Spielbericht: Karlsruher SC - 1. FC Kaiserslautern 2:2

Das Derby - zwischen Zumutung und Pflichttermin

Das Derby - zwischen Zumutung und Pflichttermin


2:2 in Karlsruhe - der FCK hat das Südwest-Derby über die Bühne gebracht. Mehr nicht. Der Spielverlauf war sinnbildlich für die ganze Saison. Warum ein einstiger KSC-Protagonist und Lautern-Rivale vielen Fans aus dem Herzen sprach, erfahrt ihr in Markys Bericht.

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Er hat einen großen Anteil daran, dass Karlsruhe gegen Kaiserslautern auch heute noch ein Derby ist, das seinen Namen wert ist, das beide Fanlager elektrisiert. Er war der Hauptdarsteller an diesem denkwürdigen Freitagabend im Mai 1991, als der KSC durch Tore von Scholl und Schütterle auf dem Betzenberg früh in Führung, aber trotzdem leer ausging. Er stand dabei gar nicht auf dem Platz, sondern daneben. Schimpfte, tobte, weil der Schiedsrichter das Spiel beim Stande von 2:2 - für Lautern hatten Scherr und Hoffmann getroffen - nicht nach 90 Minuten abpfiff; schäumte über, weil Stadionsprecher Udo Scholz die Uhr bei einer Durchsage fünf Minuten zurückdrehte. Und dann als Stefan Kuntz mit einem unvergleichlichen Solo den Siegtreffer erzwang, als das Dach beim kollektiven Torschrei abhob, explodierte auch er. Kriegte sich tagelang nicht mehr ein.

Ohne diesen rotblonden Irrwisch wäre auch der Spielverlauf an jenem Samstag im Oktober 1994 nicht erklärbar gewesen, als der KSC am heimischen Wildpark schon 0:3 zur Pause zurücklag (Sforza, Kuka, Marschall) und trotzdem ein 3:3 erkämpfte (Bonan, Knup, Knup). Dieser Jemand hat die Rivalität gelebt, er wurde geliebt und gehasst und auch heute - zwanzig Jahre später - lässt ihn diese Begegnung nicht kalt.

Winfried Schäfer war an diesem Samstag beim 53. Aufeinandertreffen zwischen Karlsruhe und Kaiserslautern Halbzeitgast des übertragenden Bezahlsenders Sky. Und er sprach, was durchaus überraschend ist, vielen FCK-Fans aus dem Herzen. Kaiserslautern, das 1:0 zur Pause zurücklag, wolle offenbar nicht aufsteigen. Da sei keine Mannschaft auf dem Platz. Offenbar sei man sich untereinander nicht ganz grün. Es fehlten Herz und Wille, so „Winnie“. Die schonungslose Analyse gipfelte in dem Satz: „Was die Lautrer Spieler ihren Fans für eine Leistung anbieten, ist eine Zumutung.“

Eine Stunde später, auf der Pressekonferenz, war die erste Halbzeit noch einmal ein Thema. Ja, fielen noch deutlichere Worte. Aus seiner Sicht hätte die Hälfte des Teams spielen wollen und Körpersprache gezeigt, so FCK-Coach Runjaic. Die andere Hälfte habe nicht gekonnt oder nicht gewollt. Oder sei einfach ein Stück weit blockiert gewesen. Schon nach dem 1:1 gegen Bielefeld hatte Runjaic nicht mehr die schützende Hand vor seine Spieler gehalten, hatte seine Kommunikationsstrategie geändert.

In der Fankurve wurde der Spielverlauf weniger hochgekocht und war auch in der Pause bei Bier und Bratwurst nicht der große Aufreger. Denn so eine Halbzeit hatte man in dieser Saison ja nicht das erste Mal durchlitten. Auch nicht in den letzten drei Spielzeiten. Wiederholte Negativerlebnisse härten und stumpfen ab.

Mächtig Feuer hatte es auf FCK-Seite im Wildpark zunächst nur im Block gegeben. Trotz nicht enden wollender Durchsuchungen und Leibesvisitationen, schon vor dem Einsteigen in die Züge, hatte es viel Pulver ins Zentrum des Geschehens geschafft. Der Betze brannte in Karlsruhe minutenlang und einige der mitgereisten rund 5.000 Teufel schossen dabei über das Ziel hinaus - nämlich Raketen auf den Platz und Böller auf die Laufbahn.

Der KSC begann, das Wildparkstadion war zum ersten Mal in dieser Saison ausverkauft, mit viel Schwung. Der begnadigte Alushi nahm auf Seiten der Lautrer den Ball fast auf Höhe des Mittelkreises unbeholfen in beide Hände, kassierte früh gelb. Ein Zeichen von Nervosität. Doch Karlsruhe schlug daraus kein Kapital. Das Anfangsfeuer verpuffte schnell. Man neutralisierte sich auf schwachem Niveau. Der FCK erkämpfte Bälle und spielte sie meist zum Gegner, die Außen stachen nicht. Matmour musste zur Pause weichen. Es fehlte an Handlungsschnelligkeit, an Kreativität, an Durchschlagskraft, an Aggressivität. An Können und am unbedingten Wollen. An allem eben, was den Unterschied macht, um in die Bundesliga aufzusteigen. Doch diese Erkenntnisse sind nicht neu, sie waren auf „Der Betze brennt“ schon oft in Spielberichten und Analysen zu lesen.

FCK-Mittelfeldmann Jenssen, für den verletzten Gaus in die Mannschaft gekommen, fiel vor allem durch einen schludrig verlorenen Zweikampf in der 26. Minute auf, den Torres, der KSC-Aufsteiger in dieser Saison, mit dem 1:0 bestrafte - per Kunst-Lupfer über Sippel. Viel mehr passierte in der ersten Halbzeit nicht. Auch nicht auf den Rängen. Die Megaphonmänner beider Lager waren oft lauter als der Rest des luftigen, sonnendurchfluteten Rundes. Auf KSC-Seite waren viele länger nicht mehr im Stadion, das merkte und hörte man. Bei den Lautern-Anhängern sitzt der Stachel einfach zu tief. Man reiste geschlossen zum Derby an, war anwesend, tat seine Pflicht.

Auch als FCK-Torjäger Zoller in der zweiten Halbzeit im Alleingang das Spiel per Kopf und mit dem Fuß zu drehen schien, blieb die Reaktion im Auswärtsblock vergleichsweise verhalten. Manche standen zu diesem Zeitpunkt sogar noch hinter dem Hügel, hatten sich mehr als 15 Minuten Pause genommen. Sie sahen so nicht, wie Zoller beim Torjubel sein Trikot auszog und allen zur Schau stellte; ob den FCK-Fans oder den KSC-Anhängern - als ausgemusterter, ehemaliger Spieler - unklar. Als der hoch gehandelte Stürmer laut eigener Aussage „wegen Krämpfen in beiden Oberschenkeln“ raus musste, war es mit der FCK-Herrlichkeit schnell wieder vorbei. Die Pfälzer spielten zwar weiter mit drei namhaften Offensiven - Idrissou, Occean, Lakic - doch das Trio sorgt derzeit nur noch auf dem Papier für Aufsehen. So fehlte die Entlastung, der KSC konnte sich in aller Ruhe zur Schlossoffensive ordnen. Und machte den Ausgleich. Wieder mit einem Kunstschuss.

Jetzt wurde es im Wildpark richtig laut. Die KSC'ler feierten das Tor des Ex-FCK-Jugendspielers Nazarov überschwenglich. Als Krönung einer sensationellen Saison. Und natürlich wurde auch das FCK-Lager bei den Gesängen bedacht. Ehrensache. „Zweite Liga, Lautern ist dabei“, hallte es. Die Wiedersehensfreude ist groß.

Doch die Extraportion Häme und Spot hätten sich die Badener zu diesem Zeitpunkt sparen können. Sie traf nicht ins Herz der Rivalen. Dass es dann doch keine drei Punkte gab, war für die Lautern-Freunde kein Weltuntergang. Statt „SCHEISSE“ und „VERDAMMMT“ hörte man dort „war klar“ oder „typisch“ und sah viele Achseln zucken.

Es wurden schon so viele Spiele vergeigt, dass es einfach nicht mehr weh tut, dass man fast nichts mehr spürt. Schon am vergangenen Mittwoch sangen die Treuesten der Treuen in der Westkurve „Nie mehr erste Liga“ nach dem Schlusspfiff.

Freilich ist die Sehnsucht nach der ersten Liga groß. Aber es geht nicht nur um Platzierungen und Ergebnisse. Es geht viel mehr um die Art und Weise, wie sich der 1. FC Kaiserslautern zuletzt präsentiert hat. Es geht um Identifikation mit Spielweise und Spielern. Es geht ums Ganze.

Die tausenden, ausdrucklosen Gesichter des einst so stolzen Lauterer Anhangs, auf dem Nachhauseweg gestern, lassen einen frösteln. Es scheint, als hätten einige ihre innere Kündigung schon unterschrieben. Aus reinem Selbstschutz. Auf diese besorgniserregende Entwicklung muss der Verein reagieren. Auch bei seiner Planung für die kommende Saison.

Nicht nur der alte Rivale Winnie Schäfer erkennt den FCK anno 2014 nicht wieder. Das Feuer hat aufgehört zu brennen. Nicht nur auf dem Platz.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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