber sie muss von der Philosophie des Vereins geprägt sein, davon, wie er Fußball spielen will. Und das heißt am Betzenberg: aktiv, körperlich, laufintensiv, aggressiv. Abwartender Fußball passt nicht zu uns, das muss ein Trainer verinnerlichen.

"Marco Antwerpen lebt den FCK zu 100 Prozent"

Der Betze brennt: Sie haben in diesem Zusammenhang zuletzt vom "Betze-Gen" gesprochen. Was ist das für Sie?

Hengen: Wenn Sie unseren letzten Spiele verfolgt haben, müsste es Ihnen eigentlich auch begegnet sein. Das Spiel gegen Halle, aus dem wir mit zehn Mann aus einem 1:1 noch ein 3:1 gemacht haben. Das 3:3 gegen Viktoria Köln, wo wir nach einem 1:3 nochmal zurückgekommen sind und hinten raus noch hätten gewinnen können. Zwei Tore Rückstand, was ist das schon? Mentalität schlägt Talent. So habe ich den Betze als Aktiver kennengelernt.

Der Betze brennt: Wenn Sie schon in Ihren Erinnerungen graben - was ist das verrückteste Spiel, das Sie als Aktiver auf dem Betze erlebt haben?

Hengen: (überlegt) 1994 das 6:3 im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund, wo Olaf Marschall in der Verlängerung das 4:3 erzielte, obwohl er nur noch humpeln konnte, aber nicht mehr ausgewechselt werden durfte. Oder das 4:0 gegen die Bayern ein paar Monate zuvor. Spielerisch unterlegen sein, aber dennoch dominant auftreten, weil man weiß, dass man das ausgleichen kann, mit Laufbereitschaft, mit Intensität, mit dem Publikum. Das man ein gutes Gespür dafür hat, ob einer mit 100 Prozent dabei ist oder nur mit 80. Das ist Betze.

Morgen im zweiten Teil unseres Interviews des Monats: Thomas Hengen über die Zusammenarbeit mit den Investoren, den Optimierungsbedarf im Kader und die Frage nach dem Saisonziel für die kommende Spielzeit.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Gerrit Schnabel, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "Wir wollen den eingeschlagenen Weg weitergehen"

Kommentare 73 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken