Spielbericht: Türkgücü München - 1. FC Kaiserslautern 3:0

20 gute Minuten reichen nicht

20 gute Minuten reichen nicht


Und alljährlich grüßt das Murmeltier: Das erbärmliche 0:3 bei Aufsteiger Türkgücü München dürfte beim 1. FC Kaiserslautern einmal mehr die üblichen "Mechanismen des Geschäfts" auslösen. Eric Scherer war für DBB im Grünwalder Stadion dabei.

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Von Seiten der beim Geisterspiel zugelassenen Medienvertreter gab es nur noch eine Frage an Trainer Boris Schommers in der Pressekonferenz nach dem grausligen Auftritt seiner Mannschaft - ob das neu geformte Team sein "System immer noch nicht verinnerlicht" habe. Und die kam nach dieser Darbietung eher belanglos rüber. Die drängendsten Fragen blieben ungestellt. Die eine möglicher Weise aus Anstand, die andere, weil Schommers sie selbst wohl kaum hätte beantworten können. Oder wollen.

Sie hätten gelautet: "Sind Sie morgen noch Trainer des 1. FC Kaiserslautern?" und "Wie kann es sein, dass eine Mannschaft, deren Trainer unter der Woche derart unverfroren öffentlich angezählt worden ist, sonntags eine solche Leistung abliefert?" Als hätte sie die ebenso naheliegende wie in der Regel unsinnige Zusatzfrage, ob sie gegen den Trainer gespielt habe, geradezu provozieren wollen.

Anstelle von Boris Schommers blieb es später zwar Sportdirektor Boris Notzon vorbehalten, dies zu verneinen - erklären konnte jedoch auch Notzon diesen Auftritt nicht. Den, wohlgemerkt, ein Team bot, das Sportdirektor und Cheftrainer in den vergangenen Wochen in einem so engen Austausch zusammenstellten, wie er beiden in ihrem bisherigen Berufsleben wohl noch nie vergönnt war.

Dieses Spiel ausführlicher zu analysieren, bedeutet eigentlich, den FCK-affinen Leser zu quälen. Die Chronistenpflicht verlangt jedoch wenigstens einen Schnelldurchlauf.

Das 0:1: Fast wie im Pokalspiel

Der FCK kommt vom Anpfiff weg nicht in die Partie und kassiert bereits nach sieben Minuten den ersten Gegentreffer: Die Schommers-Elf verliert den Ball in der Vorwärtsbewegung auf der linken Seite, wenn auch tief in der gegnerischen Hälfte. Das Leder landet bei Benedikt Kirsch, der Sercan Sararer auf die Reise schickt - mit einem Lupfer, dem die sogenannte "Passschärfe" weitgehend abgeht. Sararer erjoggt sich den Ball zwischen den mittrabenden Carlo Sickinger und Kevin Kraus, passt flach in die Mitte, wo Petar Sliskovic unbedrängt einschiebt. Schon im DFB-Poka-Spiel gegen Regensburg ist das 0:1 des Gegners über eine schwach verteidigende linke Seite eingeleitet worden.

Nach etwa 20 Minuten berappelt sich der FCK ein wenig und verzeichnet in den nächsten 20 Minuten immerhin vier Torannäherungen: Marvin Pourié probiert es zwei Mal per Kopf, ein Schussversuch Elias Huths wird im Strafraum geblockt, Tim Rieder schießt aus der Distanz knapp am Gehäuse des kommunikationsfreudigen Türkgücü-Keepers René Vollath vorbei - das alles liest sich freilich prickelnder, als es tatsächlich war.

Das 0:2: Die "Schuldfrage" zu klären, ist müßig

Nach 39 Minuten aber findet Sararer im Zehnerraum einen haarsträubend breiten Passweg zwischen drei Lautrern hindurch auf Sliskovic, der halbrechts an der Strafraumgrenze lauert und die Weichen cool auf eine komfortable 2:0-Halbzeitführung stellt.

Boris Schommers spricht später davon, dass die ersten beiden Gegentreffer gefallen sind, weil die jeweils ballfernen Außenverteidiger nicht rechtzeitig einrückten: "Solche gravierenden Fehler haben wir schon lange nicht mehr gemacht." In der Nachbetrachtung erscheint es allerdings ein wenig ungerecht, die "Schuld" an diesen beiden festzumachen. Denn in der Nähe des Balles befanden sich bei beiden Toraktionen eigentlich genug FCK-Spieler, sie waren nur nicht nah genug, um eingreifen zu können.

Der Elfer zum 0:3: Wer will sich da noch aufregen?

Nach der Pause versucht der FCK zehn Minuten lang, nochmal zu so etwas wie einer Linie zu finden, doch ehe sich Erfolg einstellen kann, pfeift Schiedsrichter Florian Exner Elfmeter. Muss vielleicht nicht sein, denn Kraus ist der Ball aus kurzer Distanz an die Hand geschossen worden, aber ernsthaft aufregen will sich zu diesem Zeitpunkt auch niemand mehr. Tom Boere vollstreckt zum 3:0. Kurz darauf hat Sliskovic sogar das 4:0 auf dem Fuß, als er allein auf Avdo Spahic zuläuft. Der aber klärt gedankenschnell mit dem Fuß.

Anschließend ist nur noch eine Szene bemerkenswert: Pourié holt sich nach einem unbeherrschten Einsatz gegen Vollath die Ampelkarte ab. Somit ist der einzige Stürmer, der die Gastgeber an diesem Sonntag ein wenig ernsthafter beschäftigte, im nächsten Spiel gegen Zweitliga-Absteiger Wehen Wiesbaden gesperrt. Auch das noch.

Vorne flexibel: Sararer bot Ritter Anschauungsunterricht

Und noch kurz zu Aufstellung und Formation: Schommers hatte in seinem variablen 4-3-3 Neuzugang Marlon Ritter mit der anspruchsvollen Rolle des "fallenden" Mittelstürmers betraut. Dass Ritter nicht viel gelang, weil ihm noch die Bindung zu seinen Mitspielern fehlt - ist angesichts der Gesamtdarbietung geschenkt. Immerhin hatte Ritter Gelegenheit, sich beim Gegner zu veranschaulichen, wie sich die Rolle des flexiblen Offensivspielers interpretieren lässt: Sararer war ein ständiger Unruheherd, tauchte immerfort zwischen den Linien, aber auch wechselweise auf beiden Flügeln auf.

Und nun? Sich an den jetzt ins Kraut schießenden Spekulationen zu beteiligen, soll nicht Gegenstand dieses Spielberichts sein. Belassen wir es daher bei einem: Die Dinge werden ihren Lauf nehmen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit den üblichen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Kohlmeyer

Weitere Links zum Thema:

- Stimmen zum Spiel | "Gravierende Fehler": Viel Redebedarf beim FCK (Der Betze brennt)

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