Auch im fünften Spiel des 1. FC Kaiserslautern unter Kosta Runjaic hat es die Zuschauer von den Sitzen gerissen. Ungewohnt allerdings: die Aussetzer in der Defensive. Ein Anflug von Arroganz? DBB-Autor Marky über ein Spiel, das nie und nimmer 2:2 ausgehen darf.
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Wenn man das Heimspiel des 1. FC Kaiserslautern gegen den Karlsruher SC auf eine Szene reduzieren müsste, die sinnbildlich für diese Zweitligabegegnung stand, dann werden wahrscheinlich die meisten diese vermaledeite 40. Minute nennen. Als dieser lange Ball aus der Hälfte der Karlsruher in den Strafraum der Lautrer segelte. Als der Karlsruher Torres den Ball nicht sauber annehmen konnte. Als FCK-Verteidiger Marc Torrejon routiniert wie eh und je seinen Körper zwischen Torres und den Ball schob und die Situation geklärt schien - Torrejon hätte den Ball einfach ins Seitenaus schieben können. Doch noch gekonnter schien es für ihn in diesem Moment, den Karlsruher einfach abzublocken und Tobias Sippel den Ball aufnehmen zu lassen. Den Torhüter der Lautrer - heute sehr farbenfroh gekleidet - schien dieses Vorhaben seines Innenverteidigers zu überraschen. Denn er ging dem Ball nicht weiter entgegen. Und dann kam Torres wieder ins Spiel. Denn der war schließlich auch noch da. Der zahlte 10 Euro ins Phrasenschwein („Nimm du ihn, ich hab ihn sicher...“) und funkte dazwischen: Torres schoss Sippel an, der Ball prallte wieder zu Torres zurück und mit seiner Hüfte bugsierte er das Runde letztendlich ins Eckige.
Natürlich fällt dieses Tor in 100 Versuchen, wenn man jetzt nur den Ping-Pong-Part betrachtet, nur einmal - wenn überhaupt. Aber es lassen sich daraus durchaus Schlüsse ziehen, die erklären, warum das Aufeinandertreffen des FCK und des KSC eben nicht 5:0 ausging, was vielleicht dem Spielverlauf entsprochen hätte, sondern 2:2. Da ist einmal der Aufsteiger aus Karlsruhe, der sich schon vor dem Derby sagte: Wir haben auf dem Betze keine Chance, aber diese wollen und werden wir nutzen. Und da sind zum anderen die Männer in Rot, die nicht nur in dieser so ausführlich beschriebenen Szene die letzte Konsequenz, das letzte Stück Konzentration vermissen ließen. Oder war es gar ein Anflug von Arroganz? Wir wollen es nicht hoffen...
Die letzten Wochen lief das FCK-Spiel wie auf Schienen. Das 3:0 gegen 1860 München wurde von Presse und Fans als Demonstration von Spielkultur und Dominanz gefeiert. Auch „Der Betze brennt“ schrieb beseelt von der „Rückkehr der Roten Teufel“. In Bielefeld konnte der FCK seinen Aufwärtstrend untermauern. Und nach der Länderspielpause, die diesen nicht für möglich gehalten Lauf (leider) unterbrach, schien der Runjaic-Express auch gegen die Karlsruher in der Anfangsviertelstunde weiter unter Volldampf zu laufen. Die Verteidiger standen gewohnt hoch, die zweiten Bälle wurden allesamt einkassiert, überlegt und geduldig wurde das Spiel unter Szenenapplaus verlagert. Wie schon zuletzt die Sechziger schien der KSC, der mit zwei eng stehenden Viererketten die Räume eng machen wollte, hier und heute hoffnungslos unterlegen zu sein. Doch dann kamen die ersten Misstöne in der FCK-Sinfonie: Schlampige Zuspiele im Aufbau, haarsträubende Risikopässe in der eigenen Hälfte, die ein stärkerer Gegner bestraft hätte. Aber es war ja nur der KSC, was sollte da anbrennen? Hat man so etwa gedacht? Zumindest hat man so eine unkonzentrierte Phase in Kosta Runjaics Ägide noch nicht gesehen. Die schiefen Töne endeten mit Torres‘ Paukenschlag.
Der FCK-Coach reagierte in der Pause, nahm Alexander Ring vom Feld. Runjaic sagte vor dem Spiel, als Pressevertreter ihm die Aufstellung entlocken wollten, sinngemäß: Ich habe keinen Grund, viel zu ändern. Ein Freund der Groß-Rotation war der Neu-Lautrer auch in seinen bisherigen Stationen nicht. Deswegen gab er wohl auch dem Finnen Ring erneut sein Vertrauen, dessen Formkurve zuletzt deutlich nach unten zeigte. Gegen Karlsruhe macht Ring wohl unumstritten sein schwächstes Spiel. Fast hat es den Anschein, als möchte der hoch veranlagte junge Mann das große Vertrauen des Trainers nicht nur zurückzahlen, sondern diesen belohnen, mit besonders herausragende Pässen und anderen Aktionen. Doch das misslingt momentan auf ganzer Linie. Und es könnte sein, dass auch Runjaics Geduld und Vertrauen endlich ist. Enis Alushi - heute viel umjubelt bei der Aufstellung der Ersatzleute begrüßt - trainiert wie ein Besessener. Aber Runjaic brachte heute nicht Alushi für Ring, sondern Williiiiii Orban, der seine Sache auf der wichtigen Sechser-Position sowohl defensiv als auch offensiv gut machte.
Ja, Orban war sogar einer der Gewinner des 2:2 gegen Karlsruhe. Aus dem Gewühl heraus schoss er rund eine halbe Stunde vor Schluss den 2:1-Führungstreffer. Herausheben muss man heute auf jeden Fall auch Jan Simunek, der eine Partie auf Bundesliga-Niveau ablieferte. Der sich auch mangels Beschäftigung in der Abwehr intensiv ins Offensivspiel einschaltete („meiste Ballkontakte“, „schnellster Spieler“). Der mit einem klasse Volley-Schuss ins Tor traf und den FCK nach 20 Minuten mit 1:0 in Führung brachte. Der so herrlich, so herzlich jubeln kann. Und vielleicht hatte sich der Fußballgott ja noch einen Gewinner im FCK-Dress ausgeguckt: Simon Zoller. Er wurde (erneut) in der zweiten Hälfte eingewechselt und war sofort hellwach. Brandgefährlich mit dem Kopf und mit dem Fuß. An Sturm-Rivale Olivier Occean (sehr mannschaftsdienlich, Tore gegen Bielefeld und Berlin) gab es zuletzt nichts auszusetzen, aber einen Zoller in dieser Verfassung darf man eigentlich keine Minute auf die Bank hocken. Doch, dass es am Ende nicht zu der Schlagzeile kommen sollte: „Zoller schießt ehemaligen Verein ab“ lag an einem Mann, dem KSC-Keeper Orlishausen. Was der ruhige Riese in der Schlussphase, die jeden im Stadion von den Sitzen riss, rausboxte und rausfischte, war herausragend. Und so reichte dem KSC eine Chance in der zweiten Halbzeit (wieder Torrejon mit unglücklichem Klärungsversuch, (Abseits-)Tor durch van der Biezen) zum, ja, sensationellen Punktgewinn. Nicht verschweigen muss man aber auch, dass die Blauen aufopferungsvoll kämpften.
Nach dem Schlusspfiff sah man an der Reaktion der FCK-Mannschaft, dass sich das 2:2 für sie wie eine Niederlage anfühlte. Man wollte sich und den annähernd 40.000 FCK-Fans im Stadion einen Sieg schenken. Auch die Lautern-Anhänger brauchten ein paar Minuten sich zu sammeln. Schickten ihre Mannschaft danach aber mit einem fetten Applaus in die Kabine. Denn auch im fünften Spiel unter Runjaic hat der FCK begeistert. Auch diesmal wurden wieder 31 Torschüsse gezählt. Mehr Ballbesitz, mehr Zweikämpfe, mehr Pässe. Einfach „mehr, mehr, mehr“ als in den Spielen der vergangenen Zweitliga-Saison.
„Wir müssen dahin kommen, dass jedes Spiel hier auf dem Betze ein ganz besonderes Spiel wird“, sagte Runjaic in dieser Woche. Nach dem 2:2 gab er zu Protokoll, dass es solche Spiele eben gebe, er aber absolut zuversichtlich sei, dass man die Richtung der letzten Wochen auch weiter beibehalten werde. „Wenn wir dann vielleicht irgendwann ein bisschen mehr Glück haben, punkten wir auch wieder dreifach.“
Abschließend noch ein Wort zu dem Derby auf den Rängen. Auch, wenn man die Karlsruher nicht mag, wegen ihres Dialekts oder ihrer ganzen Art, oder weil sie eben keine FCK-Fans sind: Sie sind heute mit über 5.000 Leuten auf dem Betze aufgeschlagen und sie waren lautstark und ausdauernd. In Lauterns berühmtester Kurve konnte man leider nicht an jüngste Glanztage (Berlin) anknüpfen, als man wild anfeuerte und brachial sang. So war es diesmal keine Wand, sondern viele kleine Grüppchen, die ihr eigenes Supportchen kochten. Und eine seltsame Sattheit, die sich nach eigentlich gutem Beginn einschlich. Das Stimmungsbarometer auf „Der Betze brennt“ wies zuletzt Rekordwerte aus - obwohl der FCK immer noch Zweitligist ist und auf Platz vier steht.
Wir haben heute vielleicht zwei Punkte verloren, aber wenn wir die Essenz dieses Spiels in die noch lange dauernde Saison mitnehmen, dann kann die schmerzhafte Erfahrung hilfreich sein. Zu Überheblichkeit oder Überlegenheitsgefühl besteht kein Anlass. Das hat dem 1. FC Kaiserslautern noch nie gut gestanden, selbst vor auf den Tag genau 40 Jahren, als man den FC Bayern München nach 1:4-Rückstand mit 7:4 besiegte.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky