Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - 1860 München 1:0

Ein Dreckstor bringt die Erlösung

Ein Dreckstor bringt die Erlösung


Der 1. FC Kaiserslautern hat gegen 1860 München einen dreckigen Sieg eingefahren und drei ganz wichtige Punkte gesammelt. Das passende Fazit des Abends lieferte Norbert Meier.

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Fußball ist ein Fehlerspiel, vor allem dann, wenn man im Abstiegskampf steckt. Sowohl der FCK als auch die Münchner Löwen hatten den Gegner am Freitagabend im Fritz-Walter-Stadion mehrfach durch Patzer, Fehlpässe und Unzulänglichkeiten zu Torchancen eingeladen. Am Ende gingen die Roten Teufel siegreich aus dem Abstiegsduell hervor – nach einem selten dreckigen Siegtor, dessen Zustandekommen am Ende jedoch keinen interessierte.

Mal wieder herrschte auf dem Betze so etwas wie Frühlingsatmosphäre: Die Sonne stand tief und tauschte das Fritz-Walter-Stadion in eine glühende Burg, die Temperaturen waren angenehm und auch auf den Rängen sorgten 27.906 Zuschauer für einen angemessenen Rahmen – die höchste Zuschauerzahl seit November 2016.

Als die Besucherzahl verkündet und auf den Leinwänden eingeblendet wurde, ging ein Raunen durch das Publikum: Die Mobilisierung in den vergangenen Tagen hatte also doch Früchte getragen, kurzfristig waren noch fast 7.000 Tageskarten verkauft worden. Auch der ausgerufene Fahnentag sorgte für ein optisches Highlight in der Westkurve, von deren unterem Rand nach oben und in die äußeren Blöcke ein stimmungsvolles Epizentrum den Takt vorgab. Direkt hinter'm Tor wurde das Motto des Endspurts geflaggt: "1. FC Kaiserslautern – Unzerstörbar".

"Die Fans haben verstanden, worum es geht"

Einmal mehr hob FCK-Trainer Norbert Meier hervor: "Wir müssen natürlich unser Publikum loben, das war wieder alte Betzenberg-Atmosphäre. Die Region hat verstanden, um was es geht."

Die Unterstützung von den Rängen war von den ersten Minuten an top, das Fußballspiel auf dem Rasen dagegen weniger. Es war eine nervöse erste Hälfte auf beiden Seiten. Fehlpässe reihten sich aneinander, immer wieder schlug das Pendel in die eine oder andere Richtung aus – doch einen Fehler des Gegners nutzen konnten zunächst weder die Lautrer noch die Löwen.

Der FCK hatte zwar in der Anfangsphase die gefährlicheren Tormöglichkeiten, doch mit der Zeit übernahm 1860 München immer mehr das Kommando, drängte Lautern tief in die eigene Hälfte und suchte zielstrebiger den Weg zum Tor. Dort tauchten die Gäste aber vorerst nur nach Standards auf.

Weil der FCK Kontermöglichkeiten fahrlässig liegen ließ, mündete die erste Hälfte in ziemlicher Ratlosigkeit auf Lautrer Seite. Zwar war die Unterstützung und Anfeuerung auch weiterhin vorhanden, doch die Unsicherheiten auf dem Platz übertrugen sich ein Stück weit auf die Ränge. Was, wenn das hier schiefgeht? Man mochte es sich gar nicht ausmalen.

1.700 Sechzger in Lautern

Im Gästeblock herrschte dagegen vorsichtiger Optimismus. Überhaupt verbreiteten die mitgereisten Löwen-Fans von Beginn an gute Stimmung. Versammelt hinter einer großen dunkelblauen Zaunfahne, die das Gründungsjahr zierte, trommelten, klatschten und trieben rund 1.700 Gästefans ihre Mannschaft nach vorne. Auch die Blauen hatten noch mal mobilisiert und gut ein Drittel ihrer Karten erst an der Tageskasse gekauft. Im angrenzenden Sitzplatzbereich wurden dazu ein paar weiß-blaue Ballons in die Höhe gehalten, was allerdings keine große Choreographie ergab.

Die boten stattdessen die Löwen-Profis vor dem Beginn der zweiten Hälfte und das auf ziemlich skurrile Weise: Während sich Schiedsrichter Martin Petersen und die Roten Teufel bereits auf ihren Positionen eingefunden hatten, absolvierten die Münchner in einer Reihe aufgestellt an der Seitenlinie noch ein schnelles Aufwärm- und Dehnprogramm.

Die kurzfristige Fitnesseinheit hatte allerdings wenig Einfluss auf die Torgefährlichkeit der Sechzger. Zwar war München das spielbestimmende Team, doch mit Ausnahme einiger vielversprechender Annäherungen und einem guten Kopfball blieben die ganz großen Möglichkeiten aus. Doch auch die Gastgeber taten sich weiter schwer und aus der Unruhe und Ratlosigkeit wurde allmählich Ungeduld. Inzwischen wurde jeder Fehlpass des FCK (und davon gab es viele) auch mit einem deutlichen Raunen begleitet. Die Westkurve wogte nicht mehr, sie erstarrte ab und an.

Die Erlösung durch ein Eigentor

Der Spielverlauf, aber auch die Stimmung stand auf des Messers Schneide – und dann folgte die Erlösung. Phillipp Mwene wurde gefoult, den Freistoß führte Daniel Halfar aus. Vor dem Tor liefen Mit- und Gegenspieler ein... und plötzlich lag die Kugel im Netz (73.). Für eine Millisekunde war es still, dann bebte Betze. Fans lagen sich in den Armen, Spieler und Betreuer jubelten auf dem Platz. Da war das Ding! Ein Eigentor nach einem Standard, erzielt ausgerechnet vom gegnerischen Stürmer, ein regelrechtes Dreckstor. Völlig egal!

Was folgte, waren allerdings die längsten 20 Minuten seit gefühlten Ewigkeiten auf dem Betzenberg. Denn nun galt es, den Vorsprung zu halten. Die Roten Teufel hielten mit aller Macht dagegen und bekamen bisweilen ohrenbetäubenden Support von den Rängen. Wechselgesänge, Anfeuerungsrufe, Hüpfen, Klatschen, Pfeifen, Brüllen – alles für den Klassenerhalt.

Norbert Meier wechselte noch einmal, brachte Robert Glatzel, der den Ball vorne im Zentrum einige Male festmachte und so wertvolle Zeit von der Uhr nahm, allerdings auch das erlösende 2:0 liegenließ. Die Uhr tickte wie in Zeitlupe, noch einmal ein Münchner Angriff, ein letzter Eckball – und dann war's vorbei.

Meier findet die richtigen Worte

Selten wurde in den vergangenen Monaten ein Schlusspfiff wohl so gefeiert wie an diesem Abend. Die kollektive Anspannung wich einer puren Erleichterung. Die Mannschaft drehte nach einigen Sekunden Durchatmen ihre Ehrenrunde und wurde vor der Westkurve mit tosendem Applaus gefeiert. Dort gab man auch gleich mit Blick auf das anstehende Südwest-Derby die Zielsetzung vor: "Karlsruh', Karlsruh', wir…"

Der abgefallene Druck war förmlich mit Händen greifbar. Was für ein wichtiger Sieg! Verdient, unverdient? Gibt es das eigentlich im Abstiegskampf? Am Betze sowieso nicht: Verdient ist, wenn der FCK gewinnt. Anders sah das natürlich 1860-Coach Vitor Perreira, der sich äußerst enttäuscht zeigte, sogar ein Remis als ungerecht bezeichnet hätte und darüber hinaus vergaß, dem Gegner zu gratulieren. Eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz. "Wir gehen ohne Punkte hier raus, aber so ist Fußball. Ich kann meine Mannschaft nur zu einem guten Spiel beglückwünschen", sagte der Portugiese.

"Ich beglückwünsche meine Mannschaft auch – zu den drei Punkten", erwiderte Meier süffisant und fasste dann den gesamten Abend, die komplette Situation ungeachtet von Spielverlauf und Statistiken treffend zusammen: "Ich sage Ihnen eines: Mir ist es heute scheißegal, wer hier die bessere Mannschaft war. Wir haben die drei Punkte hier."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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