Der FCK und die Nachspielzeit. Die alte Stärke scheint den Roten Teufel abhanden zu kommen. In Jena drehen die Betzebuben erneut eine Partie und gehen am Ende trotzdem wie geschlagen vom Platz.
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Im Gästeblock hört man die sprichwörtliche Stecknadel fallen. Fassungslos versuchen die 1.200 mitgereisten Fans des 1. FC Kaiserslautern das Déjà-vu in der Nachspielzeit einzuordnen: Schon wieder war in der 90 plus x-ten Minute der Sieg aus den Händen gegeben worden, auch bei Carl Zeiss Jena bleibt am Ende nur ein 3:3-Unentschieden. Das Mittel der Wahl ist zunächst Sprachlosigkeit, es folgen ein paar böse und viele aufmunternde Worte. Beinahe geschlossen stehen die Fans zusammen, bis der letzte Lautrer Spieler am Zaun mit den Anhängern abgeklatscht hat, und treten dann zusammen den Heimweg an.
"Ob Hölle oder Paradies: Wir folgen dir an jeden Ort"
Rot-weiß-rot präsentierten sich die Fans vom FCK zwei Stunden zuvor zum Einlauf der Mannschaften. Ein prächtiges "Ob Hölle oder Paradies: Wir folgen dir an jeden Ort" gab man den Roten Teufeln per Choreographie mit auf den Weg. Das Ernst-Abbe-Sportfeld befindet sich bekanntlich im Jenaer Stadtteil "Paradies". Jenseits der Stadiongrenzen ragen Muschelkalkhänge hervor. Etwa 400 Kilometer fern vom Fritz-Walter-Stadion wies der Gästeblock auch an diesem Tag kaum Lücken auf. Direkt daneben in der gleichen Kurve haben die Ultras des FC Carl Zeiss ihren Platz auf der Südkurve. Auf der anderen Seite schließt die einzige überdachte Tribüne an. Der Herbst zeigte sich allerdings gnädiger als die Gastgeber, die FCK-Stürmer Timmy Thiele vor Anpfiff noch als besten Spieler der vergangenen Saison auszeichneten. Ein seltener Moment, bei dem Applaus aus allen Teilen des Stadionrunds gespendet wurde.
Betze-Coach Michael Frontzeck stellte gezwungenermaßen im Tor um: Wolfgang Hesl ersetzte den verletzten Jan Ole Sievers und erhielt den Vorzug vor dem angeschlagenen Lennart Grill. Theo Bergmann und Debütant Christian Kühlwetter kamen außerdem für Julius Biada und Hendrick Zuck. Von Umstellungsproblemen war auf dem Platz dennoch nichts zu sehen. Die Roten Teufel hielten die Blau-Gelb-Weißen aus Jena im Verlauf der ersten Halbzeit immer weiter weg vom eigenen Strafraum und bauten ihrerseits Druck aufs gegnerische Tor auf. Standesgemäß zum ersten Einsatz netzte U21-Torjäger Kühlwetter in der 39. Minute nach schönem Zuspiel von Mads Albaek ein. Erleichterung machte sich breit bei den FCK-Fans. Eine Fackel markierte beim Torjubel ein kleines Freudenfeuer. Doch das war kaum erloschen, als Jena zum Halbzeitpfiff den Ausgleich erzielte (Sucsuz, 44.).
"United by money. Korrupt im Herzen Europas."
In der Pause reihten sich die FCK-Anhänger in die deutschlandweiten Proteste gegen den DFB ein: "United by money. Korrupt im Herzen Europas." prangte passend zum Aktionsspieltag der EM-Bewerbung auf einem Plakat, das sich fast über die komplette Länge des Zauns zog. Dazu waberten viel rot-weißer Rauch und bengalische Feuer, was beides teilweise unnötigerweise nach vorne auf die Laufbahn geworfen wurde.
Das nächste Feuer brannte dann allerdings Jena auf dem Feld ab und drehte die Partie zum 2:1 (Starke, 77.), kurz nachdem ein gefährlicher Schuss des eingewechselten Zuck knapp über die Latte ging. Zuvor hatten sich die Zuschauer eine halbe Stunde lang mit spielerischer Magerkost begnügen müssen, vom FCC kam nicht viel und vom FCK noch weniger - was sich in der Schlussphase allerdings gehörig ändern sollte.
Nach der zwischenzeitlichen Führung der Heimmannschaft kassierte aber zunächst der Zaun am Gästeblock heftigen Tritte der erlebnisorientierten Fraktion Jenas aus Block A. Ein fliegender Bierbecher hatte die Hools wohl in Rage versetzt, viel mehr als wilde Pöbeleien passierte aber trotz überfordert wirkender Security nicht. Ab diesem Zeitpunkt stieg dann auch die Support-Bereitschaft auf der Haupttribüne. Spulten die Gästefans bis dahin ebenso routiniert wie die Heim-Ultras ihr Repertoire (nur lauter und dann doch abwechslungsreicher) herunter, zogen nun auch die anderen Teile des Stadions mit.
Wie zerronnen, so (fast) gewonnen: Der FCK und die Nachspielzeit
Begünstigt wurde die gute Stimmung vor allem durch das Geschehen auf dem Platz: Dort verpasste Joker Elias Huth dem Spiel die nächste Wende, glich in der 82. Minute aus und brachte den FCK in der 88. Minute mit 3:2 in Führung. Jetzt explodierte der Gästeblock! Gerade noch eine bittere Niederlage vor Augen, von den Gegnern als "Absteiger, Absteiger" geschmäht, und nun das Spiel gedreht. Welch ein Triumph!?
Wenn da nur nicht die dreiminütige Nachspielzeit und das verzweifelte Anrennen der Gastgeber gewesen wäre. Wie schon am Montag gegen Köln erzielte der Gegner noch das 3:3 (Fe. Brügmann, 90.+1). Ab dann herrschte Stille im Gästeblock, während beide Mannschaften erschöpft auf dem Boden und sich der Rest des Stadions freudig in den Armen lag.
Allmählich übertrifft die Summe der verschenkten Punkte die tatsächliche Punktzahl des FCK, die Tabellensituation bleibt höchst prekär. Doch die Mannschaft beweist, dass sie sich nicht geschlagen gibt und man bis zur letzten Minute mit ihr rechnen muss. Im Positiven, wie (leider noch) im Negativen. Die Treffsicherheit nimmt zu. Spiele werden gedreht. Es fehlt der Abwehrriegel ganz am Ende und die Konsequenz, um eine Führung zu verteidigen. Wenn's mal wieder länger dauert...
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Toco