Ein 2:1-Sieg unter Flutlicht, ein Traumtor, drei wichtige Punkte im Aufstiegsrennen und eine dramatische Schlussphase, die an alte Zeiten erinnerte. Den Freitagabend im Fritz-Walter-Stadion fasst DBB-Autor paulgeht zusammen.
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Der Fußballgott ist eine launige Kreatur. Manchmal verhilft er den unterlegenen Außenseitern zu überraschenden Siegen. Mal lässt er den haushohen Favoriten lange zappeln und manchmal knechtet er durch gemeine Eigentore oder Elfmeterpfiffe die Fußballgemeinde auf und neben dem Rasen. Zu den schlimmsten Werkzeugen des Fußballgottes gehört aber die Nachspielzeit, und als am Freitagabend gegen 20:15 Uhr die Anzeigetafel des Assistenten eine unerbittlich, unumstößlich rot-leuchtende „5“ in den Lautrer Nachthimmel zeigte, brodelte das Fritz-Walter-Stadion. Wenige Minuten zuvor hatte der Fürther Niko Gießelmann einen sehenswerten Freistoß unhaltbar im Kasten von Tobias Sippel versenkt. 85 Minuten hatten die Roten Teufel das Spiel im Griff gehabt und gerieten nun doch noch einmal gehörig unter Druck. Wenige Momente nach dem Anschlusstreffer wurde der gerade erst eingewechselte Erik Thommy am Mittelkreis gefoult und fiel so unglücklich auf den Ball, dass er sich die Schulter auskugelte und unter großen Schmerzen vom Platz getragen werden musste. Die Lautrer hatten die letzten Angriffsbemühen der Fürther also in Unterzahl zu überstehen. Und dann leuchteten da diese fünf Minuten Nachspielzeit auf. Es war angerichtet für eine emotionale Schlussphase.
So leb- und lustlos der 1. FC Kaiserslautern noch wenige Tage zuvor in Frankfurt auftrat, so emotional und mit allen Kräften verteidigten die nunmehr zehn Mannen den schmalen Vorsprung gegen die Schlussoffensive der SpVgg Fürth. Lautstark unterstützt wurde das Team von den Tribünen und was sich speziell in den letzten Momenten der schier endlosen Nachspielzeit auf den Rängen abspielte, das darf man wohl als Betze pur bezeichnen: Niemand saß mehr, wütende Pfiffe, Schreie, beleidigende Gesten von allen Seiten, Fäuste wurde drohend geschüttelt – eine rasende Masse, vereint im Wunsch dieses eine Tor nicht zuzulassen und endlich den Schiedsrichter zum gottverdammten Abpfiff zu bewegen. Doch der hatte es nicht eilig, sprach den Gästen in der gefühlt 99. Minute noch zwei Eckbälle zu, beide von der Seite getreten, an der sich Westkurve und Südtribüne treffen. Und wo nun die Hölle explodierte. Ein gellendes Pfeifkonzert, ein Hagelschauer von Bechern, Feuerzeugen und was sonst noch greifbar war, vergeblich versucht mit Schirmen abzufangen. Und dann für einen Sekundenbruchteil die ultimative, zerfetzende Stille, der Showdown: Zweimal war der Fürther Keeper Wolfgang Hesl mit nach vorne geeilt. Als der Ball das zweite und letzte Mal in den Lautrer Strafraum segelte, klatschte Hesl, etwa zwei Meter vor der Linie stehend, der Ball an die Brust. Tobias Sippel stand wie vom Donner gerührt, unfähig zu reagieren. Alles hielt den Atem an – und dann kam da ein roter Teufelskerl (War es Ring? War es Orban? Völlig egal!) und drosch den Ball weit, weit, weit weg. Und dann war Schluss. Die Spieler rissen die Arme hoch, Tobias Sippel stürmte auf seinen Fürther Kollegen zu, um ihm zu danken oder auch nicht. Grenzenloser Jubel und so etwas, wie eine emotionale Wiederbelebung. Wahnsinn.
Deutlich verhaltener hatte der Abend etwa zwei Stunden zuvor begonnen. Nur offiziell 23.796 Zuschauer fanden den Weg auf den Betzenberg. Keine überragende Zuschauerzahl, aber angesichts des enttäuschenden Spiels in Frankfurt auch nicht wirklich überraschend. Eben jenes Spiel veranlasste auch Chefcoach Kosta Runjaic zu einigen Umstellungen im Team. Schon am Donnerstagabend sickerte durch, dass der Trainer die drei Leihspieler Amin Younes, Kevin Stöger und Kerem Demirbay aus dem Kader strich. Auf das Feld schickte Runjaic deshalb eine offensive Dreierreihe, bestehend aus Ruben Jenssen, Karim Matmour und Jean Zimmer, die immer wieder rotierte und die Positionen tauschte. Vor allem Jean Zimmer, in Frankfurt noch schmerzlich und angesichts seiner überragenden Leistung gegen Fürth noch weniger nachvollziehbar vermisst, gab den Motor und Antreiber im Lautrer Spiel. Gemeinsam mit Simon Zoller – der nächsten Änderung in der Startelf – nahm er immer wieder Tempo auf, setzte zu unkonventionellen, aber meist erfolgreichen Dribblings an und krönte seine bärenstarke Leistung mit einem sehenswerten Distanzschuss aus 20 Metern ins Fürther Tor. Dem vorausgegangen war eine mit wenigen Kurzpässen geschickte Spielverlagerung des FCK, wodurch die unsortierte Kleeblatt-Abwehr den Lautrer Youngster nicht mehr stoppen konnte. Zimmer, mit dem zweiten wichtigen Führungstreffer innerhalb von zwei Wochen, wird für den FCK immer wichtiger, wie auch ein Blick auf die Statistik zeigt: In 15 Spielen stand er diese Saison in der Startelf, aus denen der FCK 30 Punkte holte. In den acht übrigen Partien (in denen er zwei Mal eingewechselt wurde) nahmen die Lautrer nur elf Punkte mit.
Mit einer völlig verdienten Führung ging der FCK zur Halbzeit in die Kabine, hätte übrigens bei zwei strittigen Szenen im Strafraum sogar noch jeweils einen Elfmeter bekommen müssen (Handspiel Gießelmann und ein Foulspiel an Zoller, den der Assistent zu Unrecht im Abseits sah). So oder so: Der Gegner aus Fürth kam mit dem konzentrierten und engagierten Pressing der Pfälzer nicht zurecht, wie auch der auf die fränkische Trainerbank zurückgekehrte Mike Büskens eingestehen musste: „Wir haben ein sehr intensives Spiel gesehen, wo der FCK uns zu Beginn in einige Probleme gebracht hat.“ Entsprechend passiv trat die Spielvereinigung auf, was sich auch zur Leistung der 300 mitgereisten Grün-Weißen sagen lässt. Ein Großteil der Fürther Schlachtenbummler hatte sich im oberen Bereich der Gästestehplätze gesammelt, wo durchaus häufiger mal Bewegung auszumachen war. Hören konnte man die Kleeblatt-Fans allerdings nicht, selbst beim 1:2-Anschlusstreffer kurz vor Schluss. Das Problem für den eher schmalen Support machten die Franken in der Spielansetzung aus: mit einem breiten Doppelspruchband („Gegen Spieltermine unter der Woche“) machten sich ihrem Ärger Luft.
Apropos Spruchband: Auch auf der Gegenseite entrollten die FCK-Fans vor der Westkurve ein Banner und sendeten damit Wolfram „Wutti“ Wuttke beste Genesungswünsche, bevor sich die Konzentration auf die zweite Halbzeit richtete. Es lohnte sich, denn nach nur wenigen Minuten und einer sehenswerten Passstaffette wurde Simon Zoller im Strafraum zu Fall gebracht. Nun aber endlich ein Elfer für den FCK! Der (gemeinsam mit Philipp Hofmann) neue Elfmeterschütze Chris Löwe schritt zur Tat und versenkte den Ball souverän halbrechts im Kasten. In der Folge zogen sich die Lautrer weit zurück und gaben die Spieldominanz an die Gäste ab, was sich auch in den Statistiken widerspiegelte: Fürth verzeichnete am Ende mehr gewonnene Zweikämpfe und Ballbesitz. Diese taktische Maßnahme (Runjaic: „Nach dem 2:0 haben wir bewusst Spielanteile an Fürth abgegeben“) war nicht unbedingt schön anzusehen, angesichts des bevorstehenden Pokalspiels am Dienstag allerdings nachvollziehbar. Weil Fürth aber aus dem neugewonnen Übergewicht auf dem Feld wenig bis gar nichts herausholte, verflachte das Spiel komplett und bot dem FCK-Anhang durch entsprechende Jubel- und Schmähgesänge schon einmal die Möglichkeit, den bevorstehenden Viertelfinaleinzug in Leverkusen zu feiern.
So plätscherte das Spiel vor sich hin, bis die 85. Minute anbrach. Der in einigen Situationen etwas unglücklich agierende Tim Heubach senste einen Fürther Spieler um. Freistoß, Tor – was folgte war die emotionale Schlussphase mit einem erarbeiteten Sieg für die Tabelle und einer wohlverdienten Bestätigung für die Kampfes- und Opferbereitschaft, die mit Sicherheit auch am Dienstag gefragt sein wird.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht