Laut Polizei ein „Hochrisikospiel“, aber für die Fans des 1. FC Kaiserslautern soll es einfach nur ein netter Osterausflug werden: Beim SV Sandhausen, dem „Anti-Hoffenheim“ aus dem Hardtwald, sollen drei Punkte her.
Meine Familie ist fußballverrückt. Mein Vater, mein Bruder, mein Cousin, mein Onkel... Vor allem mein Onkel! Neben einer glühenden Leidenschaft zum FC Bayern München pflegt er noch eine weitere Liebschaft: den SV Sandhausen. Da mein Vater noch heute Freudentänze aufführt, wenn der FCB verliert, wurde mir in meiner (Fußball-)Sozialisation eingeimpft, dass auch Sandhausen nicht zu den Guten gehört. Für mich war somit lange Jahre der SVS der FC Bayern des Amateurfußballs.
Doch alles änderte sich mit dem Aufkommen der TSG Hoffenheim. Das Kunstprodukt des Milliardärs Dietmar Hopp, das einem schon beim Hörensagen einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Frankensteins Monster. Zusammengenäht aus Eitelkeit, Profilneurose und fast kindlichem Trotz.
Der SV Sandhausen wäre 2006 fast von dem reichen „Nachbarn“ aus der Hügellandschaft des Kraichgau geschluckt worden. Im Jahr der Weltmeisterschaft, die in Deutschland den ganz großen Fußball-Boom auslöste, wollte Hopp die Kräfte dreier Vereine aus seiner Heimatregion bündeln. Das Ziel: Bundesliga. Aus Hoffenheim, Sandhausen und Walldorf wäre fast der FC Kurpfalz Heidelberg geworden. Aber Jürgen Machmeier, Sandhausens Klubchef, zog die Notbremse. Ausschlaggebend sei letztlich Hopps Aussage gewesen, dass Sandhausen nicht in die Regionalliga aufsteigen dürfe, heißt es. Und Machmeier wollte seinen Klub nicht als Farmteam reduziert sehen.
Dem 1916 gegründeten SVS brachte diese Entscheidung viele Sympathien. Man positionierte ein Gegenmodell zur sicher nicht im Jahr 1899 gegründeten TSG Hoffenheim. „Authentisch, glaubwürdig, echt“. 2007 stieg man in die Regionalliga auf, ein Jahr später qualifizierten sich die Schwarz-Weißen für die neue 3. Liga. In der Saison 2011/12 schaffte der beschauliche Verein mit seinen 700 Mitgliedern dann den Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Der ewige Oberligist (28 Jahre Ligazugehörigkeit!) hatte das Unfassbare geschafft.
Und an diesem Sonntag folgt der Höhepunkt der Saison: Das Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern. Als der FCK 1997/98 zum vierten Mal Deutscher Meister wurde, hießen die Gegner am Hardtwald Bammental, Bonladen und Biberach. 12.000 Zuschauer werden zu dem vermeintlich ungleichen Duell erwartet. Erstmals in dieser Saison wird das Stadion ausverkauft sein. Ein Allzeit-Zuschauerrekord wird aber mangels Platz trotzdem nicht erreicht, weiß die „Rhein-Neckar-Zeitung“, die auf Sandhausens Präsidiumsmitglied Alfred Hack verweist, der sich an eine Pokalbegegnung Anfang der 1970er Jahre gegen den VfB Eppingen erinnert. „Da hatten wir fast 13.000 Zuschauer am Hardtwald. Einige von ihnen saßen auf den Bäumen.“ Gegen den FCK erwartet der SVS nun ein „rot-weißes Meer“. Mindestens 7.000 Lautern-Anhänger werden anreisen - aus der Pfalz rollen ein Sonderzug und 25 Busse an, sogar 500 Radler wollen von Hockenheim aus losfahren.
Hans-Jürgen Boysen ruft angesichts der teuflischen Übermacht auf dem Rasen und den Rängen schon mal zur Rebellion auf: „Nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für unsere Fans ist das eine große Herausforderung. Kampflos ergeben wir uns nicht.“ Sandhausen hat die schwächste Defensive der Liga und ein seit Saisonbeginn anhaltendes, erstaunliches Verletzungspech. Auch unter der Woche trübte die Liste derer, die nicht mittrainieren konnten, die Vorfreude auf das Duell gegen den FCK. „Wir hatten teilweise nur zwölf Feldspieler auf dem Platz. Ein vernünftiges Training war nicht möglich“, klagte Boysen.
Sandhausens Trainer, der in der laufenden Saison Aufstiegs-Macher Gerd Dais ablöste, kann aber immerhin auf Ex-Lautrer Andrew Wooten zählen, der im Hinspiel am Betze (3:1 für den FCK) eine klasse Partie ablieferte.
Boysens Gegenüber Franco Foda hat am Ostersonntag die Qual der Wahl. Alexander Baumjohann scharrt nach seiner Drei-Spiele-Sperre bereits kräftig mit den Hufen: „Ich gehe stark davon aus, dass ich spiele.“ Wenn Foda seinen Wunsch-Spielmacher tatsächlich gleich wieder von der Leine lässt, müsste Kostas Fortounis weichen. Der junge Grieche zeigte gegen Ingolstadt stark aufsteigende Tendenz - ihm tun die Spielpraxis und dass Vertrauen sichtlich gut. In der Abwehrzentrale steht auch der junge Dominique Heintz wieder zur Verfügung. Die Pause habe ihm gut getan, er mache jetzt wieder einen viel besseren, entspannteren Eindruck, attestierte Foda. Bis auf die Langzeitverletzten kann der FCK-Coach auf den kompletten Kader zurückgreifen.
Während die Sandhauser Polizei und Presse vor dem „Hochrisikospiel“ fast den Kriegszustand ausrufen, freuen sich die FCK-Fans auf einen netten Sonntagsausflug und hoffentlich drei Punkte. Neben der geplanten Radtour sorgten im Vorfeld vor allem die Kartensituation und einige daraus resultierende Fragen für Diskussionen: Nach einem Gespräch mit der Fanbetreuung steht nun fest, dass außer in den SVS-Blöcken A2 und A3 im kompletten Stadion das Tragen von FCK-Kleidung auch offiziell erlaubt ist. Über das Mini-Format 80x80cm hinausgehende Fahnen hingegen bleiben leider verboten.
Die Stimmung bei den Fans ist weiter verhalten optimistisch. Die verheerende letzte Saison zehrt immer noch an den Nerven und schmälert das Vertrauen. Trotzdem ist der FCK-Anhang da, wenn er gebraucht wird. Für das nächste Heimspiel gegen den 1. FC Köln sind bereits alle 49.780 Karten verkauft. Die treuen Anhänger sind bereit, warten auf ein Zeichen - eigentlich schon seit zwei Jahren.
Daten und Fakten
Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock)
Voraussichtliche Aufstellungen
SV Sandhausen: Ischdonat, Falkenberg, Pischorn, Olajengbesi, Achenbach - Schauerte, Fießer - Wooten, Löning, Ulm - Mäkelä
Ersatz: Langer, Busch, Kandziora, Beichler, Riemann, Adler, Yun
Es fehlen: Halfar (Wadenprobleme), Kittner (Kreuzbandriss), Morena (Adduktorenverletzung), Glibo (Oberschenkelverletzung), Klotz (Zerrung), Tüting (Arm- und Leisten-OP), Dorn
1. FC Kaiserslautern: Sippel - Dick, Heintz (Simunek), Torrejon, Löwe - Karl, Borysiuk - Weiser, Baumjohann (Fortounis) - Bunjaku, Idrissou
Ersatz: Hohs, Bugera, Simunek, Köhler, Drazan, Fortounis, Hoffer
Es fehlen: Alushi (Reha nach Kreuzbandriss), Amri (Reha nach Beinbruch)
- Ca. 45-60 Minuten vor Anpfiff auf unserer Twitter-Seite: Die endgültigen Aufstellungen.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky