17 Minuten Glückseligkeit, fast schon Erleichterung. Mehr war den 1.800 FCK-Fans an der Alten Försterei nicht vergönnt. Doch trotz großer Enttäuschung rückten die Roten Teufel und ihre Anhänger in Berlin weiter zusammen.
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Aufstiegsambitionen gegen Abstiegssorgen. Die Rollen dieses Duells waren in den vergangenen Jahren klar verteilt. Hier die Roten Teufel vom Betzenberg, dort die Eisernen aus Köpenick. In der Realität getrennt, in der Fußballromantik vereint. Am Ostersonntag 2017 wurden die Rollen getauscht. Union Berlin bereitet scheinbar unbeirrt ein kleines Himmelfahrtskommando Richtung Bundesliga vor, während der 1. FC Kaiserslautern das Tor zur Drittliga-Hölle nicht verriegelt bekommt.
Das Motto für den Endspurt: "Unzerstörbar"
Etwa 1.800 Fans nahmen zum Osterfest den weiten Weg aus der Pfalz oder den Sonntagsausflug aus den benachbarten Bundesländern auf sich. Neben den üblichen Verdächtigen tauchten auch einige auf, die sich in den letzten Jahren auch mal etwas zurückgezogen hatten. Wenn es gilt, rückt die Betze-Familie wieder zusammen (an). So war es und so bleibt es. Im – dank Gästeblock – nicht ganz ausverkauften Stadion An der Alten Försterei positionieren sich die FCK-Fans enger zusammengerückt hinter einem großen, rot-weißen Banner, welches das Motto für den Endspurt ausgeben sollte: "1. FC Kaiserslautern - Unzerstörbar". Im Block rundeten Doppelhalter, Fahnen und die üblichen Zaunfahnen der Fanclubs das Bild ab. Auf der Gegenseite versuchten sich die Heimfans an einer zweiteiligen Choreo, deren Umsetzung allerdings erst weit nach Anpfiff abgeschlossen war. Zu dem Zeitpunkt hatten die Hausherren schon zwei gefährliche Situationen vor dem Tor der Roten Teufel.
Getreu dem Choreo-Motto: "Union in Rot – das Stadion schallt, Ziel anvisiert – die Faust geballt", setzte Berlin den FCK von Beginn an unter Druck. Ein paar Spieler der Meier-Elf suchten noch ihre Position auf dem Feld und eilten den Gegenspielern ein bis zwei Schritte hinterher. Einzig Julian Pollersbeck stellte sich – wo möglich – immer größer werdend den Köpenickern in den Weg und verhinderte so vielversprechende Konterchancen. Doch auch die Nummer Eins der Lautrer konnte das 1:0 durch Damir Kreilach in unglücklicher Zusammenarbeit mit Phillipp Mwene in der 14. Minute nicht verhindern. Wenig später ersetzte Kacper Przybylko den an der Schulter verletzten Osayamen Osawe. Eine glücklose Umstellung von schnellen Kontern über Außen auf eine leider harmlose Variante zweier mit Gewalt-durch-die-Mitte-Stürmer zusammen mit Jacques Zoua. Während im Gästeblock der Rückschlag mehr und mehr weggesteckt und die Mannschaft angefeuert wurde, gelang es dem FCK-Team allerdings nicht, den offensiven Druck über die Strafraumgrenze ans, geschweige denn ins Tor zu bringen. Mit 0:1 ging es folglich in die Halbzeitpause, wo man sich fragte, wie denn dieser eine Ausgleichstreffer gelingen soll, den man dank der nun stabilisierten Abwehr in einen Punkt ummünzen könnte.
Torschütze Gaus sorgt für 17 hoffnungsvolle Minuten
Die Antwort lieferte Marcel Gaus in der 68. Minute. Mit Wut im Bauch und einer feinen Einzelaktion überwand er Keeper Daniel Mesenhöler und aus dem Gästeblock schallte es laut Hurra. Es begannen die 17 Minuten Glückseligkeit für die Betze-Fans. Bis dahin hatte Schiedsrichter Benjamin Brand bereits ein Abseitstor der Hausherren abgepfiffen und sollte im weiteren noch zwei Elfmeter und gleich nach dem Ausgleich einen erneuten Führungstreffer der Köpenicker (zu unrecht) verweigern. Von Minute zu Minute reifte die Gewissheit, dass wenigstens ein Unentschieden machbar sein könnte. Der Gästeblock hüpfte, schrie sich die Lunge aus dem Leib. Angefeuert von Capos mit und ohne Megafon, selbst Ex-Vorsänger Kempf tauchte plötzlich wie zu besten Zeiten vor den Massen auf. Auch Fritz Walter schickte einen schaurigen Gruß in den kühlen Aprilwetter-Mix. Doch eine Minute nach der Herausnahme von Gaus netzte Sebastian Polter in der 85. Minute zur erneuten Führung von Union Berlin ein. Drei Minuten später erhöhten die Eisernen auf 3:1 und der Gästeblock verstummte. Fünf Minuten hatten den Roten Teufeln am Ende gefehlt. Angst und Sorgen machten sich breit, während sich im weiten Rund die Aufstiegseuphorie und Freude über den Heimsieg bahnbrach und die Union-Fans hörbar auf sich aufmerksam machten.
"Lautrer geben niemals auf!"
Aufstiegskandidat ist nun der 1. FC Union Berlin, während der 1. FC Kaiserslautern weiter zusammenrücken und den Mythos der "Unzerstörbar" verinnerlichen muss. Der erste Teil von "Nur Zusammen – Unzerstörbar" ist aber schon erfüllt, wie sich nach Abpfiff herausstellte. Die Fans verabschiedeten die Spieler mit lautstarkem Mutzuspruch: "Lautrer geben niemals auf, sie kämpfen!" Nun sollte sich die Mannschaft das Prädikat unzerstörbar schleunigst erspielen. Auf der neuen Kapitänsbinde von Interims-Spielführer Christoph Moritz steht es schon. Mehrere Fanclubs des FCK überreichten dem verletzten Kapitän Halfar im Vorfeld eine rot-weiß-rote Binde mit dem Motto des Endspurts. Eine Erinnerung an alte Zeiten, eine Selbstvergewisserung gegen den Zweifel, ein Signal für die kommenden Spieltage. Fünf Spieltage bis zum Klassenerhalt!
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Toco