Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - TSG Hoffenheim 1:2

Ein erstklassiges FCK-Gefühl

Ein erstklassiges FCK-Gefühl



Der FCK bleibt zweitklassig. Das Saisonziel wurde verpasst. Trotzdem strahlte der Stern des Vereins selten heller als an diesem Montag. Markys Bericht über einen Abend, der dem Mythos Betzenberg reichlich Nahrung gibt.

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Es waren bestimmt schon 20 Minuten im finalen Relegationsspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und der TSG Hoffenheim gespielt, als ich langsam aus meinem (Gefühls-)Rausch aufwachte und einen meiner Nebenleute fragte: „Sagt mal, mit welcher Aufstellung spielen wir heute eigentlich? Ist das der Drazan auf Linksaußen, der hat doch die 30, oder?! Und wo ist Heintz?“

Wie in Trance hatte ich die vorangegangen zwei Stunden erlebt: Die Hinfahrt, das Hochlaufen, das Runtergehen zum Treffpunkt, wo wir Spalier stehen wollten. Und dann passierte das, was vier Tage zuvor in Sinsheim schon genauso passiert war: Der FCK traf mich mit voller Wucht. Wie viele standen da eigentlich, um die Mannschaft willkommen zu heißen?! Tausend oder noch viel mehr? Ich sah kein Anfang und kein Ende. Ich sah nur rot.

In Sinsheim hatte der FCK bei mir eingeschlagen, als ich über die Autobahnbrücke lief und es aus der Arena wild und bedrohlich „KAISERSLAUTERN“ dröhnte - 150 Minuten vor Spielbeginn. Die feine „FAZ“ fühlte sich fröstelnd an die derben, rauen Fußball-Achtziger erinnert - und wir uns geadelt. In der zweiten Halbzeit trotz oder gerade wegen des Rückstands wurde es immer lauter und lauter. Old und New School schmetterte den Ultra-Hit „Lautern allez“ Schulter an Schulter.

Kein Blatt Papier passte zwischen die Lautern-Anhänger auch, als nun der Mannschaftsbus des FCK an diesem Montagabend im Schneckentempo den Betzenberg hinaufkroch. Wenn man in die euphorisierten Fan-Gesichter schaute, musste man sich fragen, ob hier wirklich das alles entscheidende Relegationsspiel um den Aufstieg in die 1. Bundesliga kurz bevorstand. Es fühlte sich nicht wie am 18. Mai 2008 an. Als Tausende fast flehentlich die Bellinghausens und Lexas nachdrücklich daran erinnern wollten, den FCK nicht untergehen zu lassen. Nein, das hier hatte was von Triumphzug. Nur, wer wurde eigentlich gefeiert? Und für was? Und warum platzten gerade die, die die letzte Meisterschaft nur als Dreikäsehoch mitbekommen hatten, hier schier vor Stolz.

Rein ins Fritz-Walter-Stadion - und auch dort tat sich wundersames, im Süden, im Osten, aber vor allem im Norden. Schon vor Spielbeginn standen ALLE und hielten ihre roten Schals in die Höhe oder schwenkten unzählige Fahnen, als würden sie in an diesem Ort nie etwas anderes machen. Als würden dort Fußballfeste in Serie gefeiert, als würde man alle vier Wochen Real Madrid mit 5:0 vom Feld schießen und Barca in Angst und Schrecken versetzen. Vor 50.000.

Schon beim ersten Lied - ich weiß gar nicht mehr, was Kempf angestimmt hatte - sprangen mir schier die Augen aus den Höhlen. Die Song-Zeilen eilten binnen einer Sekunde (!) von der West- über die Süd- in die Ostkurve. Wie bei einer Laola. Nur noch schneller. Wie bei einem Brand im ausgedorrten Busch. Und sogar die einst legendäre Nordtribüne hatte auf einmal wieder Ton! Es war so ohrenbetäubend laut, dass selbst die Polizisten, die am Hauptbahnhof Dienst schoben, ihren Ohren kaum trauten (Fakt!) und ein renommierter und glaubwürdiger Sportreporter der „Frankfurter Rundschau“ hinterher zu Protokoll gab, dass er solch einen Höllenlärm noch nie in einem Fußballstadion vernommen hatte - obwohl seine Erinnerung bis in die 1960er zurückreiche.

Als FCK-Torwart Tobias Sippel dann in der ersten Halbzeit noch den Elfmeter des eigentlich todsicheren Schützen Sejad Salihovic in Weltklasse-Manier abwehrte - vor der übervollen Westkurve - hörte ich es kurzzeitig nur noch pfeifen und rauschen. Aber ich nahm wahr, wie sich das halbe Stadion laut knurrend über Salihovic beugte und geifernd nach ihm biss. Hat man dieses Großmaul von Fußballer (mit dem feinen Fuß) jemals so hart schlucken sehen wie in diesem Moment? Wie sehr die Hoffenheimer der Gang durch die Spießruten mitnahm, konnte man in den Sekunden nach ihrem 1:0 erahnen. Einige Spieler schauten sich ungläubig an, machten Gesten und Lippenbewegungen wie „Wir haben ein Tor gemacht? Im Ernst? Und es zählt? Wirklich?“

Und Dietmars Jungs in blütenweiß konnten nicht lange verschnaufen: Nachdem sich FCK-Spielmacher Alexander Baumjohann den Ball zum Freistoß zurechtgelegt hatte und direkt in die von ihm aus gesehene linke Ecke platzierte, brach die Hölle über sie herein. Jetzt knallten auch die letzten Starkstrom-Sicherungen in Fritz Walters Stadion durch. Das „Jetzt geht’s los“ brauchte nur noch eine Zehntelsekunde von der West bis in die Ost. Oder war es mittlerweile bereits umgekehrt? Stimmten alle Tribünen mittlerweile gleichzeitig an? Intuitiv. Miteinander verbunden, verschmolzen.

Als dann nur wenige Minuten nach dem Ausgleich diese Flanke - es spielte längst keine Rolle mehr von wem - in den Hoffenheimer Strafraum segelte und immer länger und länger wurde und Idrissou wild entschlossen war, sein Versprechen einzulösen… Da musste man fast Angst haben, dass der Betze aus den Fugen sprang und Richtung Stadt hinuntersauste. Doch es folgte ein Pfiff! Und ein Gegentor! Und es folgten bewegende Minuten, bei denen kein Auge trocken blieb. Bilder, die in die FCK-Geschichte eingehen werden. Momente, die dem Mythos reichlich Nahrung geben werden.

Manche sangen das „Olé rot-weiß“ noch auf der Heimfahrt, manche am nächsten Morgen in der Dusche, manche summten es sogar noch in der Arbeit und beim Schreiben dieses Spielberichts. Lautrer, ich möchte euch auf diesem Weg Danke sagen, dass ich ein Teil von alldem sein durfte, das vor rund einer Woche seinen Anfang nahm. Diese Erlebnisse möchte ich gegen nichts auf der Welt eintauschen. Es macht mich so unfassbar stolz, FCK-Fan zu sein. Mehr FCK geht für mich nicht. Ich habe nicht nur die richtige Frau (Gruß ) fürs Leben gefunden, sondern auch den richtigen Verein.

Wir sind mehr als Siege oder Niederlagen, als Bundesliga oder zweite Liga, als Abstiege oder Meisterschaften, als Fehlentscheidungen oder Glückstore. Mehr als "das Drecksgeld" (Danke, Gerry). Das FCK-Gefühl ist nicht nur unzerstörbar, sondern auch unbezahlbar. Oder meint ihr die Hoppenheimer Spieler haben gestern zufällig unsere Ehrenrunde gestört oder die Pressekonferenz gestürmt? Das alles wirkte sehr aufgesetzt. Ich bin mir sicher, sie konnten es einfach nicht ertragen, dass ihre Feier gestört wurde bzw. in die Hose ging, weil der eigentliche sportliche Verlierer im Stadion nicht tot und leise zu kriegen war. Plastik schmilzt eben in der Hölle - und es stinkt gewaltig. Und (Prämien-)Geld macht offenbar nicht in allen fußballerischen Lebenslagen glücklich. Hoffenheim und Hopp hatten wohl bei einem Sieg mit Schmähungen und Übergriffen aus dem Lautrer Lager gerechnet. Doch es blieb ruhig. Ja, noch schlimmer: Keiner interessierte sich für ihre kleine Klassenerhaltsparty.

Der FCK-Stern hat gestern hell geleuchtet, so stark gestrahlt wie lange nicht mehr. Unsere vielen jungen Fans wird er leiten. Sie brauchen jetzt keine Lagerfeuer-Geschichten der alten FCK-Schamanen mehr. Alles, für was dieser Verein steht, haben sie in den vergangenen Tagen am eigenen Leib gespürt und erfahren. In dieser Hinsicht muss einem nicht bange vor der Zukunft sein. Das Feuer und der Geist wird weitergegeben werden. Von Generation zu Generation.

Wir Fans wollten jede Sekunde dieser zwei Relegationsspiele genießen und alles in die Waagschale werfen, was wir haben. Das haben wir mehr als erfüllt. Wahr ist aber auch, dass viele Anhänger sich in den letzten Monaten sehr vom Verein - sprich Spieler, Trainer, Vorstand - entfernt haben. Oder der Verein von ihnen. Diese Gräben sind noch nicht gefüllt. Sie wurden nur für das große, gemeinsame Ziel provisorisch überbrückt.

Jeder Beteiligte hat zwischen dem 1:3 in Sinsheim und dem 1:2 in Kaiserslautern gesehen, was möglich ist oder wäre, wenn alle an einem Strang ziehen. Gegen Vereine, die auf Augenhöhe spielen bzw. in derselben Liga.

Trainer und Vorstand haben als Saisonziel den Aufstieg ausgegeben. Das wurde verpasst. Ob es gereicht hätte, wenn ein Christopher Drazan gestern nicht sein Startelf-Debüt gefeiert hätte? Wenn der - vor seiner Suspendierung - so überragende Jan Simunek, sich nicht vor den Matchball-Spielen verletzt hätte? Wenn der jetzt wieder so sensationell kämpfende Florian Dick die Kapitänsbinde bekommen hätte? Wenn Bunjaku nicht zum Flügelläufer umfunktioniert worden wäre? Oder Trainer Foda zur Winterpause nicht sein System geändert hätte? Diese Fragen sind jetzt nicht mehr zu beantworten. Doch es werden sehr schnell neue aufkommen: Klopft der DFB (wieder) bei Stefan Kuntz an? Erinnert sich Mo Idrissou an sein Aufstiegsversprechen, also hält er dem FCK die Treue? Wer ersetzt Baumjohann? Was passiert mit Heintz? Und wie viel Zeit bekommt Foda für seine „Aufbauarbeit“?

„Der Betze brennt” bleibt für Euch am Ball - auch in der Sommerpause. Versprochen. You’ll never walk alone!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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